Recht

U. Grau, G. NitzDas Beitragssatzsicherungsgesetz &nd

Im Eiltempo hat der Gesetzgeber zu Beginn der neuen Legislaturperiode das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) durch das Gesetzgebungsverfahren geführt. Den erst im November in den Bundestag eingebrachten Gesetzesentwurf verabschiedete der Bundestag Ų mit Änderungen und gegen den Willen des Bundesrates Ų am 20.12.2002. Das am 30.12.2002 verkündete Gesetz¹ ist am 1.1.2003 in Kraft getreten.

Schon während des Gesetzgebungsverfahrens wurden in Rechtsgutachten rechtliche Bedenken, sowohl in formeller als auch in materieller Sicht, gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorgebracht². Insbesondere rügten die Gutachter die Missachtung der Zustimmungspflicht des Bundesrates zu dem Gesetz. Diesen Bedenken trug der Gesetzgeber jedoch nicht Rechnung. Vielmehr hielt er daran fest, dass das Gesetz auch ohne Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten könne.

Zahlreiche Apotheker, Großhändler und Zahntechniker reichten unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen beim Bundesverfassungsgericht ein, um eine sofortige Geltung der Regelungen des BSSichG zu unterbinden. Diese Anträge hat das Bundesverfassungsgericht schon abschlägig beschieden³.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden der Apotheker steht allerdings ebenso noch aus wie die über den Normenkontrollantrag des Landes Baden-Württemberg, mit dem die fehlende Zustimmung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren gerügt wird.

Gleichwohl müssen Apotheker, pharmazeutischer Großhandel und pharmazeutische Unternehmen ihr Verhalten, zumindest bis zu einer anderweitigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, an den Bestimmungen des BSSichG ausrichten. Der Aufsatz will deshalb diesem Adressatenkreis des Gesetzes eine Unterstützung bei der Auslegung einiger Zweifelsfragen des BSSichG an die Hand geben.

Konzeption des Gesetzes

Das BSSichG sieht zunächst in Artikel 1 Nr. 7, mit dem § 130 Abs. 1 SGB V4 geändert wird, einen Abschlag der Apotheker auf den für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis bei Arzneimitteln für die gesetzlichen Krankenkassen vor. Dieser Abschlag ist – abhängig von der Höhe des Arzneimittelabgabepreises – gestaffelt5.

Mit Artikel 1 Nr. 8 BSSichG wird des Weiteren ein neuer § 130 a in das SGB V eingefügt, der Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen regelt. Anknüpfungspunkt für diese "Herstellerrabatte" ist der Herstellerabgabepreis. Der Herstellerrabatt beträgt nach § 130 a Abs. 1 SGB V 6% des Herstellerabgabepreises.

Mit Art. 11 BSSichG wird schließlich ein eigenes Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler geschaffen. Gemäß § 1 dieses Gesetzes gewähren die pharmazeutischen Großhändler den Apotheken für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel einen Abschlag von 3% auf den Arzneimittelabgabepreis. Den gleichen Abschlag haben nach § 2 des Gesetzes die pharmazeutischen Unternehmen für Arzneimittel zu gewähren, die die Apotheker direkt bei den pharmazeutischen Unternehmen bezogen haben. Eine Weiterleitung dieser Abschläge soll nach Art. 11 § 3 BSSichG von den Apotheken an die Krankenkassen erfolgen.

Das Gesetz erfasst damit alle Stufen des Handels mit Arzneimitteln. Abschläge treffen pharmazeutische Unternehmen, Großhändler und die Apotheken. Allein die Apotheken waren schon bisher nach § 130 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 5 AABG&sup6; verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen in den Jahren 2002 und 2003 einen Rabatt von 6% auf den für den Versicherten maßgeblichen Apothekenabgabepreis zu gewähren. Einen einmaligen "Solidarbeitrag" hatte der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller allerdings schon im Jahre 2001 geleistet. Die Verteilung dieses Solidarbeitrages erfolgte nach Art. 2 des AABG (Tab. 1).

