Pharmazeutisches Recht

Bioverfügbarkeit/Bioäquivalenz

Bekanntmachung über die Zulassung nach § 21 des Arzneimittelgesetzes (Bioverfügbarkeit/Bioäquivalenz) Vom 18. Dezember 2002 (aus BAnz. Nr. 58 vom 25. März 2003, Seite 5296)

Die 9. Bekanntmachung gemäß 26 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) über die Zulassung nach § 21 AMG und die Verlängerung der Zulassung von Arzneimitteln nach § 105 AMG (BAnz. S. 2847) interpretierte und ergänzte für Deutschland die Note for Guidance: Investigation of Bioavailability and Bioequivalence (III/54/89-EN) aus dem Jahr 1992. Diese wurde von einem Expertengremium der EMEA nach dem aktuellen Wissensstand überarbeitet und unter folgendem Titel publiziert: Note for Guidance on the Investigation of Bioavailability and Bioequivalence: CPMP/EWP/QWP/1401/98; 26. 7. 2001 (im Folgenden "aktuelle Note for Guidance" genannt).

Die "aktuelle Note for Guidance" besitzt seit Januar 2002 Gültigkeit. Mit der vorliegenden Bekanntmachung wird der Anforderung des AMG Rechnung getragen, bei der Zulassung nach § 21 AMG den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Gleichzeitig erfolgt eine Anpassung an die Ausführungen der "aktuellen Note for Guidance" in Bezug auf die Bewertung der Bioverfügbarkeit/Bioäquivalenz. Mit den Verweisen wird im Folgenden ausschließlich auf die genannte "aktuelle Note for Guidance" Bezug genommen.

Der Beleg der ausreichenden biologischen Verfügbarkeit des arzneilich wirksamen Bestandteils aus der jeweiligen Arzneiform ist eine regelmäßige Anforderung. Zu Begriffsdefinitionen siehe die Abschnitte 2.3 und 2.4 der "aktuellen Note for Guidance".

Der Nachweis der Bioäquivalenz gegenüber einem Referenzpräparat erfolt in der Regel mit Hilfe einer vergleichenden klinischen Studie an einem ausgewählten und geeigneten Probanden- bzw. Patientenkollektiv (siehe Abschnitt 2.4 der "aktuellen Note for Guidance"). unter bestimmten Bedingungen besteht davon abweichend die Möglichkeit, diesen Nachweis durch In-vitro-Untersuchungen zu erbringen (siehe die Abschnitte 4.2 und 5.1.1 der "aktuellen Note for Guidance". Sofern diese Möglichkeit genutzt wird, ist zu begründen, warum keine Notwendigkeit zur Durchführung von Bioäquivalenzstudien besteht. Bei dieser Begründung sind sowohl die eigenschaften des Arzneistoffs (1) wie auch diejenigen der Arzneiform (2) zu berücksichtigen.

(1) Die Charakterisierung und Beurteilung des Arzneistoffs im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Bioäquivalenzstudie muss folgende Gesichtspunkte berücksichtigen: die therapeutische Breite und das Potenzial für mit Bioäquivalenz einhergehende Risiken (z. B. Therapieversager) sowie darüber hinaus Aspekte, die aus Kriterien abgeleitet werden können, die dem biopharmazeutischen Klassifizierungssystem (BCS) zu Grunde liegen (siehe Abschnitt 5.1.1a) der "aktuellen Note for Guidance"). Diese Aspekte betreffen die Löslichkeit in wässrigem Medium innerhalb des physiologischen pH-Bereichs (siehe Abschnitt 5.1.1a) iii der "aktuellen Note for Guidance") sowie die Permeabilität des Wirkstoffs (siehe Abschnitt 5.1.1a) iv der "aktuellen Note for Guidance"). Bei ausreichender therapeutischer Breite und entsprechendem Fehlen therapeutisch relevanter Risiken (Therapieversager) bieten somit gut lösliche Arzneistoffe, die vollständig absorbiert werden, wesentliche Eigenschaften, die den Verzicht auf Bioäquivalenzstudien in vivo möglich machen.

(2) Die Beurteilung hinsichtlich des möglichen Verzichts auf den klinischen Nachweis der Bioäquivalenz basiert zusätzlich auf dem Beleg einer vergleichbar raschen In-vitro-Freisetzung zum Referenzpräparat innerhalb des physiologischen pH-Bereichs von 1 bis 8. Ohne weitere statistische Prüfung (z. B. mittels f2-Test) gilt eine rasche In-vitro-Freisetzung dann als belegt, wenn unter den in Abschnitt 5.1.1b)i der "aktuellen Note for Guidance" genannten Bedingungen mehr als 85% des deklarierten Gehalts innerhalb von 15 Minuten freigesetzt werden. Zur Durchführung sowie Bewertung von Untersuchungen zur In-vitro-Freisetzun siehe Appendix II der "aktuellen Note for Guidance".

