Kommentar

Der Vernichterpreis

Vermutlich wissen Sie es bereits: Am 24. Juni wurde in Berlin unter der Kategorie "Visionär" der Deutsche Gründerpreis an die niederländische Versandhandelsapotheke DocMorris vergeben. Die Jury setzte sich aus Vertretern des Stern, der Sparkassen, McKinsey & Company und dem ZDF zusammen. Die Schirmherrschaft über diesen Preis hat kein geringerer als Bundespräsident Rau übernommen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Diese Preisverleihung ist ein Skandal, der gleichermaßen ein trübes Licht auf den erlauchten Kreis der Jury wie auch auf den Vertreter des höchsten Staatsamtes wirft. Das einzige, was an dieser Preisverleihung korrekt ist, ist die Kategorie: Bis zur Sekunde der Preisverleihung nämlich wäre es unter negativen Vorzeichen eine Vision (laut Duden: Erscheinung, Traumbild, Zukunftsentwurf) gewesen, dass man in einem Rechtsstaat für eine gesetzeswidrige Handlung auch noch einen Preis verliehen bekommt.

Oder ist neuerdings das Versandhandelsverbot in Deutschland noch vor dem Spruch des Europäischen Gerichtshofes quasi kraft schlichter Ausblendung dieser von Medien und Politikvertretern ungeliebten Tatsache rechtens? Gilt es mittlerweile lediglich als Formalität, wenn der dezidierte Gesetzesbruch mit einem Preis geadelt und als Vorbild auf das Podest der öffentlichen Belobigung gestellt wird? Wenn dem so ist und in der Begründung u. a. zu lesen ist, dass DocMorris einen "traditionell hochpreisigen, stark regulierten Markt erfolgreich aufgebrochen hat", dann könnte man nachträglich auch Immobilienspekulant Dr. Jürgen Schneider mit einem Preis für innovatives Immobilien-Marketing auszeichnen, an Lichtenstein den Preis für die schönste Heimat für Briefkastenfirmen verleihen und Drogenhändlern einen Orden für die innovative Neugestaltung des Genussmittelmarktes übergeben.

Zur zweiten "unbedeutenden" Formalie: Der deutsche Gründerpreis geht in die Niederlande? Ja, eigentlich klar: Wenn der Gesetzesbruch belohnt wird, ist es nur folgerichtig, dass man auch Steuereinnahmen für Holland prämiert.

Schade, dass die Publikums-Medien nicht wahrnehmen wollen, dass der propagierte Wettbewerb zwischen dem holländischen Versender unter abenteuerlich verzerrten Bedingungen geführt wird, die Stichworte - niedrigerer Steuersatz, kein Kontrahierungszwang und somit keine Notwendigkeit der Mischkalkulation, kein Nacht- und Notdienst etc. - sollten den Juroren bekannt sein.

Claus Ritzi

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