Berichte

Leonhart Fuchs, ein Reformator der Arzneimitteltherapie

Bei der Münchner DPhG-Regionalgruppe wurde zum Ausklang des Leonhart Fuchs-Gedenkjahres noch einmal dieses großen Renaissance-Forschers gedacht. Prof. Dr. Christa Habrich, Direktorin des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt, beleuchtete in einem Vortrag am 6. Februar den Mediziner und Botaniker Leonhart Fuchs (1501 Ų 1566) als einen Reformator der Arzneimitteltherapie.

"Fuchs kämpfte wie ein Löwe für die Reformation der Arzneimitteltherapie", so eröffnete Habrich ihren Vortrag über das Lebenswerk von Fuchs. Das Klima seiner Zeit hat den in Wemding/Ries Geborenen geprägt: In Italien blühte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die Renaissance. Die Wiederentdeckung der Antike setzte gleichzeitig eine gewaltige, europaweite Reformbegeisterung frei, die nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Medizin, der Jurisprudenz und im gesamten Universitätswesen zu spüren und nicht mehr aufzuhalten war.

Neohippokratismus statt Arabismus

Früh hatte Fuchs sich für die Medizin entschieden. Nachdem er wenige Jahre als markgräflicher Leibarzt in Ansbach gewirkt hatte, wurde er zum Universitätsprofessor berufen, zuerst ins katholisch geprägte Ingolstadt, bald darauf an die protestantische Universität Tübingen, wo er sich wohler fühlte, weil er sich selbst zur lutherischen Reformation bekannte.

Als Medizinprofessor musste er alle an der Universität gelehrten Teilgebiete der Medizin beherrschen: Anatomie und Chirurgie, Arzneimittellehre, Heilpflanzenkunde und Botanik, auch Medizintheorie. Sein großes Anliegen war – der Zeit entsprechend – die Rückkehr und die Besinnung auf die antiken Wurzeln. Eine Rekonstituierung der antiken Medizin und die Wiederbelebung der Lehren des Hippokrates und Galen waren aber nicht möglich ohne ein Ausmerzen der überfeinerten, in Fuchs' Augen verkomplizierten "arabistischen" Heilkunst. So wurde er zu einem großen Kämpfer für das Einfache und Pure, ein Verfechter der reinen, dem Humanismus verpflichteten Lehre, und er wurde nicht müde, seine Theorien (z. B. den "Neohippokratismus" mit seiner klassischen Vier-Säfte-Lehre) in ausführlichen Streitschriften und vielen Büchern zu vertreten (wie etwa "Errata recentiorum medicorum", die "Irrtümer der gegenwärtigen Ärzte").

Klassiker der Botanik

Seine Bücher fanden weite Verbreitung. Er übertrug auch griechische Lehrtexte, Arznei- und Rezeptbücher. Berühmt und bis heute bekannt aber wurde er vor allem durch sein 1543 gedrucktes "New Kreüterbuch", die von ihm selbst ins deutsche übertragene und für die Allgemeinheit aufbereitete Fassung des ein Jahr vorher erschienenen lateinischen botanischen Lehrwerks "De historia stirpium".

In vieler Hinsicht war dieses Werk für seine Zeit einmalig, betonte Habrich: Nicht nur, dass darin – zeitgemäß – viele bis dahin unbekannte Pflanzen aus der neuen (und alten) Welt erstmals abgebildet wurden (Kürbisse, Mais, Paprika, Digitalis u. a.). Typisch für die Renaissance war auch die enge Symbiose von Wissenschaft und Kunst. Fuchs beschäftigte für dieses Werk namhafte Maler und Holzstecher seiner Zeit, die selbst in Porträtabbildungen und später sogar durch Signaturen in Erscheinung traten und den künstlerischen Wert der naturgetreuen Abbildungen begründeten.

Vor allem aber ist seine wissenschaftliche Akribie bemerkenswert, mit der er die Abbildungen überwachte, und das ganze Buch anlegte. Damals war ja noch keine verbindliche Pflanzensystematik bekannt. Fuchs erfand sein eigenes botanisches System, wieder stark an griechische Vorbilder angelehnt.

