Versandapotheke: Skandal - Deutscher Gründerpreis für DocMorris

(diz). Die deutschen Apothekerinnen und Apotheker sind empört: Ralf Däinghaus erhält für die Gründung der Internetapotheke DocMorris in den Niederlanden den Deutschen Gründerpreis.

Mittwoch, den 25. Juni 2003, Zweites Deutsches Fernsehen, 22.15-22.45 Uhr: Mit Ideen aus der Krise - Deutscher Gründerpreis 2003. Die Sendung befasst sich mit der Start-Up-Initiative von Stern, den Sparkassen, McKinsey & Company und dem ZDF, es ist die bundesweit größte Initiative zur Förderung des Unternehmertums in Deutschland. Mit dem Deutschen Gründerpreis werden einmal im Jahr Unternehmen und Persönlichkeiten aus der Gründer- und Wirtschaftsszene ausgezeichnet in verschiedenen Kategorien vom Konzept bis zum Lebenswerk.

"Ziel des Deutschen Gründerpreises ist es", so heißt es auf den Internetseiten des ZDF wörtlich, "einen Beitrag zur positiven Entwicklung des Gründerklimas in Deutschland zu leisten, überdurchschnittlichen unternehmerischen und wirtschaftlichen Einsatz anzuerkennen sowie unternehmerische Vorbilder in das öffentliche Bewusstsein zu rücken".

Bitte lesen Sie diesen Absatz noch einmal langsam durch und vergegenwärtigen Sie sich seinen Inhalt. Denn unter diesem Vorzeichen hat die Initiative das illegale Verschicken von Arzneimittelpäckchen von Holland nach Deutschland mit dem Deutschen Gründerpreis für ein "innovatives Unternehmen" ausgezeichnet: Die Auszeichnung in der Kategorie "Visionär" erhielt Ralf Däinghaus, Gründer der Internetapotheke DocMorris. "Weil starre Standesregeln und Gesetze eine Versandapotheke in Deutschland nicht zulassen, hat Ralf Däinghaus sein Unternehmen in den benachbarten Niederlanden angesiedelt und betreibt es von dort mit großem Erfolg und allen Klagen von Apothekerverbänden und Pharmaunternehmen zum Trotz"- so ist es auf der ZDF-Internet-Seite nachzulesen.

Ist den Initiatoren des Preises (s. o.), dem Schirmherrn (kein geringerer als unser Bundespräsident Johannes Rau) und den Förderern des Gründerpreises (u. a. Prof. Dr. Lothar Späth, Jenoptik; Hartmut Mehdorn, Deutsche Bahn AG; Harry Roels, RWE; Bernd Kudrun, Gruner & Jahr; Dr. Otto Wiesheu, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie) nicht bewusst, wer und was da ausgezeichnet wurde? Demnach gilt als auszeichnungswürdig und innovativ:

  • illegaler Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln bzw. Umgehen des Versandverbots für Arzneimittel,
  • Ausnutzen des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes in den Niederlanden und damit Austricksen des deutschen Fiskus,
  • Verzicht auf das Kassieren der in Deutschland vorgeschriebenen Arzneimittelzuzahlung.

    Heißt das also: wenn Sie "innovativ" sein wollen, verschicken Sie Arzneimittel quer durch die Republik, tricksen Sie das deutsche Finanzamt aus und verzichten Sie bei Ihren Patienten auf die Zuzahlung? Eine absurde Auszeichnung. Wir erwarten Stellungnahmen der beteiligten Organisationen, ob sie sich im Klaren darüber sind, wer und was ausgezeichnet wurde oder ob sie sich davon distanzieren. Fakt ist, dass DocMorris in Deutschland illegal arbeitet und bereits durch verschiedene deutsche Gesetze verurteilt wurde. Nach Aussage des DocMorris-Chefs persönlich (S. DAZ Nr. 17, S. 3, "Wer beliefert DocMorris?") ist es auch Fakt, dass deutsche Pharmagroßhändler und deutsche Apotheken die Internetapotheke beliefern. Bis heute konnte allerdings noch nicht geklärt werden, wer dahinter steckt. Versuche, in die Nähe der Arzneimittelanlieferung der Internetapotheke zu kommen, seien bisher an Bodyguards und Wachdiensten gescheitert, so hört man.

    Kurzkommentar: Mit anderen Augen

    Betrachten wir es von der anderen Seite: Versandhandel wird in Deutschland, nein, besser ausgedrückt: von bestimmten deutschen Medien als innovativ, modern und liberal angesehen. Der Patient soll die Freiheit haben, sein Arzneimittel dort zu bestellen, wo er es möchte. Obwohl ein Großteil der Bevölkerung dies gar nicht will. Das Moderne scheint für manche Gazetten und Sender darin zu bestehen, dass eine Website aufgerufen und dort die Bestellung per Internet aufgegeben werden kann.

    Das Reizvolle dabei für manche Medien: endlich können Sie den Apothekern wieder einmal "einen in den Tee tun", den Apothekern, die eh zu viel verdienen mit ihren Apothekerpreisen, die nur auf dem Golfplatz anzutreffen sind und sowieso für Schubladenziehen und nicht mehr Pillendrehen soviel absahnen. Beraten tun sie eh nicht, wie die toll gemachten Sendungen und Beiträge von "Report", "Stiftung Warentest" u. a. immer wieder zeigen. Endlich kann man mithelfen, bei den Apothekern alte Zöpfe abzuschneiden, altes Standerecht, das nur Pfründe sichert und dem Fortschritt im Wege steht. Also: Mit viel Presserummel unterstützt man daher die "innovative" kleine Internet-Apotheke DocMorris.

    Für mich liegt das einzig Innovative darin, dass dieses Unternehme es verstanden hat, bisher noch keinen Cent für Werbung ausgeben musste. Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk, Fernsehen und Krankenkassen haben DocMorris zu einer ungeahnten Popularität verholfen, von der die ABDA und wir alle nur träumen können. Wie gesagt: gratis, ohne einen einzigen Cent! Dem Unternehmen selbst, so wird kolportiert, geht es trotz Medienaufmerksamkeit nicht allzu gut, schwarze Zahlen sollen noch in weiter Ferne sein, der Geldgeber im Hintergrund macht Druck und will Erfolge sehen.

    Peter Ditzel

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