Arzneimittelkontrolle

F. Jung, M. Scherges, P. FürstIllegale und gefälsc

Das Wachstumshormon Somatropin wird u. a. in der Bodybuildingszene illegal als Dopingmittel zum Muskelaufbau eingesetzt. Außerhalb der regulären Vertriebswege kommen dabei häufig Präparate von zweifelhafter Herkunft mit erheblichen Qualitätsmängeln zum Einsatz. In den letzten Jahren wurden von uns neben Präparaten mit in der EU nicht zugelassenen Somatropin-Varianten und gefälschten Präparaten, die anstelle des deklarierten rekombinanten Wachstumshormons r-hGH das Schwangerschaftshormon hCG enthielten, weitere illegal gehandelte Präparate untersucht, die Wachstumshormon aus menschlichen Hypophysen (Hirnanhangdrüsen) enthielten. Vor dem Hintergrund von mehr als 50 nachgewiesenen Fällen der Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch kontaminierte Wachstumshormonpräparate Anfang der 80er-Jahre [1 Ų 4] muss vor dem Gebrauch solcher Präparate dringend gewarnt werden [5 Ų 9].

Biosynthese von Somatropin

Das menschliche Wachstumshormon Somatropin (human growth hormone, hGH) ist ein nicht-glykosyliertes Proteinhormon mit einer Kettenlänge von 191 Aminosäuren und einer molekularen Masse von ca. 22 kD. Die Tertiärstruktur des Proteins wird durch zwei Disulfidbrücken stabilisiert (Abb. 1).

Die endogene Synthese und Freisetzung erfolgt im Hypophysen-Vorderlappen unter der Kontrolle von Hypothalamuspeptidhormonen. Endogenes Somatropin wird zunächst als Prä-Hormon mit 217 Aminosäuren Kettenlänge synthetisiert, von dem ein Signalpeptid mit 26 Aminosäuren bei der Sekretion abgespalten wird [10].

Das Gen für das Hormon umfasst fünf codierende Abschnitte (Exons). Die nicht codierenden Abschnitte (Introns) des Primärtranskriptes werden bei dessen Weiterverarbeitung entfernt [11]. In der Mehrzahl der Fälle resultiert daraus eine mRNA, die für das vollständige Wachstumshormon mit einer Kettenlänge von 191 Aminosäuren und einer Masse von ca. 22 kD (22-kD-hGH) codiert.

Ein gewisser Anteil der prä-mRNA unterliegt jedoch alternativen Spleißprozessen. Es entsteht hierbei unter anderem eine um 45 Nucleotide verkürzte Variante der mRNA, die nach Translation in die entsprechende Proteinsequenz zu einer Variante des Wachstumshormons führt, bei der die Aminosäuren in Position 32 – 46 fehlen (Abb. 2). Das resultierende 20-kD-hGH entsteht nicht bei der gentechnischen Herstellung, die bereits vom fertig gespleißten Gen ausgeht. Es kann daher als Marker zur Identifizierung von aus menschlichen Hypophysen gewonnenen Wachstumshormonpräparaten herangezogen werden [11 – 12]. Tabelle 1 gibt einen Überblick über verschiedene Wachstumshormone.

Pharmakologische Bedeutung

Die Wirkung von Wachstumshormon wird durch Bindung an den Wachtumshormonrezeptor, ein Transmembranprotein, vermittelt [14]. Das Hormon-Signal wird durch Dimerisierung des Rezeptors und nachfolgende Signaltransduktion über verschiedene Phosphorylierungsschritte ins Zellinnere weitergeleitet [15, 16].

In der Leber wird unter der Einwirkung von Wachstumshormon der insuline like growth factor 1 (IGF-1, Somatomedin C) freigesetzt, der einen Teil der Wachstumshormonwirkung vermittelt. Durch direkte und indirekte Einwirkung von Somatropin kommt es zu wachstumsfördernden Effekten auf Knochen und Skelettmuskeln und zu einem Anstieg der Proteinbiosynthese, verbunden mit verstärktem Abbau von Fett. Der Einsatz von Wachstumshormon führt außerdem zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels [10].

Gentechnische Herstellung

Vor der Einführung gentechnischer Methoden zur Gewinnung rekombinanter Proteine wurde menschliches Wachstumshormon durch Extraktion von Hypophysen aus Leichenmaterial gewonnen. Wegen des Risikos der Übertragung von Infektionskrankheiten, wie der den Prionkrankheiten zugerechneten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD), wurden aus menschlichen Hypophysen gewonnene Wachstumshormonpräparate in Deutschland Mitte der 80er-Jahre vom Markt genommen [17]. Seitdem werden legal in Deutschland vertriebene Wachstumshormonpräparate nur noch gentechnisch hergestellt.

