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Ergosterol-Biosynthese: Suche nach neuen Antimykotika

Prof. Dr. Franz Bracher, München, berichtete am 12. November in Münster auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft über Wege zur Entwicklung neuer Antimykotika. Er stellte das in seiner Arbeitsgruppe entwickelte Testsystem vor, mit dem das Zielenzym potenzieller Hemmstoffe der Ergosterol-Biosynthese abgeklärt werden kann.

Systemische Pilzinfektionen haben in den letzten Jahren zugenommen. Gefährdet sind insbesondere immunsupprimierte Patienten nach Organtransplantation und AIDS-Patienten. Von etwa 25 auf dem Markt befindlichen Antimykotika eignen sich nur wenige zur Behandlung systemischer Mykosen: insbesondere die Azole Itraconazol, Fluconazol und Voriconazol sowie Amphotericin B und Terbinafin. Es besteht daher dringender Bedarf an neuen Antimykotika.

Bei der Entwicklung von Antiinfektiva können grundsätzlich vier Wege eingeschlagen werden:

  • Strukturmodifikation bekannter Wirkstoffe,
  • Screening großer Substanzbibliotheken (kombinatorische Chemie),
  • Naturstoffe aus Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen,
  • Rationales Design, das auf der Kenntnis von Funktion und Struktur wichtiger Enzyme oder Proteine der Mikroorganismen basiert.

Bracher und seine Arbeitsgruppe (Pharmazeutische Chemie der LMU München) gehen die beiden letztgenannten Wege. Sie haben bereits rund 50 verschiedene Naturstoffe totalsynthetisiert. Selektiv antimykotisch wirkt beispielsweise das tetrazyklische Annonaceen-Alkaloid Sampangin.

Alkaloid aus dem Ylang-Ylang-Baum

Sampangin stammt aus der Rinde und den Wurzeln des tropischen Ylang-Ylang-Baums (Cananga odorata, Annonaceae), aus dem auch das für Parfüme verwendete Ylang-Ylang-Öl gewonnen wird. Etwas schwächer antimykotisch wirkt Eupolauridin (syn. Canangin), noch schwächer die Azafluorenone – weitere aromatische Annonaceen-Alkaloide.

Der antimykotische Wirkmechanismus von Sampangin ist noch nicht bekannt. Das Dosis-Wachstums-Diagramm für die Hemmung von Candida albicans weist zwei Wendepunkte auf, was auf zwei Wirkmechanismen hinweisen könnte. Sampangin ist ein planares, tetrazyklisches, aromatisches Molekül und wirkt daher möglicherweise wie ein DNA-Interkalator. Sampangin reichert sich im Zellkern an. Da es fluoresziert, kann seine Akkumulation im Zellkern mithilfe der Laser-Scanning-Mikroskopie nachgewiesen werden. Der Nachweis gelang an menschlichen Zellen, an den kleineren Candida-Zellen aber bislang noch nicht eindeutig.

Für die antimykotische Wirkung scheint die Redox-Aktivität der Chinonimin-Gruppe nicht entscheidend zu sein. Bei Ersatz der Carbonylgruppe im Sampangin durch einen Aminorest entsteht eine Verbindung mit stärkerer antimykotischer Aktivität. Das "Schneiden" des Sampangin-Moleküls an verschiedenen Stellen führt generell zu nicht sonderlich wirksamen Substanzen.

Alkaloide aus dem Meer

Polyzyklische Alkaloide kommen auch in Meerestieren vor, beispielsweise in Seeanemonen und Manteltieren. Die untersuchten pentazyklischen Alkaloide wirken zwar gut gegen Pilze, sind aber unspezifische Zellgifte. Bei diesen Substanzen sieht Bracher keine Chance für die Entwicklung selektiver antimikrobiell wirkender Arzneistoffe.

Testsystem für potenzielle Hemmstoffe

Bracher und seine Mitarbeiter arbeiten jetzt an der Mechanismus-basierten Entwicklung neuer Antimykotika. Dabei etablierten sie zunächst ein System zur Aufdeckung des Wirkmechanismus von Antimykotika: ein Testsystem, mit dem man abklären kann, ob und an welchem Zielenzym eine neue Substanz in die Ergosterol-Biosynthese eingreift.