Die Regelungen im Einzelnen

Apothekenrabatt Die Verpflichtung der Apotheken, den gesetzlichen Krankenkassen einen Rabatt einzuräumen, ist nicht neu. Eine solche Verpflichtung fand sich zunächst in § 376 RVO und dann ab dem 1.1.1989 in der Nachfolgeregelung des § 130 SGB V. Der Bundesgerichtshof hatte in den Siebzigerjahren rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit von Rabattregelungen im Sinne des § 376 RVO zu Lasten der Apotheken verworfen.

Die den Apotheken auferlegte Pflicht, den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung einen Abschlag von in der Regel 7% auf die Preise der Arzneitaxe zu gewähren, verstoße, so der Bundesgerichtshof, nicht gegen das Grundgesetz.7 Eine gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen, weil den Apotheken bei der Arzneimittelversorgung der Versicherten eine besondere Stellung eingeräumt sei, die sich für sie wirtschaftlich günstig auswirke; daraus ergebe sich, dass sie auch besondere sozialrechtliche Pflichten zu übernehmen haben. 8

Die Möglichkeit des Gesetzgebers, Apotheken zur Rabattleistung zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen zu verpflichten, dürfte deshalb gegeben sein. Ob die Höhe der durch das BSSichG eingeführten Rabatte allerdings zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 12 des Grundgesetzes führen muss, ist Gegenstand der anhängigen Verfassungsbeschwerden und soll hier nicht näher beleuchtet werden.9

Mit der Neuregelung des BSSichG wird in erheblichem Umfang der von den Apothekern zu leistende Rabatt erhöht, der vom Gesetzgeber als "Abschlag" bezeichnet wird. Im Übrigen greift das Gesetz die schon bisher bestehende Verpflichtung der Apotheker zur Rabattgewährung auf. Bei der Abwicklung der Abschläge des Apothekers können die Apotheker deshalb auf bekannte Instrumente zurückgreifen.

Die Regelung erfasst sämtliche zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen in der Apotheke abgegebenen Arzneimittel. Der Rabatt gilt insbesondere für

  • apothekenpflichtige Fertigarzneimittel,
  • apothekenpflichtige, in der Apotheke hergestellte Arzneimittel,
  • Arzneimittel, die gemäß § 43 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes durch ärztliche Verschreibung apothekenpflichtig werden,
  • Arzneimittel, für die nach § 47 des Arzneimittelgesetzes ein besonderer Vertriebsweg eröffnet ist,
  • im Einzelimport gemäß § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes eingeführte Fertigarzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind.

Die Pflicht zur Rabattgewährung gilt nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg auch unabhängig davon, ob eine Zuzahlungsverpflichtung nach § 31 Abs. 3 SGB V besteht oder nach § 35 SGB V ein Festbetrag festgesetzt ist. Selbst bei sog. "Nullrezepten", also in den Fällen, in denen die Zuzahlung des Patienten höher ist als der Apothekenabgabepreis, sind danach die Rezepte mit 6% zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen zu rabattieren, obwohl die Krankenkasse durch das Rezept finanziell überhaupt nicht belastet wird10.

Kein Rabatt ist zu gewähren, wenn das Arzneimittel von der Apotheke nicht unmittelbar an den Versicherten oder die in § 47 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen abgegeben wird. Dies ist etwa der Fall, wenn eine öffentliche Apotheke ein Arzneimittel an ein Krankenhaus zur dortigen Abgabe an den Versicherten liefert. In diesem Fall findet die Arzneimittelpreisverordnung keine Anwendung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AMpreisV11), und auch ein Apothekenrabatt ist nicht zu gewähren.

Gleiches dürfte für die Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke an ermächtigte Ambulanzen des Krankenhauses nach § 14 Abs. 4 S. 3 des Apothekengesetzes12 gelten. Hier spricht einiges dafür, dass es keinen für den Versicherten "maßgeblichen" Apothekenabgabepreis im Sinne des § 130 Abs. 1 SGB V n. F. gibt. Die Krankenhausapotheke unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 AMpreisV nicht der von dieser Verordnung vorgegebenen Preisbildung, auch wenn sie Arzneimittel an die Ambulanzen des Krankenhauses abgibt. Vielmehr kann sie den Preis autonom festlegen. Nachdem die Verhandlungen über eine bundesweite Empfehlung erfolglos geblieben sind, werden die Krankenhäuser mit den Krankenkassen Vereinbarungen über die Abrechnung auf örtlicher Ebene treffen.