Die gentechnische Produktion erfolgt in der Regel mit Hilfe von E. coli. Eine Ausnahme stellt das Präparat Saizen® von Ares-Serono dar, das aus der Maus-Zelllinie C127 gewonnen wird. Durch die kontrollierte gentechnische Herstellung der zugelassenen Präparate kann ausgeschlossen werden, dass sie die Patienten mit der CJD infizieren.

Therapeutischer Einsatz

Auf dem deutschen Arzneimittelmarkt befinden sich zurzeit regulär zugelassene Wachstumshormonpräparate der Firmen Lilly (Humatrope®), Pharmacia (Genotropin®), NovoNordisk (Norditropin®), Ferring (Zomacton®) und Ares-Serono (Saizen®). Die genannten Präparate enthalten als Wirkstoff gentechnisch hergestelltes, naturidentisches humanes Wachstumshormon der Masse von ca. 22 kD (r-hGH).

Sie sind zugelassen für die Behandlung von Minderwuchs bei Kindern vor Abschluss der Wachstumsphase bzw. zur Substitutionstherapie bei Erwachsenen mit nachgewiesenem Wachstumshormonmangel. Ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei bestimmungsgemäßer Anwendung sind durch das durchlaufene Zulassungsverfahren und die kontrollierte Herstellung unter GMP-Bedingungen gewährleistet. Die Applikation erfolgt als Dauertherapie wöchentlich in Form von intramuskulären oder subkutanen Injektionen.

Illegaler Einsatz bei Sport und Bodybuilding

Somatropin eignet sich insbesondere in Kombination mit niedrig dosierten anabolen Steroiden anscheinend hervorragend als Dopingmittel zur Umwandlung von Fett- in Muskelmasse (Abb. 3) und erfreut sich zusammen mit Erythropoietin bzw. Epoetin (EPO) in der Dopingszene offenbar zunehmender Beliebtheit [18 – 20]. Auch im Bereich des Freizeitsports kommen neben anderen leistungsfördernden Medikamenten Wachstumshormonpräparate zum Einsatz [23].

Ähnlich wie das EPO-Doping war Wachstumshormon-Doping bis vor kurzem kaum nachzuweisen, da es sich im Gegensatz zu den meisten anabolen Steroiden um ein naturidentisches Hormon handelt [21]. Erst in jüngster Zeit wurde von einer Münchner Forschergruppe ein entsprechendes Nachweisverfahren entwickelt [22]. Die Methode basiert auf monoklonalen Antikörpern, die zwischen den beiden im Blutkreislauf zirkulierenden endogenen hGH-Varianten unterscheiden können. Die Bestimmung des Verhältnisses des 22-kD-hGH zum Gesamt-hGH im Serum gestattet den Nachweis des Dopings mit dem gentechnisch hergestellten r-hGH in einem Zeitfenster von 36 Stunden nach Applikation. Es sind daher engmaschige Trainingskontrollen mit Abnahme von Blut erforderlich, um Wachstumshormon-Doping sicher zu verhindern. Als billige Alternative zu den teuren zugelassenen Präparaten werden insbesondere in der Bodybuildingszene auch illegale Wachstumshormonpräparate gehandelt, die in Deutschland nicht zugelassen sind.

Einsatz als Lifestyle-Droge: Anti-Aging und Anti-Obesity

Insbesondere in den USA wird Somatropin außerhalb der zugelassenen Indikationsgebiete als Lifestyle-Droge eingesetzt, die verjüngen und schlank machen soll. Die entsprechenden Privatkliniken bedienen die gut situierte Klientel z. B. aus Hollywood [24]. Ein klinisch relevanter funktioneller Nutzen einer solchen Substitutionstherapie konnte allerdings bislang nicht belegt werden [25].

Material und Methoden

Herkunft von Proben und Referenzsubstanzen Schwarzmarkt-Proben aus der Bodybuilder- und Dopingszene wurden uns von einem Journalisten zur Verfügung gestellt [26] bzw. von verschiedenen Zollfahndungsstellen und Arzneimittel-Überwachungsbehörden zur amtlichen Untersuchung vorgelegt.

Referenzmaterial für rekombinantes humanes Somatropin (chemical reference substance: CRS) und für Somatropin aus Hypophysenextrakten (biological reference product: BRP) stammten vom European Directorate for the Quality of Medicines (EDQM), Straßburg, bzw. vom National Institute for Biological Standards and Control (NIBSC), South Mimms, Potters Bar, GB [27]. Humanes Choriongonadotropin (hCG) aus Schwangerenurin wurde von Fa. Sigma, Deisenhofen, bezogen. Als hCG-haltiges Vergleichspräparat wurde Pregnyl® der Firma Organon verwendet.

