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DAZ-Umfrage zu den Auswirkungen des Vorschaltgesetzes: "Das ist Enteignung"

(im). Angesichts der massiven Einschnitte, die die Bundesgesundheitsministerin speziell in unserem Bereich mit dem Vorschaltgesetz plant, schlagen die Wogen unter Apothekerinnen und Apothekern hoch. Die DAZ fragte bei einer Kollegin und Kollegen nach, welche Auswirkungen sie "an der Basis" befürchten. Wie bewerten es Offizinapotheker dass 1,4 Milliarden Euro im Pharmabereich gespart werden sollen, davon 80 Prozent bei den Apotheken? Neben den höheren Rabatten der Apotheken soll es ein Inkasso für die Rabatte geben, die Industrie und Großhandel den Krankenkassen künftig gewähren sollen, hier fragten wir, ob die Leser das für zulässig halten. Kollegen sprechen von enteignungsähnlichen Eingriffen, wir wollten wissen, ob das übertrieben ist oder stimmt. Ferner interessierten uns die Maßnahmen, die die KollegInnen als Reaktion auf die Sparvorhaben planen und die letzte Frage war die nach der möglicherweise sich verschlechternden Versorgungsqualität. Die Fragen stellte DAZ-Korrespondentin Susanne Imhoff-Hasse.

"Das Ganze verfährt nach dem Motto: Den letzten beißen die Hunde. Ich halte das in einer überzogenen Form für die Folge der jahrelang betriebenen ABDA-Politik. Das scheint eine Quittung zu sein für die Haltung der ABDA, die hinter verschlossenen Türen besprochen wurde, dass nämlich ein Gesundschrumpfen unter Apotheken so schädlich nicht sei.

Bei der Drehung der Arzneimittelpreisverordnung, die die ABDA als Alternative angeboten hat, habe ich immer vertreten, das sei nicht durchzusetzen. Es wird nie im unteren Bereich zur Anhebung der Preise kommen. Wenn ich auf der anderen Seite, also bei einer Krankenkasse säße, würde ich bis drei Tage vor Unterzeichnung des Vertrags zur Drehung warten und dann an die Medien gehen, dass die Apotheker jetzt auch bei den preiswerten Arzneimitteln noch höhere Preise verlangen wollten. Das gäbe einen solchen Aufruhr, dass es nicht umzusetzen wäre.

Ich denke, dass die ABDA mit der Kappung gerechnet hat, wenn auch nicht mit den großen Belastungen, wie sie jetzt durch die höheren Rabatte insgesamt auf uns zu kommen werden."

Rabatte: idiotisch.

Zur Frage, dass neben steigenden Rabatten der Apotheken das Inkasso für Industrie und Großhandel vorgenommen werden soll, meinte der Kollege: "Von der politischen Warte her ist das ganz pfiffig gedacht, es ist theoretisch ganz einfach, praktisch natürlich idiotisch.

Der Großhandel wird die Belastungen durchschieben, das ist ganz klar, wir müssen kreditieren. Schwierig wird es bei der Rabattgewährung der Industrie an die Kassen. Erst wenn die Zahlen des Rechenzentrums zur Abrechnung meiner Rezepte vorliegen, kann das geschehen, hier wird also auch Kreditierung stattfinden. Vielen Kollegen wird dabei die Luft ausgehen.

Es bleiben aber auch praktisch viele Probleme. Es wird häufig nicht zu differenzieren sein. Was geschieht mit Importen? Importarzneimittel bestelle ich zum Teil direkt, beziehe sie aber auch über den Großhandel.

Und ich gebe viele Präparate ab, die ich nur direkt einkaufen kann, etwa Botulinustoxin oder Interferone. Wird auch hier der Großhandelsrabatt abgezogen?"

Enteignung ja oder nein?

