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Komitee Forschung Naturmedizin: Wie lange noch wird es Phytos auf Rezept geben?

Wie täglich zu beobachten ist, führt die Finanzknappheit der gesetzlichen Krankenkassen im Praxisalltag zu immer deutlicheren Einschränkungen bei der Versorgung der Patienten, nicht nur bei den Medikamenten, sondern auch in anderen Versorgungsbereichen. Trotzdem: Die Kosten für Arzneimittel steigen weiter. Wieder einmal nahm sich das Komitee Forschung Naturmedizin (KFN) in seiner Pressekonferenz am 19. Februar 2003 in München aktueller Widersprüchlichkeiten in unserem Gesundheitssystem an.

Prof. Dr. med. M. Habs, Vorsitzender des KFN-Kuratoriums, stellte Hochrechnungen vor, die aufmerken ließen: Im Jahr 1980 erhielt jedes GKV-Mitglied durchschnittlich 23 Verordnungen, 1990 dann 19 und im Jahr 2000 nur noch 17 Verordnungen, also 6 Verordnungen weniger als vor 20 Jahren.

Trotzdem steigen die Arzneimittelkosten für die GKV ständig weiter: 1980 gaben die Kassen pro Mitglied 181 Euro für Medikamente aus, im letzten Jahr waren es 420 Euro, auch wenn bekanntermaßen der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtkosten der GKV seit Jahren rückläufig ist.

Fazit: Immer weniger Patienten bekommen Arzneimittel, und die sind immer teurer.

Immer weniger Arzneimittel für immer mehr Geld

Für Phytopharmaka fällt der Rückgang noch drastischer aus. Die Menge der verordneten Phytopharmaka hat sich in den Jahren seit 1998 um ein Drittel verringert, die Menge der erstatteten Phytopharmaka ist sogar noch stärker rückläufig (der Anteil von kassenärztlich verordneten Johanniskraut- oder Crataegus-Präparaten fiel von 65 auf 56% resp. von 44 auf 31%). Setzt sich dieser Trend ungebrochen fort, ist zu erwarten, dass ab 2015 oder 2020 keine Phytos mehr von den Krankenkassen erstattet werden.

Mit Einsparungen bei den Medikamenten versucht man krampfhaft, der allgemeinen Geldknappheit Paroli zu bieten. Ob mit derartiger Problemlösung die Rechte der Patienten gewahrt werden, wie sie (noch) im Sozialgesetzbuch V stehen (u. a. haben Versicherte einen gleichberechtigten Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, "unabhängig von der Art und Schwere ihrer Erkrankung"), ist fraglich.

Zudem und trotz aller Gleichheitsgebote scheint die Rationalisierungswelle, so die Meinung und Beobachtung von Habs, nach den Arzneimitteln nun auch die Indikationen zu erreichen. Einzelne Krankheiten stehen im Hinblick auf ihre Versorgungsmöglichkeiten in einem sich verschärfenden Wettbewerb zueinander.

Nach einer Verschreibungsstatistik wurden kürzlich vom IMS Health (Institut für Medizinische Statistik) die häufigsten Diagnosen ermittelt. Dazu zählen z. B. Hypertonie, KHK, Diabetes, Schlafstörungen, Dermatitis, Gastritis und Depressionen. Weit unten in der Verschreibungsstatistik stehen dagegen Schmerzen des Bewegungsapparates, Erkältungskrankheiten oder diverse funktionelle Störungen, obwohl Patienten mit diesen Leiden häufig in die Praxis des Hausarztes kommen und von ihm oft viel umfassender beraten werden.

Wettbewerb der Krankheiten nimmt zu

Einige wenige Krankheiten, so zumindest hat man den Eindruck, werden heute bereits bundesweit "bevorzugt". Ihnen gilt die ganze Aufmerksamkeit der GKV, sodass sie mit entsprechenden Mitteln behandelt werden können. Auch die Disease Management Programme fördern in gewisser Weise diese Entwicklung.

Patienten, die an einer Krankheit leiden, für die eine evidenzbasierte, qualitätsgesicherte und aus Sicht der Krankenkassen ökonomisch sinnvolle Therapie existiert, haben Versorgungsengpässe kaum zu befürchten. Aber wehe demjenigen, der "nur" von einem banalen, "nicht anerkannten" (aber nicht weniger schmerzhaften) Leiden geplagt ist!

Ein "Wettbewerb der Krankheiten" wird heute zunehmend Realität, so die Meinung der Diskutanten. Die Konsequenz daraus ist, dass für die breite Bevölkerung immer weniger Ressourcen verfügbar sind und gleichzeitig relativ wenige Patienten immer aufwendiger und teurer behandelt werden. Die Verschreibungen als Barometer dieser Entwicklung lassen diesen Trend deutlich erkennen.

Phytos nach wie vor stark gefragt

Für pflanzliche Arzneimittel ist die Konsequenz klar: Schleichend werden sie aus der Kassenleistung herausgedrängt, der Arzt empfiehlt sie nur noch, und dem Patienten bleibt der Kauf auf eigene Kosten.

Dies ist alarmierend und zugleich grotesk, wenn man an die hohe Akzeptanz und Zufriedenheit der Versicherten bei pflanzlichen Behandlungsalternativen denkt. Denn ein Großteil der Bevölkerung (mehr als 90%) fordert nach wie vor die Erstattung auch pflanzlicher Medikamente und erwartet eine gleichwertige Behandlung pflanzlicher und chemisch-synthetischer Arzneimittel als Kassenleistung. Das ergeben Umfragen der letzten Jahre in ziemlich gleichbleibender Weise (s. auch DAZ Nr. 49, 2002, S. 86). Aber wer richtet sich schon danach?

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