Berichte

DPhG: Der Pupillographische Schläfrigkeitstest

Auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft am 28. November 2002 im Katharinenhospital Stuttgart hielt Dr. med. Barbara Wilhelm vom Steinbeis-Transferzentrum Biomedizinische Optik und Funktionsprüfung Kompetenzbereich II, Autonomes Nervensystem und Sicherheitsstudien, Tübingen, einen Vortrag über den Pupillographischen Schläfrigkeitstest (PST).

Objektive Erfassung der Tagesschläfrigkeit

Tagesschläfrigkeit und die daraus resultierenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bei der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, am Arbeitsplatz oder anderen alltäglichen Situationen stellt ein erhebliches Sicherheitsproblem dar. Sie ist nicht nur ein Leitsymptom von chronischen Schlafstörungen, sondern Schläfrigkeit kommt auch, bedingt durch die zirkadiane Rhythmik und/oder entsprechendes Fehlverhalten, bei völlig Gesunden vor.

Der Pupillographische Schläfrigkeitstest (PST) ist ein physiologisches Verfahren zur Erfassung und Beurteilung der Tagesschläfrigkeit. Bei diesem in Tübingen von Barbara Wilhelm und ihrem Team entwickelten Test wird mittels der Infrarot-Video-Pupillographie das Pupillenverhalten im Dunkeln kontinuierlich aufgezeichnet und analysiert.

Charakteristische Veränderungen des Pupillenverhaltens lassen Rückschlüsse auf eine verminderte zentralnervöse Aktivierung des Probanden oder Patienten zu. Der PST kann daher zur Beurteilung und Diagnostik der Tagesmüdigkeit und zur objektiven Therapiekontrolle in den verschiedensten medizinischen, psychologischen und pharmakologischen Gebieten eingesetzt werden.

PST

Die Arbeiten zur Entwicklung des PST wurden im Rahmen des Fortüne-Projekts und von der DFG unterstützt. Ab 1993 wurde der erste Prototyp und die spezielle Software entwickelt. In den darauffolgenden Jahren erfolgten die grundlegenden Untersuchungen und weitere Optimierung des Systems in Hinblick auf die Standardisierung, Validierung, Normierung, Spezifität, Sensitivität, Objektivität und Ökonomie.

1995 wurde das System in die deutsche Schlafmedizin und Schlafforschung eingeführt. Das Messgerät selbst wird seit 1997 von der Firma Amtech in Lizenz hergestellt und vertrieben. Bislang sind weltweit 50 dieser Geräte im täglichen Einsatz.

Beim PST wird das Pupillenverhalten eines Auges im Dunkeln über einen Zeitraum von 11 min kontinuierlich erfasst und aufgezeichnet. Die Messung erfolgt in körperliche Ruhe im Sitzen bei angenehmen Temperaturen. Der Proband trägt während der Messung eine Dunkelbrille, die zur Messeinrichtung gehört. Diese besteht aus einer Infrarot-Lichtquelle und einer Infrarot-Videokamera. Die computergestützte Aufzeichnung und Analyse erfolgt automatisch. Ausgewertet werden der Pupillenruheindex (PUI) und das Amplitudenspektrum.

Vor der Messung wird die Anamnese erhoben und die Pupillen untersucht (u. a. Pupillenbeweglichkeit, Seitengleichheit, Verletzungen; die visuelle Funktion spielt keine Rolle). Da bei der Messung die zentralnervöse Aktivierung (zentrale Sympathikusaktivität) gemessen wird, ist es notwendig, vor und während der Untersuchung hemmende und stimulierende Einflüsse auf das vegetative Nervensystem weitgehend auszuschließen. Die Probanden sollten daher mindestens 4 Stunden vor der Untersuchung keine coffeinhaltigen Getränke und Lebensmittel, kein Nicotin und keinen Alkohol zu sich genommen haben.

Regulation der Pupillenweite

Der Pupillendurchmesser hängt vom Lebensalter ab: Die größten Pupillenweiten findet man in der zweiten Lebensdekade. Danach werden die Pupillen um 0,4 mm/Dekade kleiner.

Die Pupillenweite wird durch die glatten Muskeln in der Iris eingestellt. Die vegetative Regulation dieser Vorgänge ist sehr komplex. Die Pupillenweite hängt einerseits von der Intensität des einfallenden Lichtes ab und wird reflektorisch gesteuert. Andererseits werden in Stresssituationen die Pupillen durch Sympathikusaktivierung und Hemmung des Okulomotoriuskerns weitgestellt und in Entspannungssituationen (Schlaf, Schläfrigkeit, Narkose) durch Überwiegen des Parasympathikus enggestellt.