"Das Wort von enteignungsähnlichen Eingriffen ist sicherlich richtig. Ich denke, der eine oder andere Kollege kann die Verluste auffangen, andere können das nicht, das ist abhängig von vielen Faktoren in der Apotheke. In meiner Apotheke mit vielen hochpreisigen Arzneimitteln habe ich schon hochgerechnet, was auf mich zukommt. Theoretisch müsste ich zwei Mitarbeiterinnen entlassen, das geht praktisch aber nicht, denn dann könnte die Arbeit gar nicht mehr geleistet werden. Ich habe allerdings leider schon eine Teilzeitangestellte entlassen, auch wenn das meine Verluste bei weitem nicht auffängt.

Neben der sofortigen Verringerung des Einkommens sehe ich die große Gefahr, dass die Altersversorgung nicht mehr funktionieren wird. Das wird mich vermutlich auch treffen. Wenn der Umsatz bleibt, aber der Gewinn einbricht, verliert die Apotheke dramatisch an Wert. Die meisten Kollegen rechnen, denke ich, bisher mit einem guten Wiederverkaufswert als Teil ihrer Altersvorsorge, den sie aber nicht mehr realisieren können."

Wie reagieren?

"Wir können nur hoffen, dass der eine oder andere Fachmann noch gehört wird zu diesen Maßnahmen, die die Regierung ohne Sinn und Verstand konzipiert hat. So brutal es klingt, man wird abwarten, ob nicht kleinere Apotheken in der Nachbarschaft quasi dichtmachen müssen. Das wäre ja die einzige Möglichkeit, den Umsatz deutlich zu erhöhen.

Unter Umständen muss zum Teil die Arbeit, die tagsüber liegen bleibt, in Überstunden erledigt werden. Der größte Fehler wäre jetzt eine Verschlechterung des Service. Darauf wartet die Politik nur."

Sinkt Versorgungsqualität?

"In Ballungsgebieten wie zum Beispiel Hamburg spielt das weniger eine Rolle, wenn dort Apotheken schließen. Aber im ländlichen Raum ist das schon ein Problem. Ich habe selbst zwölf Jahre lang eine Dorfapotheke betrieben. Auf dem Land wird es dramatische Folgen haben, wenn kleine Apotheke keinen Gewinn mehr erzielen und dichtmachen müssen."

"Das ist die falsche Art und Weise, zu sparen. Vor allem der Finanzminister wird einen Großteil der Kosten spüren, allein 250 Millionen Euro an Mehrwertsteuereinbuße. Die Arbeitslosenversicherung wird belastet, aber auch die Krankenkassen, die dann nur 80 Prozent an Beitrag für die entlassenen Mitarbeiter bekommen.

Zynisch kann man auch prognostizieren, dass es bei 80 Prozent weiblicher Mitarbeiter aus Furcht vor Arbeitsplatzverlust viele Schwangerschaften geben wird, weil einige Frauen so der Entlassung entgehen wollen. Im Endeffekt wird es nur ein Minimum an Spareffekt geben, zumal noch sehr unsozial gestaltet."

"Inkasso nicht zulässig".

"Das Inkasso halte ich nicht für zulässig, wir sind keine Verwaltungsfachleute. Ich bin sowieso der Meinung, die Krankenkassen sollten sämtliche Gebühren selbst eintreiben, nur sie haben ja den Überblick. Das sollten sie dann zum Jahresende hin aufschlüsseln. Über ihre Zeitschriften etwa könnten sie informieren. Es ist doch nicht uns Apothekern zuzumuten, zum Apothekerlohn uns Verwaltungsarbeit aufzubürden, die bei denen eine Verwaltungsfachangestellte für 1500 Euro im Monat erledigt."

Enteignung ja oder nein?

"Ich halte das nicht für übertrieben, von enteignungsähnlichen Eingriffen zu sprechen. Die Frage wird im übrigen sein, da sich diese Maßnahmen ja auf die gesetzliche Krankenversicherung beziehen, wie die privaten Krankenversicherungen reagieren werden, ob sie auch Rabatte fordern."

Wie reagieren?

