Kommentar

Zerpflückt

Sprunghaft, unausgegoren, hilflos, unseriös - so charakterisierte mein Kollege Klaus G. Brauer vor zwei Wochen an dieser Stelle, was uns Rotgrün zurzeit in der Arzneimittel- und Gesundheitspolitik auftischt. "... und verfassungswidrig" ist jetzt wohl zu ergänzen. Akribisch, klar und folgerichtig zerpflücken die beiden Juristen Heinz-Uwe Dettling und Christofer Lenz (die beide schon so manchen Strauß wider das Standesrecht gefochten haben und deshalb wahrlich nicht im Verdacht stehen, gutachterliches "Mietmaul" verkrusteter Apothekenstrukturen zu sein) auf über 200 Seiten den Regierungsentwurf des "Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems", kurz Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz genannt. Schon das Wortungetüm grenzt an politische Blasphemie.

Was ist an einer Zerschlagung des flächendeckenden Netzes einer orts- und zeitnahen Arzneimittelversorgung modern? Selbst bei Eintritt der "optimistischsten" Prognosen von Dettling und Lenz droht ein massenhaftes Sterben bestehender "Präsenz"-Apotheken, sollte der GMG-Entwurf Gesetz werden. Wettbewerbsgleichheit und "gleich lange Spieße" zwischen Präsenz- und Versandapotheken? Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Not kennt kein Gebot. Es lebe das neue Leitbild preisrechtlich privilegierter Versandapotheken(ketten)!

So zynisch es ist: Gerade weil Teile der herrschenden Gesundheitspolitik den Bogen Woche für Woche, Gesetzentwurf auf Gesetzentwurf immer weiter überspannen und die Axt an die Grundfeste der - höchstrichterlich definierten und grundrechtlich geschützten - ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung legen, besteht eine realistische Chance, den politischen Wahnsinn zu stoppen.

Noch ist es nicht zu spät. Eine wichtige Rolle kann dabei der - in Rekordzeit erstellten und publizierten - Analyse von Dettling und Lenz zukommen. Sie zeigt: Fragen des Arzneimittelvertriebs und der Arzneimittelversorgung sind (auch) Verfassungsfragen. Und die sind bekanntlich nicht beliebig zu beantworten.

Christian Rotta

P.S.: Wie man hört, beschäftigt sich die Stabstelle Recht der ABDA gerade intensiv mit diffizilen Abgrenzungsfragen bei der geplanten Erweiterung des Katalogs apothekenüblicher Waren. Das nenne ich Arbeitsteilung. Nur: Ob wir ein Nebensortiment noch lange brauchen?

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