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Es ist beschlossen, das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz, kurz AABG genannt. Unter der Überschrift "Preise sinken - Qualität steigt" jubiliert Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in einer Pressemitteilung, es werde mit diesem Sparpaket sichergestellt, dass es künftig "Arzneimittel zu vernünftigen Preisen geben wird". Die hohen Wirtschaftlichkeitsreserven in der Arzneimitteltherapie würden mit dem AABG weiter ausgeschöpft. Und die Apotheken weiter geschröpft, füge ich hinzu.

Betrachten wir die beschlossene Anhebung des so genannten Apothekenrabatts (schon das Wort Rabatt ist falsch gewählt, denn ein kaufmännisch gewährter Rabatt wird freiwillig gegeben; Zwangsabschlag wäre hier die richtige Bezeichnung): Dieser Zwangsabschlag hat keinerlei Einfluss auf die Qualität, er schöpft lediglich Erträge der Apotheken ab und schröpft sie damit.

Der einmalige Solidarbeitrag der Forschenden Arzneimittelhersteller von insgesamt rund 205 Mio. Euro zur Konsolidierung der GKV-Finanzen hat ebenfalls nichts mit sinkenden Preisen und steigender Qualität zu tun. Er lässt sich vielmehr als Eingeständnis der Industrie werten, in den letzten Jahren übermäßig gute Gewinne gemacht zu haben und – um einer dauerhaften Zwangspreissenkung oder Schlimmeren zu entgehen – mit diesem Sümmchen Abbitte zu leisten (Ablasshandel war hier das Stichwort). Und das eine oder andere gezahlte Milliönchen lässt sich durch eine Preiserhöhung in den nächsten zwei Jahren leicht wieder einspielen.

Ob Sankt Bürokratius, den Ulla Schmidt in Form des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen zur Bewertung des therapeutischen Nutzens von Arzneimitteln aktiviert, Preise sinken und Qualität steigen lässt, ist für mich mehr als fraglich. Dieser Ausschuss soll bekanntlich für Arzneimittel mit vergleichbaren Wirkstoffen oder vergleichbarer therapeutischer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens im Verhältnis zum Abgabepreis vornehmen und Empfehlungen an die behandelnden Ärzte abgeben. Was so umständlich klingt, wird sich wohl auch in der Praxis so umständlich und vor allem langwierig darstellen. Kurzfristige Einsparungen dürften sich damit kaum realisieren lassen. Denn Hersteller werden die vorgenommenen Einstufungen ihrer Präparate nicht klaglos hinnehmen. Hintergrund dieses Passus im AABG ist es, die Verordnung von Schritt- bzw. Scheininnovationen, auch bekannt als Me-too-Präparate, zurück zu drängen. Mag sein, dass das eine oder andere Me-too wirklich nur eine geringfügige oder auch keine Verbesserung bringt, oft sind Me-toos allerdings auch wichtige Eckpfeiler, z. B. wenn die Nebenwirkungen oder die verabreichte Dosis deutlich reduziert werden können.

Als ein neues Element in Krankenhausentlassungsberichten muss, so das AABG, auch der Wirkstoff eines Arzneimittelns (und nicht nur ein Markenname) sowie preisgünstige Alternativvorschläge für die ambulante Therapie angegeben werden. Die Festlegung auf ein überhöhtes Preisniveau im ambulanten Sektor soll damit vermieden werden. Sicher eine wichtige und längst überfällige Vorschrift, aber die großen Einsparungen wird dies nicht bringen.

Kernstück des Sparpakets dürfte dagegen die generelle Aut-idem-Regelung sein. Im Prinzip könnten wir uns als Apothekerinnen und Apotheker darüber freuen, aber leider nur im Prinzip. Denn so "generell" ist die Regelung nicht: der Apotheker muss im unteren Preisdrittel auswählen, aber wenn sich der Arzt mit seiner Verordnung bereits im unteren Preisdrittel bewegt, dann darf der Apotheker nicht mehr substituieren. Außerdem kann der Arzt nach wie vor die Auswahl durch den Apotheker untersagen.

Was mich an der Einführung dieser Regelung massiv stört, ist die Auswahl nur nach Preisgesichtspunkten (wo bleibt die – siehe oben – steigende Qualität, Frau Schmidt?) und eine mit dieser Regelung provozierte Preisspirale nach unten. Schon jetzt beginnen Firmen, ihre Preise in das untere Preisdrittel abzusenken.

Immerhin: Das Gesetz soll zwar schon in Kürze in Kraft treten, aber die Aut-idem-Regelung dürfte dann wohl noch lange nicht greifen. Bevor der Apotheker aut idem substituieren darf, muss der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen noch Hinweise zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen erstellen und die GKV-Spitzenverbände haben sich mit der Definition der oberen Preislinie zu befassen, die nicht überschritten werden darf. Experten schätzen, dass die Aut-idem-Substitution frühestens im dritten Quartal 2002, wenn nicht sogar noch später umgesetzt werden kann.

Noch bleibt also Zeit, uns mit der neuen Regelung vertraut zu machen. Auch wir sollten uns Gedanken machen über Leitlinien, nach denen wir bei der Auswahl vorgehen können. Auf der diesjährigen Interpharm (8. bis 10. März) in Stuttgart wird sich eine Expertenrunde mit der richtigen Umsetzung von aut idem befassen: die Diskussion soll hinführen zu Regeln für eine gute Substitutionspraxis.

Alles in allem: wenn die Bundesgesundheitsministerin ihr Sparpaket unter dem Etikett "Preise sinken – Qualität steigt" verkauft, dann ist das Etikettenschwindel. Denn alle Maßnahmen zielen auf den Preis ab und nur auf den Preis. Selbst uns Apothekern wird eine qualitätsfördernde Auswahl nicht zugestanden. In der GKV zählt eben nur billig.

Peter Ditzel

Geschöpft und geschröpft

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