"Ich werde als Maßnahme Gebühren für den Vorbezug von Arzneimitteln nehmen, wenn jemand sein Präparat verlangt, sein Arzt aber zum Beispiel noch im Urlaub ist. Dafür fällt in meiner Apotheke Verwaltungsarbeit an. Anderes überlege ich noch, ob es umsetzbar wäre. Mein Warenlager werde ich zum Beispiel reduzieren, bei teuren Medikamenten überlege ich, ob ich die auf Lager nehme. Auch die Retouren will ich reduzieren."

Sinkt Versorgungsqualität?

"Auf jeden Fall droht eine schlechtere Versorgungsqualität. Bestellungen werden unter Umständen liegen bleiben. Die Zeit für Erklärungen wird nicht mehr in dem Maß vorhanden sein."

Die Folge ist eine Enteignung eines ganzen Berufsstandes. Per Verfügung werden uns so genannte Rabatterhöhungen aufgezwungen, die beliebig erhöht und sogar im nachhinein in der Oktoberabrechnung für den Monat Januar unrechtmäßig abgezogen werden. Diese sittenwidrigen Maßnahmen sind an Machtarroganz sowohl der Regierung als auch der Krankenkassen als so genannte Vertragspartner nicht mehr zu überbieten. Vernünftige Sparvorschläge unserer Standesvertretungen werden einfach ignoriert.

Inkasso für Industrie und Großhandel.

Diese Absichten sind für uns nicht durchführbar und nicht zulässig. Die technische Durchführung ist kaum zu realisieren. Nur die Rezeptabrechnungsstellen sind wahrscheinlich in der Lage, sie durchzuführen. Diese Berechnung wird auch zu erhöhten Abrechnungsgebühren führen.

Weiterhin belastet uns eine sinnlose Reimportquotenregelung. Obwohl es preisgünstigere Generika gibt, werden wir bei Nichtabgabe von Reimporten mit Strafabzügen bedacht. Eine einfache Abschlagsregelung auf der Grundlage des "Ostabschlagsmodells" würde mehr Sinn machen und wäre für alle Beteiligten machbar.

Reaktionen.

Es werden im nächsten Jahr höchstwahrscheinlich Entlassungen erfolgen und Neueinstellungen nicht vorgenommen. Uns belasten die Fixkosten wie Miete und Strom bei sinkendem Rohgewinn erheblich. In meiner kleinen Landapotheke wird sich die Versorgungsqualität nicht verschlechtern, sie wird durch Mehrarbeit der vorhandenen qualifizierten Mitarbeiter gewährleistet.

"Dies ist extrem unfair und ungerecht. Die SPD schürt Sozialneid, sie ist nicht die Partei der Apotheker, das kommt ganz deutlich zum Vorschein. Ich denke, die kleine private Apotheke soll systematisch ausgebootet werden. Die SPD will die jetzige Struktur zerstören, um alternative Strukturen aufzubauen, das ist Absicht. Die Sozialdemokraten möchten Versand, Kettenapotheken und Extra-Verträge mit den Krankenkassen. Das ist kein Unvermögen, was dort geschieht, was ich zunächst dachte. Die können schon zwischen Umsatz und Gewinn unterscheiden, aber die privaten Apotheken sollen zerstört werden. Das ist Strategie. Ich ganz persönlich bin bitter enttäuscht und desillusioniert und völlig demotiviert.

Wo sonst in der freien Wirtschaft gibt es denn einen Zwangsrabatt? Einen Rabatt gibt ein Geschäftsmann aus ganz bestimmten Gründen weiter, um Kunden zu binden oder pünktliches Bezahlen zu honorieren. Ein staatlich verordneter Zwangsrabatt ist Planwirtschaft. Ich kann aber nicht einerseits einer Planwirtschaft unterliegen und andererseits freier Geschäftsmann mit dem vollen Unternehmerrisiko sein. Das wird nicht funktionieren.

Außerdem ist es der Gipfel der Verlogenheit, ständig über zu hohe Arzneimittelpreise zu jammern, selbst aber mit 16 Prozent Mehrwertsteuer kräftig daran mitzuverdienen. Nun werden nicht Preise gesenkt, sondern Rabatte verordnet, warum wohl?"

Rabatte: werden durchgereicht.

