Anhörung zur Positivliste: An Einsparungen glaubt kaum noch jemand

Berlin (ks). Auch mit der Positivliste beschäftigte sich am 21. Mai der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags. Drei Stunden lang wurden die Meinungen darüber ausgetauscht, ob die Liste geeignet sei, die Qualität der Arzneimittelversorgung zu verbessern und den gesetzlichen Krankenkassen zu Einsparungen zu verhelfen.

Vor allem die Krankenkassen und Prof. Ulrich Schwabe, unter dessen Vorsitz die Liste in der Kommission für die Arzneimittelverordnung erstellt wurde, verteidigten das umstrittene Vorhaben der Bundesregierung. Im wissenschaftlichen Institut der AOK glaubt man an eine "echte Verbesserung" der Arzneimittelversorgung, da die Kriterien für die Aufnahme auf die Positivliste noch über jene der Zulassung hinausgingen. Einer Negativliste sei die Positivliste in jedem Fall vorzuziehen, zumal erstere ein rein fiskalischer Eingriff wäre, während mit letzterer eine Qualitätsverbesserung zu erzielen sei. Schwabe äußerte, er habe keinen Zweifel, dass mit den auf der Liste vertretenen Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln eine ausreichende Therapie möglich sei.

Wolfgang Kaesbach vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen sieht in der Positivliste ein geeignetes Instrument, die "Arzneimittelvielfalt auf ein angemessenes Maß zu beschränken". Wenngleich sich der BKK-Bundesverband von der Liste als Sparmaßnahme nicht allzu viel verspricht, weist Kaesbach die Prognose der pharmazeutischen Industrie zurück, die Arzneimittelverordnung werde sich verteuern. Er glaubt nicht, dass viele nicht-gelistete Medikamente künftig durch teurere, gelistete Präparate substituiert werden. Vielmehr erhofft er sich, dass die "Placebo-Medizin" ein Ende nehmen werde. Es könne nicht sein, dass jeder Arztbesuch mit einer Verordnung ende, "so krank kann die Gesellschaft nicht sein", so Kaesbach.

Die Vertreter der Pharmaverbände, der Apotheker und der Fachgesellschaften sparten hingegen nicht mit Kritik am Gesetzesvorhaben. Die von der Regierung erwarteten Einsparungen von 800 Mio. Euro seien "aus der Luft gegriffen", meinte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller verwies auf eine Studie des Instituts für medizinische Statistik (IMS Health), wonach 60 Prozent der Verordnungen ersatzlos wegfallen müssten, wenn das Einsparvolumen tatsächlich erreicht werden sollte. Die forschenden Arzneimittelhersteller sehen durch die Liste vor allem innovative Arzneimittel gefährdet. Sie sollen künftig bei Markteinführung zunächst für neun Monate auf der Liste stehen – ob bis dahin eine Entscheidung über die endgültige Aufnahme getroffen werde, scheint den Herstellern fragwürdig. Hinzu komme das neu eingeführte Aufnahmekriterium der Endpunktstudien. Naturgemäß könnten für neu zugelassene Wirkstoffe noch keine solchen Studien vorliegen.

Der Präsident der Bundesapothekerkammer Johannes M. Metzger erklärte am Rande der Ausschuss-Anhörungen: "Die weitere Verbesserung der Qualität der Arzneimittelversorgung hängt maßgeblich von der Verordnungs- und Anwendungsqualität ab. Listen helfen hier nicht weiter". Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kündigte unterdessen Widerstand gegen das Positivlistengesetz an. Die Regierung will das Gesetz zustimmungsfrei in Kraft treten lassen. Erst für die per Rechtsverordnung vorzunehmenden Ergänzungen soll die Zustimmung des Bundesrats nötig werden. In der Bundesratssitzung vom 23. Mai (nach Redaktionsschluss) wollte sich Koch zum Thema äußern. (Lesen Sie einen weiteren Bericht hierzu in der kommenden DAZ-Ausgabe.)

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