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AV Westfalen-Lippe: Systemwechsel und Apothekensterben per Gesetz

Seine bedingungslose Ablehnung des Versandhandels und eines limitierten Mehrbesitzes an Apotheken hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) erklärt. Zugleich forderte Verbandsvorsitzender Dr. Horst-Lothar Müller, die Arzneimittelpreisverordnung nach System und bisherigem wirtschaftlichen Ergebnis für die Apotheke zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen. Diese Festlegungen fanden die Unterstützung von mehr als 900 Mitgliedern des AVWL, die zu insgesamt vier Informationsveranstaltungen seit dem 5. März nach Münster, Dortmund, Gladbeck und Bielefeld gekommen waren.

Müller sowie der Stellvertretende Vorsitzende Dr. Klaus Michels und weitere Vorstandsmitglieder machten deutlich, dass sie die Positionen des AVWL in den Beschlussgremien der ABDA, gegenüber Bundestagsabgeordneten aus Westfalen-Lippe und nicht zuletzt gegenüber dem Sozialministerium NRW verdeutlichen würden. Von Dellingshausen erinnerte daran, dass der Verband seit jeher intensive Kontakte zu westfälisch-lippischen Abgeordneten pflege und deshalb bestehende Kontakte intensivieren könne und nicht neue Kontakte knüpfen müsse. In journalistischen Gesprächen, welche der Vorsitzende und die Geschäftsführung seit Jahren regelmäßig mit den Medien im gesamten Verbandsgebiet pflege, würde ebenfalls deutlich Position bezogen.

Müller rief seine Kolleginnen und Kollegen auf, die schon vorhandenen Kontakte zu Abgeordneten "vor Ort" zu intensivieren und sicherte dabei die Hilfe des Verbandes zu. Es sei notwendig, insbesondere SPD-Abgeordneten klar zu machen, welche Auswirkungen bereits das Beitragssatzsicherungsgesetz für Apotheken gehabt hat. Schließlich hätten die Abgeordneten, so Müller, kein Interesse an Ärger in ihren Wahlkreisen mit den Leistungserbringern und den Patienten.

Zugleich äußerte sich Müller äußerst zurückhaltend gegenüber Streikaktionen, Protestumzügen, Leistungsverweigerungen oder auch vorgeschlagenen Ankündigungen, Kassenrezepte nur noch auf Barzahlung hin zu beliefern. Dies könne Patienten eher verärgern, die bisher einen positiven Eindruck von der Apotheke hätten, und würde die Politik kaum beeindrucken.

Maximale Vorstellungen der Fachreferate

Mit Rechtsanwalt Dr. Johannes Pieck begrüßte Müller einen alten Fahrensmann der Gesundheitspolitik, der in 33 Berufsjahren als Syndikus und viele Jahre als Sprecher der ABDA-Geschäftsführung so manchen Sturm erlebt habe. Er verteidigte Pieck gegen den unqualifizierten Angriff eines einzelnen Apothekers und bewertete in Bielefeld den Kommentar eines Münchener Journalisten (siehe DAZ Nr. 11, Seite 27) nach dem Motto "Schlecht gebrieft, Löwe!".

War Pieck im Zeitraum der Einladung zu den vier Informationsrunden vom Vorstand des Verbandes noch eingeladen, die gesundheitspolitischen Konsequenzen des Anfang Februar publizierten Eckpunktepapiers der Ministerin Ulla Schmidt zu erläutern, war er nunmehr in der Lage, den Rohentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems mit seinen Auswirkungen auf das Apothekenwesen darzustellen und Konsequenzen aufzuzeigen. Hierbei beschränkte er sich ausdrücklich auf gesundheitspolitische Aspekte. Auf die Anfrage eines Apothekers, welche Ratschläge er der ABDA in der konkreten Situation gebe, erklärte er, dass er als ehemaliger Geschäftsführer der ABDA in der Öffentlichkeit keine Ratschläge zu geben habe.

