Arzneimittel und Therapie

Orphan drug: Miglustat bei Morbus Gaucher

Miglustat (Zavesca®) ist der erste orale Hemmer der Glucosylceramidsynthase zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Form der Gaucher-Krankheit vom Typ 1. Miglustat hat den Status eines Orphan drug und ist in der Europäischen Union zugelassen für die Behandlung von Patienten, für die eine Enzymersatztherapie mit Imiglucerase (Cerezyme®) nicht in Frage kommt. Die Markteinführung in Deutschland ist für Anfang April geplant, wie die Herstellerfirma Actelion mitteilte.

Morbus Gaucher ist die häufigste der so genannten lysosomalen Speicherkrankheiten. Sie zählt zu den seltenen vererbbaren Fettspeicherkrankheiten und wird durch einen Mangel des lysosomalen Enzyms Glucocerebrosidase verursacht. Das Enzym ist für den Abbau von zuckerhaltigen Fettstoffen (Glucocerebrosiden) verantwortlich und spaltet diese in Glucose und Ceramid.

Bei einem Enzymmangel reichern sich die nicht abgebauten Fettstoffe als Speichersubstanz in den Fresszellen des Körpers (Makrophagen) an. Mit zunehmender Speicherung schwellen die Makrophagen zu dicken Gaucher-Speicherzellen an. Diese Zellen sammeln sich in verschiedenen Organen an, vor allem in der Milz, der Leber und im Knochenmark, und führen dadurch zum charakteristischen klinischen Erscheinungsbild der Krankheit. In seltenen Fällen kommt es zu Einlagerungen in Lunge, Haut, Augen, Nieren und Herz. Die Folge sind leichte bis schwere, zum Teil sogar lebensbedrohliche Symptome, die ab der Kindheit bis ins hohe Lebensalter auftreten können.

Im Durchschnitt erkrankt eine von 40 000 bis 60 000 Personen in der Gesamtbevölkerung an M. Gaucher. Das sind weniger als 10 000 Menschen weltweit. Allerdings sind in der Ashkenazi-jüdischen und in der türkischen Bevölkerung mit einer von 1000 Personen relativ betrachtet deutlich mehr Menschen von M. Gaucher betroffen.

Enzymersatztherapie

Weil die Erkrankung durch das Fehlen eines einzelnen Enzyms verursacht ist, kann sie durch einen Enzymersatz therapiert werden. Dazu wird eine chemisch abgewandelte Form des menschlichen Enzyms Glucocerebrosidase, Imiglucerase, die von den Makrophagen besser aufgenommen wird als die natürliche Variante, über das Venensystem infundiert. Beim Typ 1 und Typ 3 des Gaucher-Syndroms können durch wiederholte Infusionen mit dem Enzym die Krankheitssymptome von Milz, Leber und Knochen verringert werden und sogar zum Stillstand kommen. Die Patienten sind allerdings auf eine ständige, lebenslange Versorgung mit dem Enzym angewiesen.

Neue Therapiemöglichkeit: Substrathemmung

Mit dem neuen Therapieprinzip der Substrathemmung soll bereits die Entstehung der Glucocerebroside verhindert werden. Auf diese Weise sind von vornherein weniger Abfallstoffe vorhanden, die dann bei Enzymmangel nicht mehr gespeichert werden.

Miglustat (Zavesca®) ist der erste orale Hemmer der Glucosylceramidsynthase, der zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Form der Gaucher-Krankheit vom Typ 1 eingesetzt wird. Miglustat hemmt das für die Entstehung der Glucocerebroside erforderliche Enzym. Die bei Gaucher-Patienten vorhandene Restmenge des körpereigenen Enzyms Glucocerebrosidase reicht aus, die jetzt in geringerer Menge entstehenden Glucoccerebroside abzubauen. Auch die Substrathemmung muss lebenslang angewendet werden.

