Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Neuer Therapieansatz mit Proteasomen-Inhibitoren

Mit den Proteasomen-Inhibitoren wird das Spektrum der Targeted-Therapie bei Krebserkrankungen vergrößert. Durch Proteasomen-Hemmstoffe wird die zelluläre Homöostase so gestört, dass bei malignen Zellen eine Apoptose eingeleitet wird; gesunde Zellen reagieren weniger empfindlich. Der Proteasomen-Inhibitor Bortezomib wird derzeit als Monosubstanz und in Kombination mit klassischen Zytostatika in mehr als 30 Studien erprobt, seine Zulassung für Europa soll demnächst beantragt werden.

Unter Proteasomen versteht man bestimmte Zellbereiche, in denen nicht mehr benötigte Eiweißmoleküle eliminiert werden (das Proteasom als "Zellmülleimer"). In ihnen werden veränderte oder beschädigte Proteine, aber auch bestimmte, für die zelluläre Homöostase wichtige Schlüsselproteine abgebaut. Durch diesen Vorgang werden zelluläre Prozesse wie die Zellzyklusprogression und das Zellüberleben reguliert. Eine Hemmung der Proteasomen resultiert in einer Anreicherung intrazellulärer Proteine und zerstört die zelluläre Homöostase, was letztendlich zum Zellzyklusarrest und dem programmierten Zelltod führt.

Zu den Proteinen, die über Proteasomen abgebaut werden, gehören u. a. verschiedene Transkriptionsfaktoren, Zykline und das Tumorsuppressor-Protein p53. Eine Akkumulation dieser Proteine aufgrund einer Proteasomen-Hemmung führt zu einer Veränderung des zellulären Gleichgewichts, worunter vor allem die Tumorzellen leiden. Der genaue Mechanismus, der dann zum Zellzyklusarrest und zur Apoptose der Krebszellen führt, ist noch nicht bekannt. Ein weiterer Effekt der Proteasomen-Hemmung ist die Anti-Angiogenese, d. h. der Tumor wird daran gehindert, in Blutgefäße einzuwandern.

Die Beobachtung, dass maligne Zellen empfindlicher auf eine Hemmung der Proteasomen reagieren als normale Zellen, führte zur Entwicklung von Proteasomen-Inhibitoren, die in der Tumortherapie eingesetzt werden sollen. Des Weiteren konnte in Zellkulturen und in Tierversuchen gezeigt werden, dass eine Hemmung der Proteasomen antitumorale Effekte aufweist und Krebszellen empfindlicher für eine Therapie mit klassischen Zytostatika macht. Bis heute wurde eine Vielzahl an Proteasomen-Inhibitoren entwickelt. Einer von ihnen – Bortezomib (Velcade™) – befindet sich bereits in der klinischen Prüfung.

Bortezomib in der klinischen Prüfung

In mehreren Phase-1-Studien mit rund 200 Patienten wurde die Wirksamkeit von Bortezomib vor allem bei hämatologischen und soliden Tumoren nachgewiesen. Ferner wurden Daten zur Pharmakokinetik, zur Toleranz, zu der Dosierung und zum Sicherheitsprofil erfasst. Aufgrund vielversprechender Ergebnisse wurden zahlreiche Phase-II-Studien initiiert, in denen Bortezomib bei unterschiedlichen Tumorentitäten (z. B. Leukämie, Melanom, Brustkrebs, Nierenkarzinom, Dickdarmkrebs, Prostatakarzinom, Sarkomen, Ovarialkrebs u. a.) eingesetzt wurde. Des Weiteren wurde Bortezomib mit klassischen Zytostatika kombiniert. Dabei zeigte sich, dass viele Kombinationen auch bei therapieresistenten Patienten ansprachen und die gemeinsame Gabe von einem klassischen Zytostatikum und Bortezomib zu keiner überlappenden Toxizität führte.

In einer Phase-III-Studie konnte die Wirksamkeit von Bortezomib beim multiplen Myelom (unheilbarer Knochenmarkkrebs) bestätigt werden. An dieser Studie nahmen 202, zum Teil bereits austherapierte Patienten teil. 59% von ihnen sprach auf die Therapie an, bei 39% bildete sich der Tumor ganz oder teilweise zurück. Der Behandlungserfolg hielt bei einigen Patienten auch noch nach einem Jahr an. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Störungen der Blutbildung, Übelkeit, Durchfälle und Neuropathien.

Mit den Proteasomen-Inhibitoren wird das Spektrum der Targeted-Therapie bei Krebserkrankungen vergrößert. Durch Proteasomen-Hemmstoffe wird die zelluläre Homöostase so gestört, dass bei malignen Zellen eine Apoptose eingeleitet wird; gesunde Zellen reagieren weniger empfindlich. Der Proteasomen-Inhibitor Bortezomib wird derzeit als Monosubstanz und in Kombination mit klassischen Zytostatika in mehr als 30 Studien erprobt, seine Zulassung für Europa soll demnächst beantragt werden.

Proteasomen sind Mülleimer der Zelle

Proteasomen sind große Komplexe aus miteinander verbundenen Proteinen, die eine zylindrische bzw. röhrenartige Form besitzen und in der Mitte einen Kanal aufweisen. An den beiden Enden der Röhre finden sich regulierende Kappenproteine, in der Mitte die proteinspaltende Einheit. Proteasomen kommen sowohl im Zellkern als auch im Cytoplasma vor. Man findet sie in "uralten" Bakterien ebenso wie in menschlichen Zellen. Proteasomen spielen bei der Zelldifferenzierung, Signalübertragung, Stoffwechselanpassung und Zellteilung eine wichtige Rolle, indem sie regulatorische und abnormale Proteine selektiv abbauen. An die abzubauenden Proteine werden von spezifischen Enzymen mehrere Ubiquitinmoleküle angeknüpft. Diese sorgen dafür, dass das so markierte Protein in den Kanal eines Proteasoms gelangt, wo es in mehrere kleinere Bruchstücke zerlegt wird. Dabei werden die angekoppelten Ubiquitinmoleküle zur Wiederverwendung abgelöst.

Bortezomib

Das dipeptidische Borsäurederivat Bortezomib (Velcade™) ist eine potenter und selektiver Proteasomen-Inhibitor, der stabil aber reversibel an Proteasomen bindet. Andere zelluläre Proteasen werden von ihm nicht blockiert. Bortezomib hemmt den Transkriptionsfaktor NF-Kappa-B. Dieser fördert wiederum das Zellwachstum und verhindert die Apoptose. Durch eine Blockade des Proteasoms mit Bortezomib kommt es also zu einem vermehrten programmierten Zelltod.

Bortezomib wurde ursprünglich unter dem Namen PS-341 von der Biotechnik-Firma ProScript entwickelt und dann an Millenium Pharmaceutical (Massachusetts, USA) weiterverkauft. Bortezomib wird derzeit in mehr als 30 Studien erprobt; seine Zulassung für Europa soll demnächst beantragt werden.

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