Anknüpfungspunkt für den Rabatt ist der für den Versicherten maßgebliche Apothekenabgabepreis, mithin der "Endkundenpreis" einschließlich Mehrwertsteuer. Berechnet wird der Apothekenabgabepreises nach der AMpreisV bzw. nach den gemäß §§ 4 Abs. 3, 5 Abs. 4 und 5 AMpreisV getroffenen Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden der Apotheker und der Krankenkassen13. Abweichend hiervon berechnet sich der Rabatt bei einem Festbetrags-Arzneimittel aber nach dem weiterhin geltenden § 130 Abs. 2 SGB V auf der Grundlage des Festbetrages. Ist der Apothekenabgabepreis allerdings niedriger als der Festbetrag, gilt wiederum der Apothekenabgabepreis als Anknüpfungspunkt für den Rabatt.

Keine Änderung hat § 130 Abs. 3 SGB V erfahren, der Zahlungsfrist und Abwicklung der Rabattgewährung durch die Apotheken betrifft. Nach § 130 Abs. 3 S. 1 SGB V setzt die Gewährung des Abschlags voraus, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von 10 Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen wird. Hintergrund dieser Regelung ist die Überlegung, dass Rabattierungen allgemein als Ausgleich für die kurzfristige Begleichung fälliger Rechnungen üblich sind14. Näheres zur Abwicklung der Rabattgewährung ist nach § 130 Abs. 3 S. 2 SGB V im Rahmenvertrag zu regeln.

Die nachfolgend dargestellten Abschläge auf Großhandels- und Unternehmerebene, deren Abwicklung nach dem BSSichG ebenfalls über die Apotheken zu erfolgen hat, kompliziert die Situation jedoch und wirft zugleich Zweifelsfragen auf, von denen einige beantwortet werden sollen.

Herstellerrabatt Wie schon oben dargestellt, erhalten die Krankenkassen von den Apotheken für ab dem 1.1.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel nach § 130 a Abs. 1 S. 1 SGB V n. F. einen Abschlag in Höhe von 6% des Herstellerabgabepreises. Nach S. 2 müssen pharmazeutische Unternehmen diesen Abschlag den Apotheken erstatten (Herstellerrabatt). Der Abschlag nach § 130 a Abs. 1 S.1 SGB V n. F. ist zusätzlich zu dem Apothekenrabatt nach § 130 Abs. 1 SGB V an die Krankenkassen zu leisten.

Eine für die Praxis sehr wichtige Ausnahme vom Erfordernis der Gewährung eines Herstellerrabattes regelt § 130 a Abs. 3 SGB V. Die Verpflichtung zur Zahlung des Herstellerrabatts findet danach keine Anwendung auf Arzneimittel, für die ein Festbetrag festgesetzt ist oder wird und für Arzneimittel, für die bestimmte, näher bezeichnete Regelungen durch die im Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz eingeführte sog. Aut-idem-Regelung gelten. Letzteres umfasst zwei Fallgruppen.

(1) Zunächst ist kein Herstellerrabatt zu gewähren für Arzneimittel, für die im Rahmen der Umsetzung der Aut-idem-Regelung zur Bestimmung der "preisgünstigen" Arzneimittel bereits die obere Preislinie des unteren Preisdrittels errechnet und von den Spitzenverbänden der Krankenkassen bekannt gemacht wurde.

Auch wenn dies gegenwärtig erst für einen Teil der der Aut-idem-Regelung unterfallenden Arzneimittel der Fall ist, so ist wegen des aus Sicht des Gesetzgebers und der Krankenkassen erfolgversprechenden Instruments zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben damit zu rechnen, dass das untere Preisdrittel zügig für weitere nach Wirkstärke, Packungsgröße, Indikationsbereich und austauschbarer Darreichungsform gegliederte Arzneimittel bestimmt wird.

