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Versandhandel mit Arzneimitteln – pro und kontra, weshalb und wie

Auf der Semestertagung des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) am 2. November in Saarbrücken fand eine Podiumsdiskussion zum Thema "Versandhandel mit Arzneimitteln" statt. Unter der Moderation des Studenten Christian Fehske erläuterten Hermann Ringenaldus, Geschäftsführer der Phagro, Elmar Esser, Pressesprecher der ABDA, und Dr. Thomas Kerckhoff, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher VersandapothekerInnen (BVDVA), ihre Standpunkte zu diesem Thema.

Drei Personen, zwei Standpunkte

Die drei Referenten auf dem Podium vertraten zwei fest etablierte Größen im Gesundheitswesen und einen Neuling. Die Phagro ist der Dachverband sämtlicher pharmazeutischer Großhändler Deutschlands, die sich als verlässlicher Partner der Offizinapotheker versteht. Ringenaldus lobte das gegenwärtige Apothekensystem mit dem Verbot von Fremd- und Mehrbesitz und betonte, dass die Phagro-Mitglieder die niederländische Versandapotheke DocMorris nicht beliefern.

Der Standpunkt der ABDA zum Thema "Versandhandel mit Arzneimitteln" ist klar: Sie hat erst kürzlich die Initiative pro Apotheke, die auch vom BPhD tatkräftig unterstützt worden ist, koordiniert und damit die Bevölkerung für die Gefahren, die sich aus dem Versandhandel ergeben, sensibilisiert.

Als innovatives Element im angeblich verkrusteten Gesundheitsmarkt versteht sich dagegen der BVDVA. Dieser Verband umfasst zurzeit zehn Mitglieder, die öffentliche Apotheken mit vollem Sortiment betreiben und auch am lokalen Nachtdienst teilnehmen, aber den Versand als zusätzlichen Vertriebsweg für Arzneimittel anstreben. Diese Art von Versandapotheke habe mit Unternehmen vom Schlage DocMorris nichts gemeinsam, Vorbild sei vielmehr die schweizerische MediService AG. Nach Kerckhoffs Meinung bietet der Versandhandel insgesamt mehr Chancen als Risiken, auch für Apotheker.

Bei Versand weniger Arzneimittelsicherheit?

Ringenaldus verwies auf das hohe Sicherheitsrisiko, wenn Arzneimittel mit der Post zugestellt werden. Oft sei der Empfänger nicht zu Hause und könne die Sendung nicht persönlich in Empfang nehmen; die Ware werde dann möglicherweise unsachgemäß gelagert, oder sie sei anderen Personen zugänglich, was bei verschreibungspflichtigen Präparaten auf keinen Fall zu akzeptieren sei.

Dem hielt Kerckhoff entgegen, dass sich der Versandhandel in der Schweiz auch hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit bereits bewährt habe: Dort versende die MediService AG etwa 300 000 Arzneipackungen jährlich, ohne dass es Probleme gegeben habe; z. B. werde dort auch die Kühlkette beim Versand eingehalten. In Deutschland erarbeite der BVDVA gegenwärtig zusammen mit der Deutschen Post AG ein Konzept, das auch hier die Unversehrtheit hochgradig empfindlicher Arzneimittel beim Versand gewährleisten soll.

Esser vertrat den Standpunkt, dass von Arzneimittelsicherheit im umfassenden Sinne erst die Rede sein könne, wenn der Patient auch fachgemäß beraten werde. Die elektronische Bestellung von Arzneimitteln und deren Hauszustellung lehnte er keineswegs aber, aber er betonte, dass die Zustellung durch pharmazeutisches Personal erfolgen müsse.

Wie ist die Beratungsqualität der Apotheken?

Daraufhin entzündete sich die Diskussion an der Frage, wie gut der Patient in der Apotheke werde. Kerckhoff berief sich darauf, dass einige Apotheken beim Test ihrer Beratung sehr schlecht abgeschnitten hätten, und stellte in Frage, dass chronisch Kranke noch einen Beratungsbedarf hätten. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten liege die Verantwortung ohnehin beim Arzt und nicht beim Apotheker. Zudem meinte Kerckhoff, dass sein Verband ein Home Service Konzept entwickle, das eine pharmazeutische Beratung am Krankenbett ermöglichen soll.