Bei der Beurteilung der zur Zulassung beantragten Arzneiform ist außerdem der mögliche Einfluss der eingesetzten Hilfsstoffe auf die Bioverfügbarkeit des Arzneistoffs aufzuzeigen (siehe Abschnitt 5.1.1b)ii der "aktuellen Note for Guidance"). Darüber hinaus ist die Überprüfung des Herstellungsprozesses im Hinblick auf möglicherweise kritische physikochemische Eigenschaften des Arzneistoffs zu dokumentieren (siehe Abschnitt 5.1.1b)ii der "aktuellen Note for Guidance").

Für nicht modifiziert freisetzende Arzneimittel, bei denen der arzneilich wirksame Bestandteil zum Zeitpunkt der Applikation als wässrige Lösung vorliegt, sind im Allgemeinen keine Studien vorzulegen, sofern belegt wird, dass keine die Resorption beeinflussenden Hilfsstoffe eingesetzt werden (siehe Abschnitt 5.1.2 der "aktuellen Note for Guidance").

Zum Vorgehen bei schnell freisetzenden nicht oral zu applizierenden, modifiziert freisetzenden und transdermalen Arzneimitteln, Kombinationspräparaten, Parenteralia, Gasen, sowie bei lokal zu applizierenden Arzneimitteln wird auf die Abschnitte 5.1.3 bis 5.1.8 der "aktuellen Note for Guidance" verwiesen. Die beschriebenen Anforderungen gelten auch im Fall von Änderungsanzeigen/Variations.

Eine Erklärung zum Verzicht auf vergleichende In-vivo-Studien ("Biowaiver") muss geeignete unterlagen zur Charakterisierung des Arzneistoffs enthalten, wie beispielsweise Angaben zur therapeutischen Breite, zur Löslichkeit der höchsten Dosisstärke in 250 ml im physiologischen pH-Bereich, zur Absorption in vivo (bzw. alternativ zur Permeabilität in vitro) sowie relevante bewertende Angaben zur Pharmakokinetik (insbesondere zur Absorption sowie ggf. zum Metabolismus). Darüber hinaus ist die Arzneiform über die Darstellung der Zusammensetzung, eine Beurteilung der Hilfsstoffe und des Herstellungsprozesses sowie geeignete Untersuchungen zur In-vitro-Freisetzung (im pH-Bereich zwischen 1 und 8 bei mindestens 3 Bedingungen, d. h. vorzugsweise pH 1, 4.6 und 8.8) zu charakterisieren. Eine Zusammenfassung, die wesentlichen Aspekte der Entscheidung für einen Verzicht auf vergleichende In-vivo-Studien hervorhebt, ist erforderlich.

In jedem Fall ist im Antrag auf Zulassung anzugeben, ob Unterlagen zum Beleg der Bioverfügbarkeit/Bioäquivalenz eingereicht werden oder eine Ausnahme von der Pflicht zur Vorlage von In-vivo-Unterlagen beansprucht wird. Bis zum Inkrafttreten des neuen Antragformulars, das in einer separaten Bekanntmachung veröffentlicht werden wird, ist diese Angabe zusätzlich in das den Zulassungsantrag begleitende Anschreiben aufzunehmen.

Sofern keine vergleichenden In-vivo-Studien zur Bioverfügbarkeit vorgelegt werden, sind die genannen Unterlagen, die den Verzicht auf In-vivo-Studien begründen, als zusätzliche Anlage separat zusammengefasst und geheftet dem Antrag auf Zulassung unter dem Stichwort "Freistellung von In-vivo-Studien" (Biowaiver) beizufügen (siehe Anlage 9 des zukünftigen Antragformulars).

Diese Bekanntmachung ersetzt mit Wirkung vom ersten Kalendertag nach Ablauf von 3 Monaten nach ihrer Veröffentlichung die 9. Bekanntmachung vom 19. Januar 1998 in der Fassung vom 3. Januar 2000 (BAnz. S. 2772).

Bonn, den 18. Dezember 2002 A - 4477 - 115855/02 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinproduke Der Präsident Prof. Dr. rer. nat. Harald G. Schweim

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