Sicherheitsaspekte beachten

Bei der Anwendung von Miglustat sollten wichtige arzneimittelsicherheitsrelevante Aspekte vor Behandlungsbeginn und während der Behandlung beachtet werden, insbesondere die regelmäßige Durchführung von neurologischen Untersuchungen und kognitiven Funktionstests, sowie die Erhebung des Vitamin-B12-Status. Zeugungsfähige Männer sowie Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung eine zuverlässige Methode der Empfängnisverhütung anwenden.

Die Firma Actelion hat in Kooperation mit der europäischen Zulassungsbehörde EMEA ein Postmarketing Distributions- und Surveillance System (PMDS) für Miglustat etabliert, das aus zwei Komponenten, einem direkten Distributionssystem und einer europaweit durchgeführten Anwendungsbeobachtung besteht. Um einen sicheren Einsatz von Miglustat zu gewährleisten und um umfassendere Informationen über das Sicherheitsprofil von Miglustat im klinischen Alltag zu sammeln, hat Actelion in Absprache mit der europäischen Zulassungsbehörde EMEA folgendes vereinbart:

Zavesca® wird in Deutschland über nur einen Distributeur (Komtur Pharmaceuticals, Zähringer Str. 21 in 79108 Freiburg) an Apotheken vertrieben. Der Distributeur ist verpflichtet, nur Rezepte von Verordnern zu beliefern, die in der Zavesca®-Verschreiber-Datenbank registriert sind. Damit wird gewährleistet, dass jedem Verordner vor Behandlungsbeginn die arzneimittelsicherheits-relevanten Informationen zum Einsatz von Miglustat mit einem Informationspaket, dem so genannten Zavesca® Verschreiber-Kit, zugegangen sind. Der Verordner muss auf einem Fax-Antwortbogen bestätigen, dass er mit der Speicherung seiner Daten zu diesem Zweck bis auf Widerruf einverstanden ist. Der Distributeur wird danach alle von dem registrierten Verordner ausgestellten Zavesca®-Verord- nungen umgehend beliefern.

Ebenfalls in Absprache mit und auf Wunsch der europäischen Zulassungsbehörde werden europaweit Daten zur Anwendungssicherheit von Miglustat erhoben. Dies geschieht in Deutschland in Form einer Anwendungsbeobachtung gemäß dem deutschen Arzneimittelgesetz. Der Titel dieser Anwendungsbeoabchtung lautet: "IS3 Post-Marketing Surveillance Projekt: eine internetgestützte Anwendungsbeobachtung zur Anwendungssicherheit von Zavesca®" (www.zavesca-is3.com).

Actelion bittet jeden Verschreiber, sich an dieser Anwendungsbeobachtung zu beteiligen und so zur Verbesserung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zur Anwendungssicherheit dieses neuen Therapieprinzips beizutragen.

Einteilung der Gaucher-Krankheit

Bisher wurde die Gaucher- Krankheit in drei Typen eingeteilt. Diese Einteilung basierte auf dem Zeitpunkt des Krankheitseintritts, den jeweiligen Symptomen, der Mitbeteiligung des Nervensystems und der Lebenserwartung der Patienten. Diese Trennung wird zunehmend verlassen, da es Übergangsformen gibt, die nicht eindeutig einem Typ zuzuordnen sind. Heute unterscheidet man eine neuronopathische und eine nicht-neuronopathische Verlaufsform, d. h. das Auftreten bzw. Fehlen von Nervenschädigungen entscheidet über die Zuordnung zu den beiden Hauptgruppen. Die alte und die neue Klassifizierung stehen in folgendem Zusammenhang:

  • nicht-neuronopathisch (ehemals Typ 1): betrifft alle Altersgruppen, kann schwere Symptome verusachen, aber auch so mild verlaufen, dass die Patienten ein normales Leben führen können;
  • neuronopathisch-akute Verlaufsform (ehemals Typ 2): eher selten, betrifft Kleinkinder und verläuft rasch tödlich;
  • neuronopathisch-chronische Verlaufsform (ehemals Typ 3): tritt in der frühen bis späten Kindheit auf und führt zu einer verkürzten Lebenserwartung.
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