Pupillenverhalten im Dunkeln

Der im PST ermittelte Pupillenruheindex (PUI) ist ein Maß für die Tendenz der Pupille sich zu verändern. Bei wachen Menschen zeigt das Pupillogramm wenig Veränderungen des Pupillendurchmessers. Bei müden Probanden hingegen nimmt die Pupillenweite ab, und es treten vermehrt charakteristische Schläfrigkeitswellen auf.

Die zentralnervöse Aktivierung unterliegt einer zirkadianen Rhythmik. Bei Gesunden ist sie morgens um 9.00 Uhr und abends um 11.00 Uhr am höchsten. Der PUI ist unabhängig vom Alter (geprüft zwischen 20 und 60 Jahren) und vom Geschlecht. Augrund umfangreicher grundlegender Untersuchungen wurde der Normwertbereich definiert, sodass die Klassifizierung und Einordnung eines individuellen Befundes möglich ist. Personen mit pathologischen Werten haben eine erhöhte Einschlafneigung.

Mit dem PST steht somit ein standardisiertes Testsystem zur objektiven Messung der Tagesschläfrigkeit zur Verfügung. Er kommt daher in den unterschiedlichsten Bereichen zur Anwendung

Klinische Anwendung

Der PST wird in der Diagnostik, Differentialdiagnostik und zur Therapiekontrolle z. B. bei Schlafapnö und Narkolepsie sowie zur Evaluierung bei Insomnie eingesetzt. Barbara Wilhelm zeigte dies am Beispiel einer von ihr durchgeführten Studie bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnösyndrom. Morgendliche Müdigkeit ist ein charakteristisches Symptom bei dieser schlafbezogenen Atemstörung. Die Betroffenen stehen oft müder auf, als sie sich abends hingelegt haben. Bei den Patienten zeigten sich die typischen Veränderungen im Pupillogramm, die sich unter Therapie mit nasaler Atemmaske schnell normalisierten.

In dieser Studie konnte z. B. gezeigt werden, dass mittels des PST eine Objektivierung von Schweregrad und Therapieerfolg bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnösyndrom möglich ist.

Verkehrsmedizin

Unaufmerksamkeit und Sekundenschlaf ist Unfallursache Nr. 1 auf den Fernstraßen.

In zwei Autobahnstudien wurde an größeren Kollektiven von PKW- und LKW-Fahrern der PST durchgeführt. Die Freiwilligen füllten vor der Messung einen umfangreichen Fragebogen aus und wurden gebeten, sich selbst hinsichtlich Schläfrigkeit und Fahrvermögen einzuschätzen. Nach der Auswertung der dabei erhobenen Daten ergab sich folgendes Bild:

  • 79 % der PKW-Fahrer und 61% der LKW-Fahrer waren unauffällig,
  • 15% bzw. 16% grenzwertig und
  • 6% bzw. 23% pathologisch.

Der PUI hing eindeutig nicht von der Dauer des Nachtschlafs in der Nacht vor der Messung ab, sondern von der Dauer der vorangegangenen Lenkzeit, d.h., die müden Fahrer hatten nicht nachts zu wenig geschlafen, sondern waren zu lange und zu weit gefahren.

Darüber hinaus neigten diejenigen Fahrer, welche zu chronobiologisch ungünstigen Zeitpunkten (Schlaf nicht zwischen 1.00 und 5.00 Uhr) geschlafen hatten, zu erhöhter Schläfrigkeit. Interessanterweise schätzten die meisten Fahrzeugführer zwar ihre Schläfrigkeit richtig ein, überschätzten gleichzeitig aber ihre Fahrtauglichkeit.

Hangover-Test

Die Referentin stellte die Ergebnisse einer von ihr selbst durchgeführten Studie mit einem Benzodiazepin vor, mit der ein möglicher Hangover-Effekt des Arzneimittels nachgewiesen werden sollte. Erstmals wurde ein Hangover objektiv dargestellt, da am Vormittag nach abendlicher Einnahme eines Benzodiazepins deutlich erhöhte Schläfrigkeit messbar war. Überraschenderweise wurde dieser Effekt im Verlauf der Vormittagsstunden stärker.

Dieses Ergebnis macht deutlich, dass bei der Überprüfung von Arzneimitteln und Stoffen mit dem PST der Tageszeitpunkt der Messung eine wichtige Rolle spielt (bei gutachterlichen Fragestellungen sind daher Tagesprofile zu erstellen).

Inzwischen wurden auch von anderen Forschergruppen der Einfluss von weiteren ZNS-aktiven Stoffen (Clonidin, Yohimbin, Antidepressiva und Benzodiazepinen) auf die Tagesschläfrigkeit mit dem PST untersucht und publiziert.

Fazit

Der PST stellt eine relativ neue Methode zur einfachen und objektiven Erfassung der Tagesschläfrigkeit dar. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dieses Testsystems scheinen noch lange nicht ausgeschöpft.

Kasten Weitere Informationen zum PST

Hersteller: www.amtech.de Dr. Barbara Wilhelm: www.stz-biomed.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.