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt, der im Plenum an der Diskussion teilnahm, nannte die Ansicht, so genannte Chroniker brauchten keine Beratung mehr, zynisch und menschenverachtend. Im übrigen seien die Testkäufe in Apotheken ausgewählte Negativbeispiele, die nicht repräsentativ sind für die Arbeit, die die Apotheken gerade bei der Betreuung von chronisch Kranken wie z. B. Diabetikern kontinuierlich leisten.

Lohnt sich der Versandhandel finanziell?

Wie sowohl Ringenaldus als auch Esser ausführten, spielt der Versandhandel in den EU-Staaten, in denen er erlaubt ist, d.h. in den Niederlanden und in Großbritannien, kaum eine Rolle, und in den USA ist sein Anteil am Arzneimittelumsatz von einst 20% auf derzeit 13% gesunken.

Esser meinte, die wohnortnahe Versorgung sei die ökonomischste Form der Arzneimitteldistribution, und auch eine hohe Apothekendichte würde die Arzneikosten nicht in die Höhe treiben, weil diese ja vom Verordnungsverhalten der Ärzte abhängen. Die Frage, wie sich der Versandhandel überhaupt lohnen könne, beantwortete er so: nur durch die Beschränkung auf wenige hochpreisige Präparate, d. h. durch "Rosinenpickerei".

Ringenaldus kritisierte, dass bestimmte Krankenkassen ihre Versicherten zur Bestellung bei Internetapotheken motivieren, indem sie ihnen finanzielle Anreize wie den Erlass der Rezeptgebühr bieten. Leider wolle die Bundesregierung deren Praxis legalisieren. Er verwies auf die Projektstudie "Versandapotheke", die das Internationale Institut für empirische Sozialökonomie (INIFES) unter Leitung des SPD-Bundestagsabgeordneten Prof. Martin Pfaff entwickelt hat. Demnach sollen Versandapotheken vor allem chronisch Kranke und immobilen Patienten versorgen, während die Akutversorgung weiterhin ausschließlich der Präsenzapotheke obliegen würde.

Auch Kerckhoff schätzte das Potenzial des Arzneimittelversandhandels eher gering ein und meinte, dass sein Verband gar nicht an der Aufnahme neuer Mitglieder interessiert sei. Eine Versandapotheke würde etwa den fünf- bis zehnfachen Umsatz einer durchschnittlichen Apotheke erzielen und aufgrund dessen höhere Rabatte sowohl vom Großhandel als auch von der Industrie erhalten; nur dadurch rechne sich das Modell.

Droht ein Kahlschlag?

Wie Esser darlegte, stellt der Versandhandel für sich allein keine Bedrohung für unser Apothekenwesen dar. Doch wenn das Versandhandelsverbot falle, würde aus rechtlichen Gründen – Prinzip gleicher Wettbewerbsbedingungen in der EU – auch das Verbot von Fremd- und Mehrbesitz fallen, sodass die herkömmliche Apotheke durch Apothekenketten verdrängt würde. Erst durch diesen Domino-Effekt würde sich unsere Apothekenlandschaft total verändern, man müsse mit einer Art Kahlschlag rechnen. Die flächendeckende Versorgung auf dem Lande sei dann nicht mehr gegeben.

Auch die Pharmaziestudierenden warnten davor, dass dieses Szenario Wirklichkeit werden könnte. Ihrer Meinung nach ist der gut erreichbare Apotheker vor Ort unverzichtbar für ein gut funktionierendes Gesundheitswesen. Aus dieser Überzeugung beziehen sie schließlich die Motivation für ihr Studium.

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Die Hardware Arzneimittel kommt erst durch die Software Beratung zum optimalen Einsatz. Elmar Esser

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Die Fackel, die hier vorneweg gehalten wird, leuchtet gar nicht so hell. Dr. Thomas Kerckhoff zur Beratungsqualität der Apotheken

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Die Krankenkassen kaufen den Patienten das Recht ab, sich in Apotheken beraten zu lassen. Hermann Ringenaldus

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