Untersuchungsmethoden

Peptide mapping Die tryptische Peptidkartierung wurde in Anlehnung an die Somatropin-Monographie des Europäischen Arzneibuchs durchgeführt [28]. Ca. 2 mg Somatropin wurden in 1 ml Trometamolacetat-Pufferlösung pH 8,5 R gelöst, mit 15 µl einer 0,2%igen Trypsin-Lösung (Trypsin zur Proteinsequenzierung R) versetzt und für 4 Stunden bei einer Temperatur von 37 °C inkubiert. Die Trennung der resultierenden Peptid-Bruchstücke erfolgte anschließend durch reversed-phase HPLC auf einer LiChrosorb RP-8 Säule (5 µm Partikelgröße, Dimension 4,0 mm x 250 mm, Merck, Darmstadt) bei einer Säulentemperatur von 35 °C.

Das Injektionsvolumen betrug 100 µl. Als mobile Phase wurde ein Wasser/Acetonitril-Gradient mit 0,1% Trifluoressigsäure (TFA) bei einer Flussrate von 1,0 ml verwendet. Gradientenbedingungen: Fließmittel A: 0,1% (G/V) TFA in Wasser. Fließmittel B: 0,1% (G/V) TFA, 10% (V/V) Wasser, 90% (V/V) Acetonitril. Gradientenprogramm siehe Tabelle 2.

Die UV-Detektion erfolgte bei einer Wellenlänge von 214 nm. Der Anstieg der Basislinie wurde durch Subtraktion des Chromatogramms des Blindwerts (Trometamolacetat-Puffer) von den Chromatogrammen der Standard- und Probenlösungen korrigiert. Die Untersuchungen wurden mit einem HPLC-System der Firma Shimadzu (Pumpe LC10, ternärer Hochdruckgradient, SPD-M10A Dioden-Array-Detektor) durchgeführt.

Reversed-phase HPLC Die reversed-phase HPLC zur Bestimmung von Identität und Reinheit des Somatropins erfolgte nach der von Riggin entwickelten Methode [29] in Anlehnung an die Testvorschrift für "Verwandte Proteine" der Somatropin-Monographie [28] auf einer Jupiter C4-Säule (Dimension 4,6 mm x 250 mm, Partikelgröße 5 µm, Porengröße 300 Å, Phenomenex, Aschaffenburg). Als mobile Phase wurde 1-Propanol / 50 mM Tris pH 7,5 bei einer Flussrate von 0,5 ml/min eingesetzt. Die Detektion erfolgte bei 220 nm. Es wurde ein HPLC-System der Firma Merck-Hitachi mit Gradientenpumpe L-6200, Autosampler AS-2000 und Dioden-Array-Detektor L-4500 verwendet.

SDS-PAGE Die denaturierende SDS-Polyacrylamidgelelektrophorese zur Identitätsbestimmung und zur Charakterisierung des Protein-Verunreinigungsprofils wurde nach dem Verfahren von Lämmli [30] durchgeführt. Es wurden Ready Gel Gradientengele 4 bis 15% der Firma Bio-Rad verwendet. Die Färbung erfolgte mit Coomassie Blau. Die Auswertung erfolgte über ein kalibriertes Densitometer GS710 mit der Software Quantity One der Firma Bio-Rad.

IEF Die Isoelektrische Fokussierung wurde auf Clean Gel IEF Fertiggelen der Firma Amersham Pharmacia Biotech in Anlehnung an die Ph.Eur.-Monographie [28] durchgeführt. Die Gele wurden mit Coomassie Blau gefärbt und anschließend getrocknet. Die Auswertung erfolgte über ein kalibriertes Densitometer wie oben beschrieben.

ESI-Massenspektrometrie Mit Hilfe der Elektrospray-Ionisations-Massenspektrometrie wurde das Molekulargewicht der Haupt-Proteinkomponenten mit einer Auflösung von <1 D bestimmt. Es wurde ein Triple-Quadrupol-Gerät (Micromass Quattro II, Fa. Micromass) eingesetzt. Die Ionisation wurde im positive mode durchgeführt. Zur Probenvorbereitung wurde die zu untersuchende Substanz in einer Konzentration von ca. 50 bis 100 ppm in einem Wasser/Acetonitril/Ameisensäure-Gemisch gelöst. Die so hergestellte Probenlösung wurde ohne chromatographische Trennung mittels flow injection der Ionenquelle des Massenspektrometers zugeführt.