Für die Regelung des Herstellerrabattes bedeutet dies aber, dass sich sein Anwendungsbereich zunehmend reduziert. Die Regelung des § 130 a SGB V n. F. tendiert also dahin, leer zu laufen. Hierin liegt aber wohl kein Versehen des Gesetzgebers. Vielmehr zeigt sich, dass das Beitragssatzsicherungsgesetz nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich eine auf kurzfristige Einsparungen im Gesundheitswesen abzielende Regelung darstellt, der eine umfassende Gesundheitsreform folgen soll.

(2) In der sog. Aut-idem-Regelung des § 129 Abs. 1 S. 2 bis 5 SGB V ist darüber hinaus für den Fall, dass weniger als fünf Arzneimittel im unteren Preisdrittel zur Verfügung stehen – und deshalb ein unteres Preisdrittel nicht sinnvoll gebildet werden kann –, jedes der bis zu fünf preiswertesten Arzneimittel als preisgünstig anzusehen. Auch an diese Regelung knüpft § 130 a Abs. 3 Nr. 2 SGB V an.

Ein Herstellerrabatt ist nicht zu gewähren, wenn wegen dieser Regelung keine obere Preislinie des unteren Preisdrittels veröffentlicht wird. Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass sich die Aut-idem-Regelung allein auf wirkstoffgleiche Arzneimittel bezieht, nicht aber auf Arzneimittel mit vergleichbaren Wirkstoffen.

Gibt es zu einem Wirkstoff nicht mehr als fünf Arzneimittel, gelten diese durchweg als preisgünstig im Sinne der Aut-idem-Regelung und unterfallen nicht dem Herstellerrabatt nach § 130 SGB V. Diese Regelung ist insbesondere für – häufig hochpreisige – patentgeschützte Arzneimittel relevant, für die kein Festbetrag festgesetzt wird.

Eine weitere Konsequenz der Ausnahmeregelung in § 130 Abs. 3 Nr. 2 SGB V ist, dass für im Wege des § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes durch die Apotheken im Einzelfall importierte Arzneimittel, die über keine Zulassung in Deutschland verfügen, kein Herstellerrabatt anfällt. Fehlt diesen Arzneimitteln die arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland, kann für sie nämlich kein unteres Preisdrittel im Sinne der Aut-idem-Regelung gebildet werden.

Den 6%igen Abschlag vom Herstellerabgabepreis muss der Apotheker deshalb schon jetzt nur bei einem Teil der zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgegebenen Arzneimittel abführen. Mit jeder Bekanntgabe der oberen Preislinie des unteren Preisdrittels durch die Spitzenverbände der Krankenkassen für neue Arzneimittel verringert sich der Anwendungsbereich weiter.

Wie Apotheken und pharmazeutische Unternehmen in den verbleibenden Fällen den zu gewährenden Herstellerrabatt abrechnen, ist noch offen. § 130 a SGB V regelt ausführlich die mögliche Einbeziehung der Großhändler in die Abrechnung der Herstellerrabatte. Die Einzelheiten hierzu werden in einem Rahmenvertrag zwischen den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker und der pharmazeutischen Großhändler geregelt. Hierzu sind derzeit durchaus kontroverse Verhandlungen im Gange15.

Großhandelsrabatt Der Abschlag für den pharmazeutischen Großhandel ist in der Weise ausgestaltet, dass die pharmazeutischen Großhändler für nach den §§ 48 und 49 AMG verschreibungspflichtige und nach §§ 23 Abs. 1, 27, 31 SGB V verordnungsfähige Fertigarzneimittel den Apotheken einen Abschlag von 3% gewähren. Dieser Abschlag ist nach Art. 11 § 3 BSSichG von den Apotheken an die Krankenkassen weiterzuleiten.

Diese Regelung wirft zahlreiche Fragen auf. Schon jetzt ist umstritten, auf welchen Preis sich der Abschlag von 3% bezieht16. Das Gesetz spricht vom "Arzneimittelabgabepreis". Geht es dabei um den Abgabepreis des Großhändlers oder des Apothekers? Ist die Umsatzsteuer einzubeziehen? Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung steht auf dem Standpunkt, dass Grundlage für die Abschlagsbemessung der Apothekenabgabepreis ist17. Diese Auffassung dürfte dem allgemeinen Sprachgebrauch am ehesten entsprechen.

