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Vorschaltgesetz: Die Spreu wird sich vom Weizen trennen

FRANKFURT/MAIN (ral). Durch das Vorschaltgesetz lastet ein ungeheurer finanzieller Druck auf den Apotheken. Diesem Druck wird nur standhalten können, wer seine Apotheke unter betriebswirtschaftlichen Aspekten durchorganisiert, Kosten optimiert und seinen Kompetenzvorsprung im Bereich Service und Beratung voll ausschöpft. "Die Spreu wird sich vom Weizen trennen", prognostizierte Horst Trimborn, Vorstandsvorsitzender der Andreae-Noris Zahn AG (Anzag) bei einem Pressegespräch am 22. November. Für den Großhandel gelte dies ebenfalls, auch wenn er vom Vorschaltgesetz weniger betroffen sein werde, da er die ihm aufgelegte Belastung an die Apotheken "weitergeben" könne und werde.

Was sich wie ein Schlag ins Gesicht anhört, rechtfertigte Trimborn anhand von Zahlen. Dabei ging er zunächst auf die derzeitige finanzielle Situation des Pharmagroßhandels ein. Diese stellt sich folgendermaßen dar: Im Schnitt erzielt der Großhandel einen Rohertrag von knapp 15 Prozent. Von diesem fließen rund acht Prozent als Rabatte und Skonti an die Apotheken, so dass ein Rohgewinn von etwa sieben Prozent verbleibt. Zieht man von diesem Rohgewinn die Betriebskosten von knapp sechs Prozent ab, verbleibt dem Großhandel ein durchschnittliches Betriebsergebnis von etwas mehr als einem Prozent.

Im Rahmen des Vorschaltgesetzes wurde nun festgelegt, dass der Großhandel der GKV drei Prozent Rabatt auf alle verschreibungspflichtigen und zu Lasten der GKV erstattungsfähigen Arzneimittel zu gewähren hat. Da sich diese drei Prozent am Apothekenabgabepreis orientieren, bedeutet dies für den Großhandel jedoch faktisch einen Rabatt von mehr als vier Prozent. "Dass wir bei einem Betriebsergebnis von etwas mehr als einem Prozent diesen Rabatt nicht einfach zusätzlich bezahlen können, ist klar. Selbst wenn der Großhandel sein Betriebsergebnis auf Null fahren würde, würde es nicht reichen", rechnete Trimborn vor.

Keine zusätzliche Belastung, sondern Abschöpfung von Rationalisierungseffekten

Vom Gesetzgeber sei eine derartige zusätzliche Belastung auch gar nicht vorgesehen. Vielmehr habe er es auf die "Abschöpfung der im Großhandel erzielten Rationalisierungseffekte" abgesehen, dies sei in der Begründung des Artikels 11 § 1 Beitragssatzsicherungsgesetz eindeutig nachzulesen.

Bislang kamen die Einsparungen, die der Großhandel aufgrund von Rationalisierungseffekten in den vergangenen Jahren erzielen konnte, den Apotheken zugute, da sie in Form des Rabatts als Wettbewerbsmaßnahme eingesetzt wurden. Künftig wird man auf diese Art des Wettbewerbs wohl verzichten. Trimborn dazu: "Den Rabatt, den der Gesetzgeber von uns fordert, haben die Apotheken von uns sozusagen im Vorfeld bereits erhalten. Weitere Forderungen können somit nicht mehr an uns gestellt werden."

Die ganze Last liegt bei den Apotheken

Der Standpunkt ist bei Betrachtung der Finanzlage des Großhandels verständlich, leichter macht es die Situation für die Apotheken jedoch nicht. Die Tatsache, dass nicht nur der Löwenanteil der finanziellen Belastung bei ihnen liegen, sondern ihnen zusätzlich dazu auch noch die Funktion des Geldeintreibers bei Pharmaindustrie und Großhandel aufgebürdet werden soll, stellt sich als unlösbare und unbezahlbare Situation dar. "Die Apotheken werden die zusätzliche Belastung nur tragen können, wenn sie ihre Kosten deutlich reduzieren. Im Klartext bedeutet dies, dass sie am Personal sparen müssen. Im Schnitt werden wohl zwei Vollzeitkräfte pro Apotheke wegfallen", zitierte Trimborn die Prognose der ABDA.