Zur These, der Gesetzentwurf sei das Papier nicht wert, auf dem er steht, meinte Pieck, der Gesetzentwurf enthalte die maximalen Vorstellungen der Fachreferate und sei in der Tat nicht die endgültige Fassung; diese werde in etlichen Wochen als Referentenentwurf das Licht der Welt erblicken. Er rechne und hoffe, dass es gelingen werde, in der aktuellen Situation noch deutliche Verbesserungen zu erreichen. All dies würde jedoch letztendlich daran gemessen, ob aus der Sicht der Politik ein adäquater Beitrag des Arzneimittelbereiches erzielt werde, um die Krankenkassenbeiträge signifikant zu senken.

Versandhandel nicht auszuschließen

Pieck äußerte sich insbesondere zu den Themen Versandhandel, Fremd- und Mehrbesitz, Arzneimittelpreisverordnung sowie zu der extremen Liberalisierung der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern. Möglicherweise würden Entscheidungen des Gesetzgebers für einen Versandhandel durch Entscheidungen des EuGH oder des Bundesverfassungsgerichts überholt, was niemand verlässlich prognostizieren könne. Er schilderte die aktuelle Prozesssituation in Luxemburg und Karlsruhe und wollte nicht ausschließen, dass einer der beiden Gerichtshöfe den Versandhandel zulasse. Eine solche Situation wäre in der Tat der worst case.

Der Entwurf des Ministeriums, auf zwei Druckseiten Voraussetzungen für eine Genehmigung des Versandhandels und für dessen Praktizierung vorzuschreiben, zugleich aber zu bestimmen, dass der Antrag auf Genehmigung als erteilt gelte, wenn die Behörde den Antrag drei Monate nicht bearbeite, zeige den unverantwortlichen Umgang mit Fragen der Arzneimittelsicherheit. Es sei bezeichnend, dass die Begründung des Gesetzentwurfes keine Hinweise enthalte, warum das Ministerium einen limitierten Mehrbesitz trotz verfassungsrechtlicher Bedenken zulasse.

Gegen Arzneimittelsicherheit

Die "neue" Arzneimittelpreisverordnung, die nur scheinbar an die zurzeit noch gültige Verordnung anknüpfe, enthalte so viel Ausnahmen und Ausnahmemöglichkeiten, dass von diesem System nur noch eine miese Ruine zurückbleibe. Wenn nicht dem Ministerium, dann müsse man den Abgeordneten der Regierungskoalition erklären, dass die Umsetzung dieses Entwurfes 1:1 nicht nur das Ende für viele tausend Apotheken bewirke, sondern auch die verbleibenden Apotheken in einen buchstäblich ruinösen Zustand versetze.

Die Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern interessiere gewiss nur eine Minderheit der Offizinapotheker. Die Regelung jedoch, dass Krankenhausapotheken beziehungsweise krankenhausversorgende Apotheken nach der freien Entscheidung von Krankenhausträgern durch Arzneimitteleinkauf bei Herstellern, Großhändlern, Vertriebsunternehmern, öffentlichen Apotheken oder Krankenhausapotheken ersetzt werden könnten, wobei ein Alibiapotheker, der nicht einmal fest angestellt sein muss, pro forma Kontrollfunktionen übernehme, dokumentiere am eindrücklichsten in diesem Gesetzentwurf, dass das Ministerium sich im Widerstreit zwischen Kostendämpfung und Arzneimittelsicherheit rücksichtslos gegen die Arzneimittelsicherheit entscheide.

Das jeweils einstündige Referat von Pieck wurde auf allen Veranstaltungen mit höchster Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen und trotz der schwierigen bis dramatischen Situation mit anerkennendem Beifall bedacht. Der Vorstand des AVWL ist nach diesen vier Veranstaltungen zu dem Ergebnis gelangt, dass es sinnvoll ist, die Mitglieder auch über einen Gesetzentwurf zu informieren, der gewiss noch Änderungen erfahren wird, zugleich aber auch überdeutlich das Gefährdungspotenzial markiert, gegen das Apothekerverbände und Apothekerkammern sich gemeinsam im Gefüge der ABDA zur Wehr setzen werden.

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