MALDI-TOF-Massenspektrometrie Die MALDI-TOF-Massenspektrometrie wurde extern auf einem Voyager-DE STR MALDI-MS Gerät (PE-Biosystems) durchgeführt. Ein kleiner Teil der Probe wurde in Wasser gelöst, 0,3 µl der Lösung wurden mit 0,3 µl Matrix (gesättigte Lösung von Sinapinsäure in 30% Acetonitril, 0,1% TFA) auf dem Target gemischt und luftgetrocknet. Die Messung erfolgte im positiven Linear-Modus mit delayed extraction (750 ns), einer Beschleunigungsspannung von 25 000 V, 100 laser shots pro Spektrum und einem Massenbereich von 5000 bis 200 000 D.

Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen

Bei der Untersuchung von Proben mit der Bezeichnung "Somatogenum" in den Jahren 1996 bis 1998 waren Abweichungen vom authentischen Wachstumshormon erstmalig im peptide mapping aufgefallen. Nach enzymatischem Abbau des Proteins durch Trypsin und chromatographischer Auftrennung der Bruchstücke zeigte sich bei einer "Somatogenum"-Probe ein unterschiedliches Peakmuster im Vergleich zur Referenzsubstanz.

Beim Identitätstest durch reversed-phase HPLC (Identitätstest B der Arzneibuch-Monographie) waren bei der "Somatogenum"-Probe mehrere Peaks mit unterschiedlichen Retentionszeiten im Vergleich zur Somatropin-Referenzsubstanz zu beobachten. Bei der für Somatropin zu erwartenden Retentionszeit trat hingegen kein Peak auf.

Die Bestimmung der Molekularmasse durch LC-MS mit Elektrospray-Ionisation (ESI) ergab bei den Hauptpeaks der untersuchten Proben einen im Vergleich zur Referenzsubstanz deutlich niedrigeren Wert. Die beobachtete Massendifferenz von 147 D entsprach exakt der Masse eines Phenylalanins in der Peptidkette. Da sowohl der N-Terminus als auch der C-Terminus des Somatropins mit Phenylalanin beginnt [13] und auch innerhalb der Peptidkette mehrere Phenylalanin-Bausteine vorkommen, war eine Sequenzierung erforderlich, um die exakte Position der Deletion zu bestimmen.

Glücklicherweise lieferte bereits die Sequenzierung des N-Terminus die benötigte zusätzliche Information. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Wirkstoff der untersuchten Präparate um des-Phe¹-Somatropin handelte, bei dem im Vergleich zum 22-kD-hGH mit 191 Aminosäuren die erste (N-terminale) Aminosäure fehlt [31].

Neben der reversed-phase Chromatographie lieferten damals auch die beiden elektrophoretischen Verfahren SDS-PAGE und IEF eindeutige Hinweise auf proteolytischen Abbau und andere Proteinabbauprodukte, die durch Desamidierung und S-Oxidation von Aminosäurenseitenketten z. B. bei unsachgemäßer Lagerung entstehen können. Die Anforderung der Arzneibuchmonographie in den Tests auf verwandte Proteine und beim IEF-Test waren nicht erfüllt.

Das Fehlen des für Hypophysenextrakte charakteristischen 20-kD-hGH ließ jedoch den Schluss zu, dass es sich bei den in den Jahren 1996 bis 1998 untersuchten Proben nicht um Material aus menschlichen Hypophysen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit um gentechnisch hergestelltes Material gehandelt hatte.

Ergebnisse neuerer Untersuchungen

Probe mit der Bezeichnung "Somatogenum" Die Untersuchung durch Elektrospray-Massenspektrometrie ergab, dass es sich auch bei der hier im Jahre 1999 untersuchten Probe (Abb. 4) um den gentechnisch gewonnenen Wirkstoff des-Phe1-Somatropin handelte: Während bei der Referenzsubstanz (CRS) die durch ESI-Massenspektrometrie ermittelte mittlere molekulare Masse von 22125,8 ± 0,5 D sehr gut mit dem aus der Aminosäurensequenz unter Berücksichtigung der zwei intramolekularen Disulfidbrücken berechneten Erwartungswert von 22125 D übereinstimmte, lieferte die "Somatogenum"-Probe wiederum ein Signal bei einer deutlich niedrigeren Masse (21978,1 ± 0,3 D, Massendifferenz: ca. 147 D), wie es für des-Phe1-Somatropin zu erwarten ist (Abb. 5). Auf eine weitere Untersuchung z. B. durch peptide mapping oder reversed-phase HPLC konnte daher verzichtet werden.