Er bemühte sich auch, Ordnung in das undurchdringliche Dickicht der überlieferten Pflanzennamen und Synonyme zu bringen. Zur genauen Beschreibung der Pflanzen erfand er eine eigene Terminologie, genau kommentiert in einem separaten Glossaranhang; er erläuterte von jeder Pflanze Qualität, Tugenden, "Krafft und Würckung", brachte eigene Erfahrungen ein und fand im Schreibstil eine Nähe zum Leser. Vieles war neu für seine Zeit, Fuchs wollte bewusst über den überlieferten dioskuridischen Kanon hinausgehen und das Spektrum der angewendeten Heilpflanzen erweitern.

Exkursionen in die Natur

Früh schon hatte Fuchs erkannt, dass in seinen Kollegenkreisen allgemein nur eine unzureichende Kenntnis zu Heilpflanzen und Arzneimittel verbreitet war. Anschauung in und an der Natur machte er sich zum wichtigen Grundsatz. Sein eigener Garten beim Tübinger "Nonnenhaus", das man ihm und seiner vielköpfigen Familie zur Verfügung gestellt hatte, wurde zur Keimzelle des späteren botanischen Gartens der Uni Tübingen. Schon während seiner ersten Ingolstädter Lehrtätigkeit, später dann auch in Tübingen, führte er Exkursionen für die Studenten ein – ein Novum damals –, um ihnen vor Ort die Heilpflanzen in ihrem natürlichen Habitus zu erklären. Er ließ sie Herbarien anlegen und gab auf solchen Ausflügen auch gerne mal ein "prandium", eine Brotzeit für seine Studenten aus, wie in Aufzeichnungen nachzulesen ist.

Verfechter der Simplicia

Fuchs hatte ein ganz eigenes Verhältnis zu den Apothekern. So ist von ihm der Spruch "Apotheker haben alleweil gern was besunders" überliefert. Er kritisierte die in der arabischen Tradition stehenden "edlen" und "reichen" Arzneien, die bei geschäftstüchtigen Apothekern und wohlhabenden Kunden gleichermaßen beliebt waren. Eine Ingolstädter Apotheker-Taxe von 1594 beschreibt einen indischen Theriak mit etwa 190 Zutaten zu einem Preis von 30 Kreuzern, während ein Theriak für Arme (Theriaka pauperum) mit nur 5 Bestandteilen 4 Kreuzer kostete; dieser trug bezeichnenderweise den Beinamen "Theriaka Fuchsii".

Fuchs war ein Verfechter der einfachen Arzneien, immer hat er die "Simplicia" bevorzugt. (Ist er damit nicht schon ganz ein Vorläufer der modernen "puristischen" Phytotherapie, die Mischungen mit möglichst wenigen Bestandteilen oder gar Monopräparate bevorzugt?) Bei allen Vorbehalten gegenüber den Apothekern wusste Fuchs aber auch, dass er nur mit ihrer Unterstützung die Medizin vom "arabischen" Überfluss" befreien und seine Reformen durchsetzen konnte. Anerkennung von Seiten dieses Berufsstandes erwarb er sich durch eine Reihe großer Rezeptursammlungen und -übersetzungen, die die Pharmazie reformieren sollten. Eisern versuchte er, Aberglauben, Beschwörungsformeln und Amulettglauben aus einer aufgeklärten Medizin auszumerzen.

Trotz einiger sicher sehr verlockender "Rufe" – u. a. als Direktor an den neugegründeten Botanischen Garten von Padua, nach Pisa oder nach Berlin und Königsberg – hatte Fuchs Tübingen nie mehr verlassen. Er war als hochgebildeter, temperamentvoller und streitbarer Wissenschaftler zu seiner Zeit zwar anerkannt. Aber in seinen Reformbemühungen war er seiner Zeit weit voraus, sodass sich seine Ideen erst später voll durchsetzen konnten. Heute hat er seinen festen Platz unter den bahnbrechenden Wissenschaftlern seiner Zeit.

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