Westfalen-Lippe: Große Bedenken wegen Kombimodell

Münster (im). Die Apothekerschaft sollte nicht vorschnell auf das Angebot der Regierung zur neuen Honorierung der apothekerlichen Leistung eingehen. Dass das angedachte Kombimodell sachlich erhebliche Nachteile beinhaltet - allein durch die Abhängigkeit von den abgegebenen Arzneimittel-Packungen - machten Dr. Horst-Lothar Müller und Dr. Rötger Freiherr von Dellingshausen vom Apothekerverband Westfalen-Lippe gegenüber der Apotheker Zeitung deutlich. Beide warfen den rotgrünen Politikern vor, die negativen Folgen der geplanten neuen Gesundheitsreform - bis hin zur Zerstörung selbstständiger heilberuflicher Existenzen zu Gunsten von "Kassenapothekern" - zu negieren und bei den großen Belastungen der Apotheker durch das Beitragssatzsicherungsgesetz "argumentationsresistent" zu sein.

Obwohl die Mehrheit in sämtlichen Gremien der Apothekerschaft dem Kombimodell unterdessen zugestimmt habe, und die Politik darüber informiert wurde, haben die Westfalen nach wie vor große Bedenken an dieser künftigen Vergütung der Apotheken, wie sie im Gespräch mit der AZ erläuterten. Dabei gehe es nicht um die Missachtung demokratischer Spielregeln oder um ein "Nachkarten", hoben Müller, der erster Vorsitzender des dortigen Apothekerverbands ist, und von Dellingshausen, Geschäftsführer des Verbands, mit Nachdruck hervor, man sehe die Risiken anders als die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, ABDA.

Dem ABDA-Kombimodell hatten demnach vor kurzem neben Westfalen-Lippe auch die Kollegen in Hamburg, Bremen und Hessen die Zustimmung verweigert. Es sieht einen preisunabhängigen Festzuschlag von 8,55 Euro (zur Abdeckung fixer Betriebskosten, soll jährlich dynamisiert werden) und einen preisabhängigen Zuschlag von drei Prozent beim Apothekeneinkaufspreis (für variable Betriebskosten) bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor. Davon abgezogen würde nach Vorstellung der ABDA ein Apothekenabschlag von einem Euro pro Packung für die gesetzlichen Kassen (GKV).

"Verbleib in Kaufmannsecke"

Nach Worten von Müller wird das Lösen der Pharmazeuten aus der Kaufmannsecke - was die Befürworter des ABDA-Modells erhofften - mit dem Vorhaben nicht gelingen. Es bleibe unverändert, dass Arzneimittel Waren besonderer Art seien und sich die Apotheker im Markt bewegen müssten. Dass Pharmazeuten auch Kaufleute sind, ist nach wie vor nichts Negatives, ergänzte von Dellingshausen. Patienten könne beim neuen Modell nicht vermittelt werden, dass zum Beispiel bei der Abgabe dreier preiswerter Präparate eine Honorierung von mehr als 25 Euro anfalle (dreimal 8,55 Euro). Müller kritisierte die Abhängigkeit des ABDA-Modells von der Anzahl der Packungen, die jährlich zu Lasten der GKV verordnet werden.

"Zahl abgegebener Packungen sinkt"

Die Berechnungen des Festzuschlags von 8,55 Euro basierten auf den 555 Millionen Arznei-Packungen, die 2002 zu Lasten der GKV verschrieben wurden. In Westfalen-Lippe geht man allerdings in Zukunft von einer sinkenden Zahl an Packungen (wie in den vergangenen Jahren) aus, sodass bei diesem Modell ein abnehmender Rohertrag vorprogrammiert wäre. Es werde zugleich der Struktureffekt zunehmen (Ärzte verordnen weniger, dann aber neue, hochpreisige Arzneimittel).

Darüber hinaus fiele die Honorierungsgebühr ersatzlos weg, wenn Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht herausgenommen würden und sich zu OTC-Präparaten wandelten. Eine weitere unkalkulierbare Gefahr seien mögliche Vereinbarungen etwa des Bundesausschusses Ärzte/ Krankenkassen zu "N4"-Jumbopackungen. Darüber hinaus drohe ein von der Politik festgelegtes "Staatsgehalt", da von der Politik als Köder ein vorzeitiges Inkrafttreten womöglich schon im Herbst auf dem Verordnungsweg angeboten worden sei. Müller warnte in diesem Zusammenhang vor der Aufgabe der bisherigen Zustimmungspflicht bei Veränderungen an der Preisverordnung durch den Bundesrat (§ 78 Arzneimittelgesetz).