Reduktion der Apothekendichte und Konzentration des Sortiments

Der Anzag-Vorstandsvorsitzende geht außerdem davon aus, dass sich im kommenden Jahr die "Spreu vom Weizen" trennen wird, sprich unrentable Apotheken schließen und nur starke marktaktive Apotheken überleben werden. "Es wird zu einer Reduzierung der Apothekendichte kommen und darüber hinaus auch zu einer Konzentration des Sortiments", meinte Trimborn. Sowohl Großhandel als auch Apotheken müssten unter den ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen ihr Sortiment neu überdenken und unrentable Artikel gegebenenfalls aussortieren. In der Konsequenz könne dies das Aus für viele kleinere Hersteller bedeuten.

Apotheken müssen ihren Kompetenzvorsprung ausbauen

"Nur negativ darf man die Situation für die Apotheken unter den neuen Vorzeichen allerdings nicht darstellen", versuchte Trimborn das düstere Bild aufzuhellen. Zwar sei die Existenzbedrohung nicht wegzureden, der politische Druck könne jedoch auch eine Chance sein. Wer die Zeichen der Zeit erkenne und seinen Kompetenzvorsprung in Punkto Beratung und Service ausbaue, werde letztlich seine Position behaupten können und gestärkt aus der Krise hervorgehen.

"Beratungsangebote, Seminare und Marketing-Konzepte sind längst vorhanden, ich hoffe, dass sie nun endlich auch abgerufen und umgesetzt werden." Zudem sei es nun Zeit, sich über eine verstärkte Zusammenarbeit Gedanken zu machen, beispielsweise über einen Zusammenschluss mehrerer Apotheken zu Einkaufs- und Marketing-Kooperationen. Denkbar sei auch ein Netzwerk unter der Führung des Großhandels. Die Anzag wolle jedenfalls verstärkt auf die Apotheken zugehen und entsprechende Angebote für den Aufbau eines derartigen Netzwerks ausarbeiten.

Großhandel ist weiterhin unverzichtbar

Generell sieht Trimborn den Großhandel auch künftig als unverzichtbaren Partner der Apotheken bei der Arzneimitteldistribution. Nicht nur sei er als möglicher Kooperationspartner eine wichtige Größe, er werde auch im Hinblick auf die veränderten Abrechnungsbedingungen benötigt. So sei im Vorschaltgesetz zwar vorgesehen, dass die Rabatte den Apotheken direkt abgezogen würden, wie diese ihr Geld von der Industrie und vom Großhandel erhalten würden, habe der Gesetzgeber jedoch bewusst offen gehalten.

Wolle man vermeiden, dass spätestens ab Februar 2003 (wenn die Rechenzentren ihre Abrechnungen für Januar abgeschlossen haben) das große Chaos ausbricht, müsse man sich nun ganz schnell Lösungsmöglichkeiten ausdenken. Die Steuerung der Finanz- und Datenströme könne nicht von den einzelnen Apotheken bewältigt werden, auch sei die Pharmaindustrie nicht daran interessiert, von 21 500 Apotheken mit Erstattungsforderungen überhäuft zu werden.

"Es bleibt also an uns hängen, hier die entsprechende Logistik aufzubauen", so Trimborn. Bei der Anzag habe man diese Aufgabe bereits in Angriff genommen. Trimborn stellte in Aussicht "Wir werden dies nun so schnell wie möglich umsetzen und bereits in den nächsten Wochen mit Lösungsvorschlägen auf die Apotheken zugehen. Die Leute müssen doch wissen, wie es weitergehen wird."

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