Indessen argumentieren die Großhändler, dass Art. 11 BSSichG im Gegensatz zu der den Apothekenrabatt festsetzenden Regelung in § 130 Abs. 1 SGB V nur von dem Arzneimittelabgabepreis, nicht hingegen von dem "für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis" spreche. Diesem Unterschied im Gesetzeswortlaut müsse eine Bedeutung zukommen und deshalb sei auf den Großhändlerabgabepreis abzustellen. Juristisch ist diese Position der Großhändler aber nicht überzeugend:

Zum einen erklärt sich die unterschiedliche Gesetzesformulierung auch auf der Grundlage der Auffassung des Bundesministeriums, weil es richtig darauf verweist, dass der von den Apotheken den Krankenkassen zunächst zu gewährende Großhändlerrabatt die Bemessungsgrenze für die Umsatzsteuer mindere, sodass Grundlage für die Abschlagsbemessung der Apothekenabgabepreis ohne Mehrwertsteuer sei18. Damit besteht bei der Abschlagsbemessung auf der Grundlage des Arzneimittelabgabepreises zwischen dem Apothekenrabatt und dem Großhändlerrabatt durchaus ein Unterschied. Während sich der Apothekenrabatt aus dem für die Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis einschließlich Mehrwertsteuer ergibt, bemisst sich der Großhändlerrabatt auf der Grundlage des Apothekenabgabepreises ohne Mehrwertsteuer.

Zum anderen folgt die Maßgeblichkeit des Apothekenabgabepreises aus § 2 des Art. 11 BSSichG. Nach dieser Regelung zahlen die pharmazeutischen Unternehmer den Großhändlerrabatt, wenn der Apotheker das Fertigarzneimittel unmittelbar von ihnen bezogen hat. In diesen Fällen will der Gesetzgeber denselben Betrag statt von dem Großhändler nun von den pharmazeutischen Unternehmen abschöpfen. Einen Großhändlerabgabepreis gibt es aber in dieser Konstellation nicht. Folglich kann der Arzneimittelabgabepreis nur auf den Apothekenabgabepreis Bezug nehmen.

Ob die Anknüpfung des Großhändlerrabattes an den Apothekenabgabepreis sinnvoll ist, bleibt fragwürdig. Sie kann gegenwärtig durchgeführt werden, weil die Apotheken auf der Grundlage der Arzneimittelpreisverordnung den Apothekenabgabepreis durch Aufschlag eines ihnen vorgegebenen Festzuschlags auf den Einkaufspreis errechnen. Da der Apotheker bei der Preisfestsetzung also keinen Spielraum hat, steht der Apothekenabgabepreis mit der Festsetzung des Apothekeneinkaufspreis durch den Großhändler ebenfalls fest und ist für ihn berechenbar.

Problematisch wird die Berechnung aber dann, wenn die Arzneimittelpreisverordnung abgeschafft oder dahingehend geändert werden sollte, dass der Apotheker den Arzneimittelabgabepreis mitgestalten kann. Zwar enthält § 78 Abs. 2 S. 2 des Arzneimittelgesetzes für die Arzneimittelpreisverordnung die Vorgabe, dass ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten ist.

Doch dies bedeutet nicht notwendig eine Regelung mittels Festzuschlag. Wählt der Verordnungsgeber aber zukünftig einen Weg, bei dem sich aus dem Großhändlerabgabepreis nicht automatisch auf einen bestimmten Apothekenabgabepreis schließen lässt, so wird es dem Großhändler unmöglich, bei seiner Preisgestaltung den Großhändlerrabatt zu berücksichtigen, weil er diesen nicht vorherbestimmen kann.

Ob es aber rechtlich zulässig ist, den von den Großhändlern den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden Rabatt von Faktoren abhängig zu machen, auf die der Großhändler keinen Einfluss hat, ist fraglich. Vermutlich hat der Gesetzgeber das Problem nicht gesehen oder aber zumindest darauf vertraut, dass eine Änderung der AMpreisV nicht so bald erfolgen wird. Auch an dieser Problematik zeigt sich erneut, dass das Beitragssatzsicherungsgesetz wohl lediglich eine Übergangsregelung darstellen soll, um Zeit für eine umfassende Reform des GKV-Systems zu gewinnen.

