DAZ aktuell

Substitutionskriterien: Isotretinoin: Patientenaufklärung ist ein wichtiger Qua

(tmb). Unter Aut-idem hat sich die Apothekerschaft etwas anderes vorgestellt als die jetzt gängige Praxis. Einerseits sind die Einschränkungen bei vielen unproblematischen Fällen zu beklagen, andererseits würde auch eine freiere Substitution bei einigen Spezialfällen neue Schwierigkeiten aufwerfen. So gehören Isotretinoin-Zubereitungen gegen Akne bisher nicht zu den austauschbaren Arzneimitteln, für die eine Preislinie festgelegt ist. Würde hier aber ein Austausch angestrebt, wären außer den klassischen pharmazeutischen Qualitätskriterien auch die Konzepte zur Aufklärung der Patienten zu berücksichtigen.

Schon lange wird vor den drohenden Gefahren gewarnt, die bei der Substitution von Retardarzneiformen und von Zubereitungen aus Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite entstehen können. Grundsätzliche Probleme drohen außerdem beim Austausch von externen Dermatika. Denn hier sind Hilfsstoffe mitunter sogar wichtiger als der Wirkstoff. Eine Substitution anhand des Wirkstoffes könnte damit am Therapieziel vorbeigehen. Die Gesellschaft für Dermopharmazie hat sich daher schon am 21. März 2002 in einer Stellungnahme gegen jede Substitution externer Dermatika ausgesprochen (siehe DAZ 2002, Nr. 13, S. 1633).

Umfassendes Aufklärungskonzept

Inzwischen zeichnet sich ein weiterer Spezialfall ab, der bei einer Ausweitung der Substitution zu Problemen führen könnte: Isotretinoin zur inneren Anwendung bei Akne. Bei dieser Therapie drohen zwei außergewöhnliche unerwünschte Wirkungen. Erstens ist Isotretinoin stark teratogen und darf daher von gebärfähigen Frauen nur im Zusammenhang mit einer sicheren Kontrazeption angewendet werden. Zweitens können unter der Behandlung Gemütsveränderungen und Depressionen auftreten.

Solche möglichen schweren Nebenwirkungen sind kein Einzelfall innerhalb des Arzneischatzes. Die Besonderheit liegt hier im Umgang mit diesen Effekten, insbesondere in der nötigen Aufklärung der Patienten und weiteren Sicherheitsmaßnahmen. Teilweise stellen die Hersteller den verordnenden Ärzten umfangreiches Informationsmaterial zur Patientenaufklärung zur Verfügung. Dazu gehört eine Einverständniserklärung, in der die Betroffenen die Aufklärung bestätigen bzw. sich zu einer wirksamen Kontrazeption verpflichten.

In diesem Zusammenhang weist beispielsweise die Firma Hermal auf das Therapiebegleitheft für ihr Präparat Aknenormin® hin. Dies enthält eine zweigeteilte Einverständniserklärung, einerseits zu den psychischen Effekten und andererseits speziell für Frauen eine Aufklärung zur teratogenen Wirkung. Doch bieten nicht alle Hersteller diesen Service an bzw. die Einverständniserklärungen sind nicht überall gleich formuliert. Zum Teil gibt es keine Hinweise auf die möglichen Gemütsveränderungen und Depressionen.

Außerdem unterscheiden sich die Handelspräparate hinsichtlich Anzahl und Gestaltung der Warnhinweise auf der Packung und den Blistern. Da die Gefahr besteht, dass auf privater Ebene einzelne Blister an nicht unterrichtete Patientinnen weitergereicht werden, ist auch dies ein wichtiger Teil des Sicherheitskonzepts.

Aufklärung und Kennzeichnung: Jedes Detail kann entscheidend sein

Ein solches Sicherheitskonzept kann – wahrscheinlich eher als die Galenik – für den Arzt der maßgebliche Grund zur Präparateauswahl sein. Ob zwei Produkte austauschbar sind, wäre demnach nicht nur anhand der pharmazeutischen Eigenschaften der Produkte, sondern auch ihrer "Software" – Aufklärung und Kennzeichnung – zu entscheiden.

Da in der Einverständniserklärung der Handelsname genannt ist, sollte konsequenterweise dieses Handelspräparat abgegeben werden. Aus juristischer Sicht könnte möglicherweise sogar eingewendet werden, eine Aufklärung bezüglich des einen Präparates würde für ein Produkt mit gleichem Wirkstoff, aber anderem Namen nicht gelten, weil der Patient diesen Zusammenhang missverstanden haben könnte.

Gemäß eines Kurzgutachtens einer Hamburger Anwaltskanzlei, erstellt im Auftrag eines betroffenen Pharmaunternehmens, unterscheiden sich Isotretinoin-Präparate hinsichtlich Aufklärung und Kennzeichnung so stark, dass eine Substitution unzulässig sei. Eine Preislinie ist für Isotretinoin bisher nicht festgelegt. Daher könne sich eine Substitution nicht auf § 129 SGB V stützen. Zusätzlich zu der grundsätzlichen Substitutionsproblematik wäre angesichts der möglichen besonders schwerwiegenden Nebenwirkungen von Isotretinoin für die Apotheken ein beachtliches Haftungsrisiko zu befürchten.

Die juristische Sichtweise könnte sich ändern, wenn für Isotretinoin eine Preislinie festgelegt wird. Die praktischen Probleme bei der Patientenaufklärung blieben aber bestehen. Die Patientenaufklärung dürfte damit als weiteres Kriterium im Sinne der DPhG-Leitlinie für eine gute Substitutionspraxis zu betrachten sein.

Quelle: Produktinformationen zu Aknenormin®, Firma Hermal, Reinbek

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.