Arzneimittel und Therapie

Chemotherapie bei Mammakarzinom: "Verpacktes" Doxorubicin ist besser fürs Herz

Pegyliertes liposomales Doxorubicin (Caelyx®) ist seit Mitte Januar 2003 für die Monotherapie des metastasierten Mammakarzinoms bei Patientinnen mit erhöhtem kardialem Risiko zugelassen. Der Vorteil: Die Gefahr, dass sich während oder nach der Anthracyclinbehandlung eine Kardiomyopathie entwickelt, ist aufgrund der neuen Galenik gering.

Anthracycline wie Doxorubicin (Adriamycin) oder Epirubicin gehören zum Standardrepertoire der Wirkstoffe für die adjuvante und palliative Chemotherapie des Mammakarzinoms. Unter der Therapie kann es zu den typischen Nebenwirkungen kommen wie Übelkeit und Erbrechen, Alopezie, Schleimhautläsionen und erhöhte Infektanfälligkeit infolge Myelosuppression. Wirklich gefürchtet aber wird die hohe Kardiotoxizität.

Risiko hängt von kumulativer Dosis ab

Wie groß das Risiko ist, dass sich während und nach der Therapie eine kongestive Kardiomyopathie entwickelt, hängt in erster Linie von der kumulativen Dosis ab. Die Schädigung des Herzens kann noch Jahre nach der Behandlung auftreten, denn das Risiko nimmt im Laufe des Lebens nicht ab, sondern bleibt möglicherweise lebenslang erhalten. Wie es dazu kommt, ist nicht im Detail geklärt.

Derzeit wird davon ausgegangen, dass sich unter Anthracyclinen Radikale bilden, die mit dem Eisenkomplex in den Herzmuskelzellen reagieren. Als Schwellenwert gilt eine Gesamtdosis von 450 mg/m². Unterhalb dieser Grenzdosis liegt das Risiko bei maximal 5 Prozent, um dann allerdings stark anzusteigen. Bei Gesamtdosen zwischen 800 bis 900 mg/m² wird das Herz mit nahezu 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit in Mitleidenschaft gezogen.

Als weitere Risikofaktoren für eine kardiale Schädigung gelten hohe Einzeldosen, kurze Infusionsdauer, Vorerkrankungen des Herzens und ein sehr hohes oder sehr niedriges Lebensalter (Kinder!). Präventiv lassen sich ACE-Hemmer mit einem gewissen Erfolg einsetzen.

Veränderte Kinetik – bessere Verträglichkeit

Ein Ausweg aus dem Dilemma ist die Entwicklung pegylierter Liposomen ("stealth"-Liposomen), in die das Doxorubicin eingebettet ist. Das Ergebnis dieser neuartigen Galenik (siehe Kasten): Das Zytostatikum wird peu á peu freigesetzt, die Halbwertszeit ist hoch, Spitzenplasmaspiegel werden vermieden. Diese veränderte Pharmakokinetik gilt als Grund für die deutlich bessere Verträglichkeit, und zwar hinsichtlich der typischen Zytostatika-Nebenwirkungen, vor allem aber auch hinsichtlich des kardialen Risikos. Selbst bei hohen kumulativen Dosen bis zu 1000 mg/m² ist das kardiotoxische Potenzial gering. Schon der Vergleich der Kardiotoxizität von konventionellem Doxorubicin und pegyliertem liposomalem Doxorubicin im Rattenmodell zeigt einen klaren Vorteil.

Interessanter aber der Blick auf die Klinik: Bei 42 Patientinnen, bei denen die kumulativen Gesamtdosis an pegyliertem liposomalem Doxorubicin zwischen 500 und 1500 mg/m² (Mittelwert: 660 mg/m²) lag, ging die linksventrikuläre Ejektionsfraktion innerhalb der Beobachtungsdauer von knapp drei Jahren um lediglich 2 Prozent zurück (– 1% ohne Anthracyclinvortherapie, – 7% mit Anthracyclinvortherapie). Auch die Myokardbiopsie ergab keinen Hinweis auf eine kardiale Schädigung.

Kandidat für die First-line-Therapie

Dass liposomales Anthracyclin hinsichtlich der Wirksamkeit mit konventionellem Doxorubicin gleichziehen kann, zeigen verschiedene groß angelegte klinische Studien. Bei 509 nicht vorbehandelten Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom unterschieden sich progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben zwischen den beiden Regimes nicht signifikant. Anders die Situation bei der Kardiotoxizität: Unter liposomalem Doxorubicin entwickelten innerhalb des Beobachtungszeitraums von knapp zwei Jahren nur 10 der 254 Patientinnen eine Herzschwäche, unter konventionellem Doxorubicin waren es 48 von 255. Insbesondere bei anthracyclinvorbehandelten Patientinnen stieg das kardiale Risiko auf das Siebenfache.

Bei 301 prognostisch äußerst ungünstigen Patientinnen – Progredienz nach Taxantherapie innerhalb von sechs Monaten – ergab sich ebenfalls kein Unterschied zwischen liposomalem Doxorubicin und der Standardtherapie (Vinorelbin, Mitomycin/Vinblastin) hinsichtlich progressionsfreien Intervallen, Remissionsraten und Gesamtüberleben.

Aufgrund der Datenlage wurde liposomales Doxorubicin von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie, Organkomission Mammakarzinom, in die Evidenz-basierten Empfehlungen für die Therapie nach Anthracyclinen und Taxanen aufgenommen. Es gilt aber für die Zukunft durchaus als Kandidat für die First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms.

Halbwertszeit mit List verlängern

Phospholipidhaltige Carrier als Arzneistoffträger zu verwenden, ist nichts Neues. Bereits Anfang der achtziger Jahre wurde die erste Generation anthracyclinhaltiger Liposomen entwickelt. Mit einem Durchmesser von mehr als 1 µm waren sie allerdings so groß, dass sie fast komplett im retikuloendothelialen System (RES) von Leber und Milz verschwanden. Die zweite Liposomen-Generation ist wesentlich kleiner und den RES-Zellen weniger zugänglich. Und sie zirkuliert länger im Blutplasma als konventionelles Doxorubicin. Wird die Oberfläche des Liposoms gleichzeitig pegyliert, wie das bei Caelyx® der Fall ist, steigt die Verweildauer weiter an. Denn die Verknüpfung der Liposomenoberfläche mit Polyethylenglykolketten wirkt als sterische Barriere gegen die Interaktion mit Plasmaproteinen. Diese Technologie wird im Englischen "stealth", also "List" genannt, da solche Liposomen endogenen Abbaumechanismen schwer zugänglich sind und so das körpereigene Immunsystem überlistet wird.

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