Vom pharmazeutischen Hersteller zu gewährender Großhandelsrabatt Weitere Probleme wirft die lapidare Formulierung in Art. 11 § 2 BSSichG auf, nach der die pharmazeutischen Unternehmen den Abschlag nach § 1 – also den Großhändlerrabatt – für Arzneimittel gewähren, die Apotheken unmittelbar von ihnen beziehen. Bei unbefangener Lektüre ist davon auszugehen, dass die pharmazeutischen Unternehmen den 3%igen Rabatt für sämtliche Arzneimittel gewähren müssen, die sie unmittelbar an Apotheken abgeben. Dies würde insbesondere auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Rezepturarzneimittel umfassen. Dafür spricht, dass Art. 11 § 1 BSSichG im Bezug auf den Großhändlerrabatt ausdrücklich die erfassten Arzneimittel näher bestimmt und nur der Verschreibungspflicht und dem Versorgungsanspruch der GKV unterfallende Fertigarzneimittel erfasst.

Indessen ist aus den Worten "den Abschlag nach § 1" in Art. 11 § 2 BSSichG zu schließen, dass die pharmazeutischen Unternehmen bei einer direkten Belieferung von Apotheken genau unter denselben Voraussetzungen einen Rabatt gewähren sollen wie die Großhändler. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes19 soll lediglich der durch Umgehung des Großhandels erzielte wirtschaftliche Vorteil genauso belastet werden wie bei einem Bezug über Großhändler. Werden dadurch Großhändler und direkt beliefernde pharmazeutische Unternehmer aber gleichgestellt, so muss auch der Rabatt dieselben Gruppen von Arzneimitteln erfassen.

Konsequenterweise ist der Großhändlerrabatt von dem die Apotheken direkt beliefernden pharmazeutischen Unternehmer immer dann nicht zu gewähren, wenn er das Arzneimittel ausschließlich direkt an Apotheken liefert. In diesen Fällen erfolgt keine Einschaltung des Großhandels, sodass unabhängig davon, ob es sich um ein verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel handelt oder nicht, kein Großhandelsrabatt zu gewähren ist. Diese Reduzierung des Anwendungsbereichs, die sich nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, wird offensichtlich auch vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit geteilt20.

Der Großhandelsrabatt in Höhe von 3% auf den Nettoapothekenabgabepreis ist damit im Ergebnis von den Apotheken den Krankenkassen zu gewähren, wenn es sich um ein Fertigarzneimittel handelt, das der Verschreibungspflicht und dem Versorgungsanspruch im GKV-Bereich unterfällt. Dies gilt unabhängig davon, ob das Arzneimittel über den Großhandel oder direkt vom pharmazeutischen Unternehmer bezogen wurde. In letzterem Fall ist der Rabatt aber dann nicht zu gewähren, wenn das pharmazeutische Unternehmen das Arzneimittel ausschließlich direkt an Apotheken vertreibt.

Zusammenfassung und Bewertung

Der vorstehende Beitrag konnte nur einige der wesentlichen Rechtsfragen thematisieren, die sich aus dem Beitragssatzsicherungsgesetz ergeben. Dennoch zeigt sich schon an dieser Darstellung, dass zahlreiche Anwendungsprobleme durch eine präzisere Wortwahl des Gesetzgebers hätten vermieden werden können, sodass die nun teilweise eintretende Rechtsunsicherheit der Eile des Gesetzgebungsverfahrens geschuldet ist.

Die Unsicherheiten betreffen insbesondere die von den pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern zu gewährenden Rabatte. Da die Apotheker nach dem Willen des Gesetzgebers sämtliche Rabatte gegenüber den Krankenkassen abwickeln müssen, sind sie von diesen Unsicherheiten unmittelbar betroffen. Eine Überwälzung des Großhandelsrabattes auf die Apotheken dürfte jedoch mit dem BSSichG nicht in Einklang zu bringen sein.