Gang in den Keller

Auch der vorgesehenen Dynamisierung der Apothekenbetriebskosten kann der Verbands-Chef in Westfalen-Lippe nichts Gutes abgewinnen. Denn Kosteneinsparungen - etwa bei den Personalkosten - bewirkten niedrigere Betriebskosten, das führe zu einem niedrigeren Festzuschlag. Ein Kellertreppeneffekt sei hier absehbar. Ärgerlich sei zudem, dass eine spezielle Vergütung besonderer pharmazeutischer Leistungen beispielsweise bei der beratungsintensiven Diabetiker-Versorgung fehle. Dies sei nachteilig für die Apotheken, die hier mit Fort- und Weiterbildung immer nachgelegt hätten.

Die Repräsentanten in Westfalen-Lippe warnen vor der schnellen Einführung des Kombimodells. Die Regierung versuche die Pharmazeuten mit dem automatisch daran gekoppelten Ende des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) zu ködern, darauf sollte jedoch nicht eingegangen werden, die bisherigen Millionenverluste durch das BSSichG blieben, sie würden nicht kompensiert. Zudem habe die Politik das ursprüngliche ABDA-Modell bereits nach unten geschraubt, in dem sie einen Festzuschlag von rund 7,30 Euro vorschlug samt höherem Kassenrabatt bei zugleich eingeschränkter Dynamisierung, die sich nicht auf das Gesamte, sondern nur auf den Kassenrabatt beziehen soll. Unverhältnismäßig sei das, mahnen Müller und von Dellingshausen.

Risiko Lagerhaltung

Auch beim geplanten dreiprozentigen preisabhängigen Zuschlag zeigte sich Müller skeptisch, dies bedeute vor allem bei teuren Medikamenten ein großes Risiko bei der Lagerhaltung. Grundsätzlich wäre das Kombimodell ohnehin nur bei diesen drei Prämissen denkbar: Verbot des Versandhandels, generelle Preisbindung der Arzneimittel und Beibehaltung des Mehrbesitzverbots.

Exakt an diesen Stellen will die rotgrüne Bundesregierung jedoch die Axt ansetzen. Würden dazu noch Einzelverträge der Krankenkassen mit Apothekern draufgesattelt, wären die Pläne zur neuen Vergütung der Apotheken Makulatur, so der Vorsitzende des Apothekerverbands Westfalen-Lippe mit Nachdruck. Alle Maßnahmen müssten im Verbund gesehen werden, denn etwa die Einzelverträge der Kassen wären nicht mit einzelnen öffentlichen Apotheken denkbar, sondern nur mit den "Outlets einer Kette". Und Versandhandel wiederum sei nur mit der Freigabe der Preise vorstellbar, um die Versicherten mit Anreizen in diese Versorgungsform zu steuern.

Die Apotheker sollten bei diesen wichtigen Punkten nicht nachgeben, vertrat Müller, der diesen Appell auch an die Opposition richtete. Versand sei das trojanische Pferd für andere systemverändernde Maßnahmen. Sollte die Politik das bisherige Vertriebssystem zerstören, müssten sich die Apotheker darauf einstellen. Das würde zu "Hardselling-Methoden" führen, also zum Beispiel steigenden Preisen in Notzeiten, etwa Preisanhebungen beim Grippeimpfstoff in Grippezeiten. Müller warf den rotgrünen Gesundheitspolitikern insgesamt vor, argumentationsresistent zu sein, und sachliche Hinweise auf negative Folgen der Regierungsvorhaben ungerechtfertigterweise als Lobbygeschrei abzutun.

In Westfalen-Lippe gibt es 2 256 öffentliche Apotheken, über 90 Prozent sind im Apothekerverband organisiert.

Zitat

"Das ist wie beim Monopoly-Spiel. Gibst Du mir die Parkstraße, bekommst Du die drei Bahnhöfe." Dr. Horst-Lothar Müller, Westfalen-Lippe, zur laufenden Gesundheitsreform

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