Kommentar

... denn sie wissen, was sie tun?

Sprunghaft, unausgegoren, hilflos, unseriös, von Panik (oder gar Rachegelüsten?) getrieben, sich selbst und die durchaus positiven Elemente der eigenen Tradition verratend – auch der wohlwollendste Beobachter kann nur fassungslos zur Kenntnis nehmen, was Sozialdemokraten und Grüne derzeit anrichten. Mit dem Land, auch mit sich selbst, mit den eigenen Prinzipien. Lust auf Untergang – nur Schlusslicht zu sein, reicht wohl nicht mehr? Es darf spekuliert werden: Grüne, die seit ihrer Gründung für kleinzellige, dezentrale, wohnortnahe, menschlich dimensionierte Strukturen eingetreten waren – sie werden auf einmal zu Vorreitern, wenn es darum geht, wohnortnahen Apotheken den Garaus zu machen? Alle Macht den Konzernen, Ketten sollen her.

Auf Drängen des Grünen-Fraktionsgeschäftsführers Beck und – man höre und staune – auf Druck von Außenminister Fischer und Kanzler Schröder hat sich die Koalition verständigt, auch noch die zuerst verfochtene Begrenzung auf fünf Apotheken fallen zu lassen. Sozialdemokraten protegieren Versandapotheken als stünden sie auf der Gehaltsliste der Versender. Die Ministerin hat vielfach versprochen, sie werde für gleiche, faire Wettbewerbsbedingungen sorgen: gleich lange Spieße für Versender und "Präsenzapotheken".

Was sehen wir jetzt? Präsenzapotheken sollen natürlich weiter sofort oder in Ausnahmen innerhalb weniger Stunden mit jedem Arzneimittel die Versorgung sichern. Für Versandapotheken reicht es, wenn sie "innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung" (für die man auf dem Postweg noch einmal zwei Tage einkalkulieren darf) liefern, "sofern [der Versender] das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung hat". Dieser Persilschein für die Ablehnung wirtschaftlich unattraktiver Bestellungen und die Hinnahme des schlechteren Lieferservice wird noch ergänzt: Die Versandapotheke darf für das, was sie liefern will, attraktive Preise außerhalb der Arzneimittelpreisverordnung machen – als Rechtfertigungsgrund, dass Krankenkassen ihr Rezepte zuschanzen. Die Stoßrichtung ist klar: sie richtet sich gegen die störenden freien Berufe (insbesondere gegen Apotheker und Fachärzte). In Großbetrieben, bei Filialisten, in Konzernen und Gesundheitszentren mit angestellten Apothekern bzw. Ärzten hätten die Regierungsparteien über die Gewerkschaftsschiene zentralere Einflussmöglichkeiten.

Nur der Bundesrat mit seiner Mehrheit aus Unions- und FDP-regierten Ländern kann diesen Wahnsinn noch stoppen. Denn was eine starke Mehrheit in der Regierungskoalition uns auftischt, ist – fürchte ich – wohl durchdacht: sie wissen, was sie tun.

Klaus G. Brauer

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