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Handbuch Selbstmedikation: 40% wenig geeignet

BERLIN (sw). Auf einer Pressekonferenz in Berlin am 28. November stellte die Stiftung Warentest in Anwesenheit der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt das neue Handbuch Selbstmedikation vor, dessen völlig neu bearbeitete Auflage nun vorliegt. Die erste Auflage von 1995 wurde fast 160 000-mal verkauft.

58% der nicht verschreibungspflichtigen Mittel (680 Millionen Packungen, 4,3 Milliarden Euro) kaufen die Verbraucher auf eigene Kosten. Um ihre Wahl zu treffen, haben sie praktisch keine unabhängigen Informationen (Pharmawerbung, Beipackzettel, die häufig verwirren). Für das Handbuch Selbstmedikation wurden die 1500 meistverkauften nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach therapeutischer Wirksamkeit und Risiko-Nutzen-Verhältnis bewertet.

Das Ergebnis ist wenig erfreulich: 40% aller Bewertungen lauten auf "wenig geeignet". Beim Analogbuch für verschreibungspflichtige Medikamente waren es 25%). Dass dieser Anteil so hoch ist, liegt sicher auch daran, dass noch sehr viele Mittel das Zulassungsverfahren nicht endgültig durchlaufen haben. Die Nachzulassung hätte eigentlich schon 1990 abgeschlossen sein sollen; 13 600 Mittel befinden sich aber noch in der Nachzulassung, die nun 2005 endgültig abgeschlossen sein soll.

Bei 9750 Mitteln haben die Hersteller inzwischen selbst auf die Prüfung zur Nachzulassung verzichtet – sie glauben vermutlich selbst nicht mehr an Wirksamkeit und Nutzen. Aber auch diese Mittel dürfen bis Ende 2003 verkauft werden, zugunsten der Hersteller. All dies macht herstellerunabhängige Informationen wichtig.

Beispiele für Mittel, die laut dem Handbuch Selbstmedikation nicht mehr empfohlen werden können:

  • Schmerzmittelkombinationen mit Coffein, wegen erhöhter Gefahr von unerwünschten Wirkungen. Bei rund 4000 von 52 000 Dialysepatienten geht man von einer Analgetika-Nephropathie aus.
  • Völlig obsolete Mischungen wie Togal-Tabletten (Chinin und Lithium sind hier völlig überflüssig.)
  • Viele Erkältungspräparate sind nicht sinnvoll zusammengesetzt; z. B. enthält Wick MediNait 18% Alkohol (und das bei anderen Bestandteilen, die nicht mit Alkohol zusammen genommen werden sollten). Andere Präparate enthalten müde machende Antihistaminika.
  • Schnupfenmittel enthalten häufig Konservierungsmittel, die sich negativ auf die Nasenschleimhaut auswirken oder sie können zur Abhängigkeit führen ("Medikamentenschnupfen"). Empfohlen werden Salzlösungen.
  • Alle häufig gekauften Halsschmerzmittel sind wenig geeignet (Antibiotika oder Enzyme sind hier entweder nicht wirksam genug oder überflüssig). Was fehlt, ist ein Mittel gegen Schmerzen beim Schlucken (z. B. mit Lidocain).
  • Altern ist keine Krankheit und der Nutzen der "Kraft der zwei Herzen" etc. zweifelhaft.
  • Von Hormonpräparaten für gesunde Frauen zur Prävention wird dringend abgeraten.

Aus der Verschreibungspflicht in die Selbstmedikation entlassene Mittel gelten häufig als umstritten und nicht etwa als besonders wirksam.

Neben der Beurteilung der Arzneimittel werden die 70 behandelten Krankheitsbilder beschrieben, wie und welche Wirkstoffe und entsprechende Medikamente wirken können, welche unerwünschten Wirkungen und Wechselwirkungen es gibt und wann der Arzt aufgesucht werden sollte.

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