Leserbrief: Klage gegen Kammer - Die Zeit ist abgelaufen

Als Apotheker mit Erfahrung aus 30 Jahren Selbstständigkeit und über 45 Jahren "Praxis" beginnend in der väterlichen Apotheke, habe ich die letzten 15 Jahre als Niedergang unserer pharmazeutischen Kernkompetenz erlebt. Der Fachmann für Fertigarzneimittel mit Staatsprüfung wurde nicht nur in den Augen der Medien zum "Schubladenzieher". Durch die Politik wurde er reduziert auf einen bloßen "Kostenfaktor", den es zu senken gilt. Die Schuld dieses Niedergangs gebe ich der berufspolitischen Führung und Vertretung. Dieser mit unvergleichlich üppigen finanziellen Mitteln ausgestattete Bundesverband aus 17 Kammern und 17 Vereinen kümmerte sich offensichtlich weniger um die Entwicklung und politisch-mediale Durchsetzung unserer Kernkompetenz als Fertigarzneimittelfachmann, sondern vermehrt um die Befriedigung wirtschaftlicher Partikularinteressen. Diese Entwicklung beschleunigte sich unter der "Ära" Friese vehement.

Einerseits wurde gegen die Stimmen von Visionären ein von vornherein sinnloser und verlustreicher Krieg gegen den Versandhandel geführt, dem sich alle selbstständigen Apotheker anzuschließen hatten. Er schenkte im Ergebnis dem holländischen Versender den gesamten Markt samt Werbemillionen. Gleichzeitig wurde in der gewillkürten Berufsöffentlichkeit das Kettenunwesen in der Person des Kollegen Stange mit Kleist'scher Dramatik medial und juristisch bekämpft - zu Unrecht sagte der BGH.

Andererseits formte die ABDA heimlich mit der Verwaltungsgesellschaft Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apotheker (VGDA) als Holding von rund 30 beteiligten Unternehmen eine einzigartige Wertschöpfungskette aus 21 500 Apotheken. Die VGDA hatte zum Nachteil aller Apotheker von Anfang an nur einen Zweck - die selbstständigen Apotheker zusätzlich vielfältig abzukassieren: Daten, Bücher, Zeitschriften, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Marketingservice, bis hin zu Autos aller Fabrikate auf der MGDA-Site.

Ein bilanziertes (!) Buchvermögen von 30 Millionen, d. h. ein geschätztes tatsächliches Vermögen in Verkehrswerten unter Berücksichtigung jahrzehntelang angehäufter stiller Reserven in Höhe von vielleicht 100 Millionen Euro alleine bei der ABDA (ohne vernetzte Unternehmen) zeigt, wie erfolgreich die ABDA-Geschäftsführung in dieser Beziehung ist. Wie sehr diese "Politik" auf die unteren Ebenen abfärbt, zeigen die Internetseiten mancher Landesverbände wie z. B. in Hessen. Dort findet man den Rahmenvertrag(!) mit einem Socken-Hersteller.

Nach den zwei Bruchlandungen mit dem Piloten Friese auf den Schlachtfeldern des BSSichG und des GMG sowie der beispiellosen Sozialisierung meiner kaufmännischen Großhandelsbeziehung mit dem Kombi-Modell, war für mich der Zeitpunkt für eine qualifizierte juristische Analyse der Ursachen und damit der ABDA gekommen. Ich kam mit der Hilfe eines auf Konzernrecht spezialisierten Juristen zu folgenden Ergebnissen:

1. Ich habe als Apotheker einen von der Verfassung garantierten Anspruch darauf, dass die Kammer, bei der ich Pflichtmitglied bin, nur Organisationen beitritt, die sich strikt an den gesetzlichen Handlungsrahmen hält, der auch für die Kammern selber gilt. Soweit die Kammer Mitglied in der ABDA ist, war dies von Anfang an nicht gegeben. Denn dort werden zum überwiegenden Teil die kaufmännischen Interessen des die selbstständigen Apotheker repräsentierenden DAV verfolgt. Deshalb ist die ABDA inzwischen auch zu einem Finanzkonzern verkommen, der in seiner Bilanz rund 30 Beteiligungen aufweist und alleine aus diesen Beteiligungen jährlich 9 Millionen Euro steuerfreie Beteiligungsgewinne erzielt. Im Steuerrecht profitiert die ABDA also vom sog. Schachtelprivileg, das für uns Apotheker nicht gilt. Es handelt sich somit um fast die gleiche Geldmenge, die Kammern und Verbände an die ABDA zahlen - 10 Millionen Euro pro Jahr. Der Handlungsschwerpunkt der ABDA lag also nicht auf der Entwicklung und politischen Durchsetzung unserer pharmazeutischen Kernkompetenz als Apotheker, sondern in der Entwicklung einer Wertschöpfungskette, die die Apotheker vielfältig und lückenlos abkassiert.

2. Die Kammer hat sich damit zumindest vorwerfbar fahrlässig an einer kriminellen Vereinigung beteiligt. Sie hat es offensichtlich hingenommen, dass jahrelang Pflichtbeiträge nicht für die berufspolitische Meinungsbildung und Fortentwicklung unserer Kernkompetenz, sondern für den Aufbau eines Finanzkonzerns und Befriedigung von Partikularinteressen ausgegeben wurden. Besonders schwerwiegend und möglicherweise strafrechtlich relevant ist es, dass der Verbleib der jährlich anfallenden immensen Gewinne aus Beteiligungen und die Abschreibung des ebenso immensen, bilanzierten Vermögens zur Bildung stiller Reserven widerspruchslos zum Nachteil der Kammermitglieder hingenommen wurde. Denn längst waren die jährlichen Gewinnausschüttungen an die ABDA größer als die dies ursprünglich ermöglichenden Beiträge der Kammern. § 12 Absatz 2 der ABDA Satzung verhindert ebenso klar wie vorsätzlich ein solches Zurückfließen an die Berechtigten.

3. Die Kammer toleriert seit Jahren, dass die Kammern zwar mit 65 % den Hauptanteil zum offiziellenABDA-Haushalt beisteuern, aber die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker politisch und faktisch sich so darstellt wie die so genannte Bundesapothekerkammer (BAK) innerhalb der ABDA: als Kostenstelle und Rechnungsadresse, ohne Büros, ohne Mitarbeiter, ein Vorstand, ein Stellvertreter, keine Rechte. Auf Austritt der Kammern aus der ABDA wird inzwischen geklagt in Bayern, in Baden-Württemberg, in Nordrhein, in Westfalen-Lippe, in Niedersachsen, in Thüringen. Ich ermutige jeden Apotheker, dem Beitragsbescheid seiner Kammer zu widersprechen soweit aus seinem Beitrag Teilbeträge an die ABDA/BAK fließen.

Für die ABDA ist die Zeit abgelaufen - wie viele derartige Gebilde zuvor, hat sie starrköpfig und zunehmend materiell orientiert ihren eigenen Verfall schon lange eingeleitet. Ich freue mich auf die Zeit "nach ABDA" mit einer lebendigen, kostengünstigen Bundesapothekerkammer und einem angesehenen Fertigarzneimittelfachmann, dem Apotheker.

Dietmar Frensemeyer, E-Mail dfa@stadt-apotheke.de

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