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Europäische Krankenversichertenkarte: Bald kein Papierkrieg mehr bei Behandlung

BONN (hb). Im März 2002 hatte der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung in Barcelona den Aktionsplan zur Förderung der Mobilität in der Europäischen Union gebilligt. Bestehende Hindernisse sollten bis 2005 beseitigt werden. In diesem Zusammenhang steht auch der Beschluss über die Einführung einer Europäischen Krankenversichertenkarte für die medizinische Versorgung bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat. Vor der nächsten Tagung des Rates am 21. März 2003 in Brüssel sollte die Kommission einen Vorschlag zu der Karte präsentieren. Dieser Vorschlag liegt nun vor, und so nimmt die europäische Versichertenkarte langsam Gestalt an.

In puncto Krankenversichertenkarte zeichnet sich die Europäische Union derzeit noch durch große Unterschiede aus. Schließlich fallen die Ausgestaltung der Gesundheitssysteme und der Systeme der sozialen Sicherheit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Einige Länder (Belgien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Slowenien) haben bereits in großem Umfang Chipkarten ausgegeben, einige befinden sich im Planungsstadium (Griechenland, Tschechische Republik). Andere machen wenig oder gar keinen Gebrauch von Karten (Irland, Vereinigtes Königreich, die meisten Beitrittsländer). Darüber hinaus sind die Funktionen der Karten sehr unterschiedlich.

Modellprojekte zur grenzüberschreitenden Versorgung

Erfahrungen zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung gibt es bereits, und zwar im Rahmen der Modell-Projekte Euregio Maas-Rhein, Baden-Württemberg – Vorarlberg, Transcards (zwischen dem französischen Thiérache und dem belgischen Hennegau) und Netlink (Vereinbarung zwischen der deutschen und der französischen Sozialversicherung über die Behandlung von Dialyse-Patienten aus dem Elsass).

Anspruch auf alle erforderlichen Sachleistungen

Nun sollen alle Personen während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat unbürokratisch Leistungen unter den gleichen Bedingungen erhalten wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Die Ansprüche der verschiedenen Versichertengruppen sind allerdings nach wie vor unterschiedlich. Eine Angleichung wäre wünschenswert und wird auch bereits angedacht. So wurde zumindest auf politischer Ebene eine Einigung darüber erzielt, dass im Aufenthaltsland ein Anspruch auf alle erforderlichen Sachleistungen und nicht nur auf die unverzüglich erforderlichen eröffnet wird.

Vorteile der Karte für die drei Hauptakteure

Die drei Hauptakteure, die an der Verwendung der Krankenversicherungskarte beteiligt sind, werden jeder auf seine Weise hiervon profitieren:

  • der Versicherte. Jede versicherte Person wird eine persönliche Karte erhalten, keine Familienkarte, da ein vorübergehender Aufenthalt auch eine einzelne Person betreffen kann (Geschäftsreisen, Schullandheime).
  • die Leistungserbringer (Ärzte, Krankenhäuser, medizinisches Hilfspersonal). Aufgrund der Standardisierung der Felder auf der Karte werden die Leistungserbringer sofort über besser lesbare und klarere Angaben verfügen können.
  • die Träger der sozialen Sicherheit in beiden beteiligten Mitgliedstaaten. Wegen der geringeren Fehlerquote dürfte die Einführung der Karte die Zahl der Ablehnungen von Erstattungsanträgen verringern. Die Daten werden nämlich besser lesbar und präziser sein als die auf den derzeitigen Vordrucken, die oft noch handschriftlich ausgefüllt werden.

Welche Formulare werden ersetzt?

Die Karte wird sämtliche Vordrucke ersetzen, die derzeit zur Inanspruchnahme von Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich sind, und zwar die Vordrucke

  • für kurze Aufenthalte, wie etwa Urlaubsreisen (E 111),
  • für die Entsendung von Arbeitnehmern in ein anderes Land (E 128),
  • für das internationale Verkehrswesen (E 110),
  • für Studium (E 128) und
  • für Arbeitssuche (E 119).

Wie sieht die Karte aus?

Die europäische Krankenversichertenkarte muss gemeinsame Merkmale aufweisen, damit man sie in allen Mitgliedstaaten erkennen und anwenden kann. Diese Merkmale betreffen im wesentlichen die Art der vorhandenen Angaben und ihre Aufmachung. Sie muss so ausgestaltet sein, dass die Karte für Benutzer unabhängig von deren Sprache lesbar ist. Zu diesem Zweck soll eine gemeinsame Musterkarte konzipiert werden, mit einem charakteristischen europäischen Zeichen, möglicherweise einem Logo, das die europäische Mobilität symbolisiert.

Welche Daten werden aufgenommen?

Es dürfen nur die Daten aufgenommen werden, die für die Gewährung der Sachleistungen und die Erstattung der betreffenden Kosten an den Träger des Aufenthaltsorts absolut notwendig sind. Hierzu zählen die folgenden Angaben:

  • Familien- und Vorname des Karteninhabers,
  • seine Kennnummer,
  • die Gültigkeitsdauer der Karte,
  • der ISO-Code des Versicherungsstaates,
  • eine Kennnummer des zuständigen Trägers oder seine Bezeichnung,
  • eine fortlaufende Nummer zur Verringerung der Missbrauchsgefahr.

Der Zeitplan

Entsprechend dem Vorschlag der Kommission soll die europäische Krankenversichertenkarte in drei Phasen eingeführt werden:

  • Phase 1: Rechtliche und technische Vorbereitung (2002 – 2003) unter Anhörung der Mitgliedstaaten und der sonstigen Akteure.
  • Phase 2: Start am 1. Juni 2004. Zunächst wird die Karte nur den Vordruck E 111 ersetzen, später auch alle anderen Vordrucke. Die Mitgliedstaaten, die derzeit noch keine Karten verwenden, können die Einräumung längerer Fristen beantragen; der Zeitraum darf jedoch 18 Monate nicht überschreiten (d. h. letzter Termin 31. Dezember 2005).
  • Phase 3: Einführung intelligenter Chipkarten. Die unterschiedlichen nationalen Situationen und technischen Lösungen erlauben es derzeit noch nicht, von Vornherein zu dieser Phase überzugehen.

Die Einführung einer europäischen Krankenversichertenkarte ist ein ehrgeiziges Projekt.

Wie einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 21. Februar 2003 zu entnehmen ist, misst die für den Gesundheits- und Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou ihr als "ein weiteres greifbares Stück Europa" auch eine starke symbolische Bedeutung bei.

Quelle:

Mitteilung der Kommission zur Einführung der europäischen Krankenversichertenkarte. KOM(2003) 73 endgültig vom 17. 02. 2003 http://europa.eu.int/comm/employment_social/news/2003/feb/hicard_en.html

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