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Das Vorschaltgesetz, unter Apothekern inzwischen Apothekenabschaltgesetz genannt, steckt voller Widersprüche. Dazu gehört die Annahme, der Großhandel werde seinen Einsparanteil nicht an die Apotheken abwälzen. Für die Praxis ebenso belastend sind die chaotischen Abrechnungsmodalitäten, durch die mühsam geschaffene Verfahrensweisen bei Krankenkassen, Abrechnungsstellen und Verbänden über Nacht zu Altpapier und Datenschrott würden.

Während der jüngsten Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbandes Niedersachsen stellte sich bei einem Vortrag des gesundheitspolitischen Referenten der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Schmidt, zudem heraus, dass die Daten des Gesundheitsministeriums und der ABDA über die Wirtschaftslage der Apotheken teilweise weit auseinander liegen. Das rangiert neudeutsch alles unter "handwerklichen Fehlern", die bei einem eilbedürftigen Gesetz nun einmal passieren. Soll etwa die Existenz vieler Apotheken durch einen Rechenfehler der Bundesregierung zerstört werden?

Doch bei der Grundidee des Gesetzes sieht es nicht besser aus: Denn die Bundesregierung ist angetreten mit dem Versprechen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dafür sollen die Lohnnebenkosten sinken. Andererseits hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen schon vor fünf Jahren ermittelt, dass eine Beitragsmark im Gesundheitswesen mehr Arbeitsplätze schafft als sie im verarbeitenden Gewerbe oder an anderer Stelle kostet. Das bleibt auch in Euro gültig und ist keineswegs verwunderlich, denn im Gesundheitswesen arbeiten Menschen, anderswo meist Maschinen.

Wie kann es sein, dass solche einfachen Zusammenhänge ignoriert werden? Da ist es verständlich, wenn viele das neue Gesetz einfach für Unsinn halten. Doch ist es das keineswegs. Es lässt sich durchaus eine Logik darin entdecken. Industrie und Krankenhäuser kommen vergleichsweise ungeschoren davon, denn hier haben die Gewerkschaften mitzureden, die sich in der SPD zu positionieren wissen. Den Freiberuflern geht es dagegen an die Substanz, weil die dort keine Lobby haben.

Liegt die Rettung in einer mächtigen Gewerkschaft, damit auch Arbeitsplätze in der Apotheke wieder politisches Gewicht erhalten? Nach dem Prinzip von Macht und Gegenmacht ist dies immerhin ein Lösungsansatz. Wie mittlerweile zu hören ist, wird der auch verfolgt. So soll es Gespräche zwischen dem BVA und einer großen Gewerkschaft gegeben haben. Allerdings hält sich das Interesse an den potenziellen neuen Mitgliedern auf Gewerkschaftsseite wohl noch in Grenzen. Wer möchte sich schon mit beliebten und engagierten Freiberuflern anlegen? Eine Apothekenlandschaft mit Ketten und Konzernen böte bessere Möglichkeiten zur Profilierung für eine Gewerkschaft.

In die gleiche Richtung weisen die Ideen, die Peter Schmidt als Ansätze für die "große" Reform des Jahres 2004 durchblicken ließ: Versandhandel, Netzstrukturen und eine Arzneimittelpreisverordnung mit Höchst- statt Festaufschlägen. Dann können nur noch die großen Player mithalten. Das würde zugleich erklären, warum die Politik noch nicht auf die ABDA-Vorschläge zur Drehung der Preisverordnung eingegangen ist. Warum noch drehen, was man sowieso abschaffen will? Weitere Hintergründe zum Ab- oder Vorschaltgesetz und welche neuen Konzepte die 2004-Reform sonst noch bringen soll, finden Sie in unserem ausführlichen Bericht über die LAV-Versammlung in Hannover.

Überhaupt verdient Niedersachsen das besondere Augenmerk der Apotheker. Denn dort sind die neuen Ideen der Apothekerschaft für die künftige Versorgung schon vergleichsweise weit entwickelt. Nun gilt es, den gut gewählten und medienwirksamen Begriff der Hausapotheke mit Inhalt zu füllen und in die Öffentlichkeit zu transportieren.

Noch interessanter ist Niedersachsen aber durch ein anderes Ereignis: Dort wird am 2. Februar ein neuer Landtag gewählt. Für eine gute Stimmung im Land dürfte die SPD-Landesregierung ihren Einfluss in Berlin geltend machen. Darum ist vielleicht noch nicht alles verloren. Gedankt sei dem Föderalismus!

Thomas Müller-Bohn

Vorschalten, abschalten – und was kommt dann?

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