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Bundestagsdebatte zu Spargesetzen: Vorschaltgesetz im Bundestag beschlossen

BERLIN (ks). Das Parlament hat am 15. November den Vorschaltgesetzen zur Beitragssatzstabilisierung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zugestimmt. Die gesundheitspolitischen Eilgesetze sollen den Weg für eine Strukturreform 2003 ebnen. Sozialministerin Ulla Schmidt beteuerte vor dem Bundestag, durch ihr Gesetzespaket werde "niemand in seiner Existenz" und auch kein Arbeitsplatz gefährdet. Viele Abgeordnete der SPD und der Grünen stimmten den Gesetzen dennoch nur mit Bedenken zu. Sie erläuterten diese in vier verschiedenen Erklärungen, die sie im Anschluss an die Debatte zu Protokoll gaben.

Das so genannte Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG), das auch die neuen Staffel-Rabatte der Apotheken an die gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorsieht, kann nun ohne Zustimmung des Bundesrats zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten. Die vorgesehene Festschreibung der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen und die Einbeziehung von Analogpräparaten in die Festbetragsregelung sind hingegen noch zustimmungspflichtig.

Apotheken müssen sich also auf viel Rechnerei ab dem 1. Januar einstellen: Nicht nur die eigenen Staffelrabatte müssen sie an die gesetzlichen Krankenkassen weiterleiten, auch den 6-prozentigen Herstellerrabatt und den 3-prozentigen Abschlag der pharmazeutischen Großhändler erhalten die Kassen von den Apotheken. Diese Rabatte müssen den Apotheken von den Herstellern und – soweit eine spezielle Vereinbarung besteht – dem Großhändler, mit dem am meisten Umsatz gemacht wird, innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruchs erstattet werden. Ohne eine Vereinbarung erhält die Apotheke den Abschlag des Großhandels direkt gewährt.

Schmidt: kein Arbeitsplatz ist gefährdet

Schmidt erläuterte in ihrer Rede vor dem Bundestag, sie sehe zu dem Vorschaltgesetz keine Alternative. In schwierigen Zeiten müssten "alle an einem Strang ziehen", damit es "wieder aufwärts geht". Deshalb müsse von allen ein Solidarbeitrag gefordert werden, der jedoch niemanden überfordere. Die Ministerin kündigte an, die nun anstehende Strukturreform werde sich vor allem mit der Ausgabenseite der GKV befassen.

Das wahre Defizit der gesetzlichen Kassen seien nämlich "mangelnde Qualität, mangelnde Transparenz und mangelnde Prävention". Schmidt erklärte zudem erneut, sie werde die Arzneimittelversorgung liberalisieren und modernisieren. Dabei hat sie auch die Naturalrabatte im Visier: "Wir werden dafür sorgen, dass die Rabatte, die in diesen Systemen fließen, endlich den Versicherten zugute kommen".

Über die langfristige Sicherung der Einnahmesituation aller sozialen Sicherungssysteme, soll sich nun eine neue Kommission Gedanken machen. "Vorschläge zur nachhaltigen Finanzierung und Weiterentwicklung" sind gefragt. Schmidt zeigt sich nach wie vor optimistisch und versprach zum Abschluss ihrer Rede: "Die Koalition von SPD und Grünen im Deutschen Bundestag wird dafür sorgen, dass unsere sozialen Sicherungssysteme modernisiert und zukunftsfähig gemacht werden und nach dem Prinzip der Generationengerechtigkeit funktionieren."

Seehofer: alles "Täuschung" und "Heuchelei"

Horst Seehofer (CSU) ließ in seiner anschließenden Rede kein gutes Haar an den Spargesetzen der Regierung. Er warf der Ministerin Täuschung vor: Es handle sich in Wahrheit um ein "Beitragssatzerhöhungsgesetz", das letztlich die Arbeitskosten steigen ließe. Die Erklärung der Ministerin, das Hauptproblem der GKV sei mangelnde Qualität, wertete er als "Unverschämtheit" und eine "Beleidigung der Beschäftigten im Gesundheitssystem".

Er prognostiziert zudem, dass Schmidt "als erste Ministerin in der Geschichte der deutschen Gesundheitspolitik überhaupt drei Negativziele gleichzeitig" erreichen werde: "Die Qualität der medizinischen Versorgung wird sinken, die wirtschaftlichen Grundlagen vieler Leistungserbringer werden zerstört werden und die Beiträge werden gleichwohl steigen".

Verständnis zeigte der Unionspolitiker für die Sorgen der Leistungserbringer, die Schmidt als "unverantwortliche Panikmache" und der Bundeskanzler als "Gejammere" bezeichne. Er sei überzeugt, "dass die Menschen in diesem Lande zu einer Erneuerung, zu Reformen bereit sind." Sie jammerten lediglich, weil sie noch nie so "stümperhaft regiert" worden seien.

Grüne: Notprogramm, das keine Begeisterung erwarten lässt

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Birgitt Bender erklärte, von denjenigen, die zum Sparen herangezogen werden, sei sicherlich "keine Begeisterung zu erwarten". Wenn man die Klagen der einzelnen Leistungserbringer höre, sehe man aber auch, "wie schwer es in Deutschland ist, nicht alles allen zu geben und nicht allen alles zu lassen". Es handle sich klar um ein Notprogramm. In einigen Bereichen habe man im Beratungsprozess nachgebessert, so sei etwa "bei den Apothekern die Rabattstaffelung und das Inkassoverfahren bei gleicher Einsparungssumme vereinfacht worden".

FDP: Strukturreform sofort nötig

Heinrich L. Kolb, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, warf Schmidt vor, sie "kneife" vor den "längst überfällige Strukturreformen". Es sei "frustrierend, diesen Kleinmut und diesen Aktionismus zu beobachten, die die rot-grüne Politik dominieren, wo der große Wurf und die strukturelle Reform vonnöten wären". Das Beitragssatzsicherungsgesetz sei nichts anderes als eine "schriftliche Kapitulationserklärung" angesichts der Finanzprobleme der Renten- und der Krankenversicherung.

Heilberufler Apotheker zum Inkassounternehmer gemacht

Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Annette Widmann-Mauz bezeichnete Schmidt als "Ministerin für Gesundheit und totale soziale Verunsicherung", die mit ihrer "Investitions- und Arbeitsplatz-Stopp-Politik" die zukunftsträchtige Jobmaschine Gesundheit gefährde.

Mit dem "Wortbruch gegenüber den Arzneimittelherstellern und Apotheken und ihrem Aktionismus in der Pharmapolitik" habe Schmidt "das Investitionsklima nachhaltig verschlechtert". Die Unionspolitikerin hielt der Ministerin zudem vor, aus dem Heilberuf Apotheker einen Inkassounternehmer zu machen und das Gesundheitswesen kontinuierlich weiter zu "verbürokratisieren".

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