"Ich denke nicht, dass es zulässig und rechtens ist, zumal Industrie und Großhandel die Rabatte durchreichen können und das Gros bei uns hängen bleiben wird. Die Lösung, die dort angestrebt wird, ist auch gar nicht praktikabel. Ich glaube nicht, dass die Apotheken in der Lage sein werden, ab Januar eine korrekte Abrechnung zu erstellen, dann aber könnte die Kasse die ganze Rechnung verweigern. Das wird einige Kollegen die Existenz kosten."

Wie reagieren?

"Ich werde Gewinneinbrüche wohl nicht ohne weiteres kompensieren können. Meine Apotheke befindet sich auf dem Land, in meiner Nachbarschaft sind zwei Arztpraxen, da kann ich nicht viel beeinflussen. Auf jeden Fall werde ich mich nicht dem regionalen Preiskrieg beim Nebensortiment unterwerfen und Billig-Billig-Plakate aufstellen. Dort, wo ich es kann, werde ich Kosten senken, viel Auswahl gibt es aber nicht. An Entlassungen möchte ich noch nicht denken, denn der Betrieb muss weiterlaufen, die Arbeit muss ja getan werden."

Sinkt Versorgungsqualität?

"Auf jeden Fall, denke ich, wird die Versorgungsqualität schlechter werden. Die Apothekendichte wird wesentlich schrumpfen. Wenn Personal entlassen wird, bleibt für alles weniger Zeit. Keiner sieht die Arbeit, die hinter den Kulissen abläuft. Die Arbeit bleibt, auch wenn bei den Mitarbeitern gespart wird. Der Patient wird das letztlich merken, der wird der Dumme sein."

Kastentext

Apotheker Axel Oberste Berghaus ist als Inhaber in der Ginkgo-Apotheke in Hamburg tätig. Aus der Hansestadt kommen seine Antworten:

"Neben der sofortigen Verringerung des Einkommens sehe ich die große Gefahr, dass die Altersversorgung nicht mehr funktionieren wird." Apotheker Axel Oberste Berghaus, Hamburg

"Auf dem Land wird es dramatische Folgen haben, wenn kleine Apotheken keinen Gewinn mehr erzielen und dichtmachen müssen." Apotheker Axel Oberste Berghaus, Hamburg

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Kollege Manfred Dietwald, Inhaber der Schloß-Apotheke in Amtzell, Baden-Württemberg, meint auf die Frage nach der Bewertung, dass 80 Prozent der 1,4 Milliarden die Apotheken erbringen sollen:

"Das Inkasso halte ich nicht für zulässig, wir sind keine Verwaltungsfachleute." Apotheker Manfred Dietwald, Amtzell

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In Sachsen, genauer in Böhlen, ist Pharmazierat Stefan König tätig. König ist dort Inhaber der Galenus-Apotheke. Hier seine Antworten:

"Das ist eine Enteignung des Berufsstands." Pharmazierat Stefan König, Böhlen

Kastentext

Aus Bayern erreicht uns die Meinungsäußerung von Apothekerin Constanze Kaim, der Inhaberin der Sonnen-Apotheke. Sie ist im bayerischen Bergrheinfeld tätig:

"Dort, wo ich es kann, werde ich Kosten senken, viel Auswahl gibt es aber nicht." Apothekerin Constanze Kaim, Bergrheinfeld

"Wo sonst in der freien Wirtschaft gibt es denn einen Zwangsrabatt?" Apothekerin Constanze Kaim, Bergrheinfeld

Angesichts der massiven Einschnitte, die die Bundesgesundheitsministerin speziell im Apotheken-Bereich mit dem Vorschaltgesetz plant, schlagen die Wogen unter Apothekerinnen und Apothekern hoch. Die DAZ fragte bei einer Kollegin und Kollegen nach, welche Auswirkungen sie "an der Basis" befürchten. Wie bewerten es Offizinapotheker, dass 1,4 Milliarden Euro im Pharmabereich gespart werden sollen, davon 80 Prozent bei den Apotheken?

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