Aus Sicht der Apotheken bleibt weiterhin zu kritisieren, dass der Gesetzgeber zwar an bekannten Instrumenten festgehalten, die Preisgestaltung aber einseitig auf pauschale Rabattierungsmodelle reduziert hat. An einer Neustrukturierung der Arzneimittelpreisverordnung, die heute schon in Einzelbereichen – wie etwa bei den parenteralen Lösungen – Sonderregelungen de facto ersetzen, fehlt es nach wie vor.

Die von der Apothekerschaft gemachten Vorschläge zu einer Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung wurden bisher nicht aufgegriffen. Der Gesetzgeber hat jedoch die Chance, die jetzt gewählte "Pauschalrabattierung" durch differenziertere Bestimmungen in der Arzneimittelpreisverordnung bei der nächsten Gesundheitsreform zu ersetzen und die Interessen der Apotheker damit angemessen zu berücksichtigen.

Fußnoten

1 BGBl. I S. 4637 ff., abgedruckt in der DAZ 2003, S. 131 ff. 2 Vgl. etwa die Kurzfassung des Gutachtens von Friauf vom 11. 12. 2001 zur verfassungsrechtlichen Problematik einer Heranziehung von Unternehmen der pharmazeutischen Industrie zur Mitfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, bestellbar über den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. 3 Beschlüsse vom 14. und 15. 1. 2003, Az. 1 BvQ 51/02; 1 BvQ 53/02 und 1 BvQ 54/02, abrufbar über die www.Deutscher-Apotheker-Verlag.de/DAZonline, Rubrik: Recht. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch vom 20.12.1988, BGBl. I S. 2477, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.06.2002, BGBl. I S. 1946. 5 Die Abschläge betragen bei einem Arzneimittelabgabepreis von bis zu 52,46 Euro 6%, von 54,81 bis 820,22 Euro 10% und ab 820,22 Euro 82,02 plus 6% des ifferenzbetrages zwischen 820,22 s und dem für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis. In einem Korridor des Arzneimittelabgabepreises von 52,47 bis 54,80 Euro beträgt der mit den Krankenkassen abzurechnende Betrag Euro 49,32. 6 Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz vom 15.2.2002, BGBl. I S. 684 f. 7 Entscheidung vom 5.6.1970, abgedruckt in USK 13/1970 (7068). 8 Beschluss vom 1.4.1971, vgl. hierzu DOK 1971, S. 371. 9 Vgl. zu einer materiellen Verfassungswidrigkeit des Herstellerrabatts die Ausführungen im Kurzgutachten von Friauf, a. a. O. (Fn. 2), S. 10 ff. 10 SG Hamburg, Urteil vom 17.1.1997, Az. 21 KR 361/93. 11 Arzneimittelpreisverordnung vom 14.11.1980, BGBl. I S. 2147, geändert durch Verordnung vom 15.4.1998, BGBl. I S. 721. 12 Vgl. zu dieser Neuregelung: Grau, DAZ 2002, S. 4581, 4585 f. 13 Vgl. hierzu etwa die gemäß § 2 Abs. 2 des Vertrages über Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen geschlossene Vereinbarung, die die seit dem 01. 1. 2002 geltende Anlage 3 zur Hilfstaxe zur Abrechnung parenteraler Lösungen enthält. 14 Orlowski in Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V Gesetzliche Krankenversicherung GKV Kommentar, § 130 Rn. 5. 15 Vgl. etwa die Artikel in DAZ vom 12.12.2002, S. 6119 ff.; vom 23.1.2003, S. 309 f. 16 Darstellung der Diskussion in der DAZ vom 23.1.2003, S. 309 f. 17 BMGS, wiedergegeben in der DAZ vom 23.1.2003, S. 309. 18 BMGS, a. a. O. 19 BT-Drs. 15/28, S. 46. 20 Vgl. nochmals die Wiedergabe der Position des BMGS in der DAZ vom 23.1.2003, S. 309.

Das Beitragssatzsicherungsgesetz ist zwar auf fragwürdige Weise zustande gekommen, aber dennoch Realität. Alle Betroffenen – die Apotheker, der pharmazeutische Großhandel und die Industrie – müssen ihr Verhalten daran ausrichten. Die Auslegung mancher Bestimmung ist jedoch strittig. Zu diesen Punkten gibt dieser von zwei Juristen verfasste Beitrag Hilfestellung. 

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