Pilze brauchen Ergosterol

Die meisten bekannten Antimykotika hemmen an irgendeiner Stelle die Biosynthese von Ergosterol (Tab. 1). Ergosterol ist ein essenzieller Bestandteil der Zellmembran von Pilzen und für deren Fluidität und Integrität verantwortlich. Wird eins der an der Biosynthese beteiligten Enzyme gehemmt, reichern sich Zwischenprodukte und über Seitenwege auch neue Sterole an, die die normale Membranfunktion stören.

Potenzielle Hemmstoffe der Ergosterol-Biosynthese werden zunächst in einem Agar-Diffusionstest auf eine antimykotische Wirksamkeit untersucht. Wirksame Substanzen werden im eigentlichen Sterol-Assay mit dem Modellkeim Yarrowia lipolytica inkubiert. Nach drei Tagen erfolgt die Aufarbeitung. Nach Zellaufschluss wird die Sterolfraktion mittels Festphasenextraktion extrahiert und die Veränderung im Sterolmuster analysiert. In der unbehandelten Pilzzelle findet man nur Ergosterol und seine unmittelbare Vorstufe Dehydroergosterol. Wird ein Enzym der Ergosterol-Biosynthese gehemmt, tauchen weitere typische oder atypische Sterole auf.

Die Sterol-Analytik erfolgt für die Substanzkonzentration, die im Vergleich zum Blindversuch das Pilzwachstum um 50 Prozent reduziert (EC50). Die Wachstumsreduktion lässt sich durch Auswiegen der Trockenbiomasse nach Membranfiltration und Trocknung bestimmen.

Schwierige Sterol-Analytik

Probleme in der Sterol-Analytik ergeben sich aus den sehr geringen Substanzmengen (0,2 bis 2,5 mg Gesamtsterole), den ähnlichen Strukturen vieler Sterole, den biosynthetischen Seitenwegen, die der Pilz nach Enzymhemmung einschlägt, und den Koelutionen (mehrere Sterole in einem Peak) sowohl in der Gaschromatographie als auch in der HPLC. Die Lösung liegt in der Kombination von HPLC mit Dioden-Array-Detektor, HPLC mit Massenspektrometrie und Gaschromatographie mit Massenspektrometrie. Durch Kombination dieser Methoden kann man sicher alle Sterole identifizieren.

Die ersten Testergebnisse

Das Testsystem wurde zunächst an bekannten Antimykotika erfolgreich überprüft. Tatsächlich reicherte sich beispielsweise unter Terbinafin Squalen an, unter Clotrimazol Lanosterol. Dann wurden neue potenzielle Enzym-Inhibitoren untersucht:

  • 8-Azasecosteroide wurden als Strukturanaloga des Carbeniumions entwickelt, eines hochenergetischen Zwischenstadiums, über das die Ę7,Ę8-Isomerisierung von Fecosterol zu Episterol erfolgt. Die synthetisierten 8-Azasecosteroide bestehen nur aus Ring C und D sowie einer Seitenkette und enthalten einen protonierbaren Stickstoff. Die Seitenkette scheint erforderlich zu sein, damit eine Substanz überhaupt in die Ergosterol-Biosynthese eingreift. Im Testsystem führen 8-Azasecosteroide zur Anreicherung von Fecosterol. 8-Azasecosteroide sind demnach sehr selektive Hemmstoffe der Ę8,Ę7-Isomerase.
  • Verschiedene Sterolderivate mit protonierbarer Aminogruppe in der Seitenkette hemmen tatsächlich die C24-Sterol-Methyltransferase.
  • Indolizidinium-Alkaloide, beispielsweise Ficuseptin aus der Feigenart Ficus septica, hemmen nicht wie erwartet die Ę14-Reductase.
  • Das Alkaloid Sampangin ist kein Hemmstoff der Ergosterol-Biosynthese.

Eine Entdeckung am Rande: Teebaumöl hemmt zwar das Pilzwachstum, greift aber nicht in die Ergosterol-Biosynthese ein.

Kasten Warum dieser Testkeim?

Yarrowia lipolytica wächst gut, ist mit Candida verwandt, aber selbst apathogen.

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