Im Gegensatz zu den in den vorangegangenen Jahren untersuchten Proben mit der Bezeichnung "Somatogenum" entsprachen die Ergebnisse der Reinheitsprüfungen mittels IEF und SDS-PAGE bei der hier untersuchten Probe den Anforderungen des Arzneibuchs an Somatropin. Sowohl im IEF als auch bei der SDS-PAGE zeigte die Probe nur eine Hauptbande im erwarteten pH- bzw. Molekularmassenbereich. Es ergaben sich keine Hinweise auf Protein-Abbauprodukte. Offenbar handelte es sich bei der hier untersuchten Probe um ein proteinchemisch betrachtet recht sauberes, unzersetztes Produkt.

Proben mit der Bezeichnung "Corpormon"

Bei der Untersuchung der Proben mit der Bezeichnung "Corpormon" (Abb. 6) verlief der Identitätstest auf Somatropin über Reversed-phase HPLC negativ (Abb. 7). Anstelle des zu erwartenden Peaks bei einer Retentionszeit von ca. 30 Minuten waren mehrere Peaks bei sehr kurzen Retentionszeiten von 5 bis 8 Minuten zu beobachten.

Eine Internet-Recherche mit dem Suchbegriff "Corpormon" lieferte Hinweise aus der Bodybuildingszene, dass das Präparat Corpormon offenbar häufig als Fälschung mit dem Wirkstoff hCG anstelle des deklarierten rekombinanten Somatropins in den Schwarzmarkt gelangt. Der Verdacht bestätigte sich bei den hier untersuchten Proben. Ein in entsprechender Verdünnung durchgeführter konventioneller Schwangerschaftstest zum hochselektiven immunologischen Nachweis von hCG war bei beiden Proben positiv. Das Ergebnis wurde durch SDS-PAGE (Abb. 8) bestätigt. Beide "Corpormon"-Proben ergaben zwei für die alpha- und beta-Untereinheit von hCG charakteristische Banden.

Probe mit der Bezeichnung "Somatotropin ...OBEKA, Fa. Endokrininai"

Nach der Isoelektrischen Fokussierung traten bei der untersuchten Probe (Abb. 9) neben der Hauptbande bei pH 5,2 mehrere intensive Nebenbanden im pH-Bereich von 4,6 bis 5,2 auf. Auch bei der aus Hypophysen gewonnenen älteren Vergleichssubstanz (BRP) waren ähnliche Nebenbanden zu beobachten. Die Nebenbanden sind wahrscheinlich auf die Hydrolyse von Asparagin- und Glutamin-Seitenketten des Proteins zu den entsprechenden Desamido-Formen zurückzuführen. Durch die Umwandlung der Säureamidgruppen in Carbonsäuregruppen verschiebt sich der isoelektrische Punkt des Proteins in den sauren Bereich.

Bevorzugte Angriffspunkte für den hydrolytischen Abbau sind die exponierten Säureamidgruppen von Asparagin in Position 149 und 152 der Polypeptidkette [32, 33]. Die Forderung der Arzneibuchmonographie, wonach keine Nebenbande mit einer Intensität von mehr als 6,25% der Intensität der Hauptbande auftreten darf, war somit bei dem vorliegenden Präparat nicht erfüllt.

Bei der Prüfung auf verwandte Substanzen mittels reversed-phase HPLC war zwar ein Peak bei der Retentionszeit von Somatropin zu sehen, es traten jedoch mehrere intensive Nebenpeaks mit kürzeren Retentionszeiten auf (Abb. 10). Auch hier war die Reinheitsanforderung der Arzneibuch-Monographie (Summe der Peakflächen der Nebenpeaks < 13%) nicht erfüllt.

Mittels ESI-Massenspektrometrie konnte der Wirkstoff Somatropin durch die massenspektrometrische Detektion des Molekülions bei der erwarteten Masse von 22 125 D eindeutig in der Probe nachgewiesen werden (Abb. 11). Die zusätzlich beobachteten intensiven Signale bei 22 224 D und bei 22 322 D und das insgesamt recht unsaubere Massenspektrum wiesen allerdings auf Verunreinigungen durch Begleitproteine und Zersetzungsprodukte hin.

Bei der Untersuchung durch SDS-Polyacrylamidgelelektrophorese (Abb. 12) zeigte die Probe neben der Hauptbande bei 22 kD zahlreiche deutliche Nebenbanden u. a. bei 20 kD und 44 kD. Das Muster der Proteinverunreinigungen war dem der aus Hypophysenmaterial gewonnenen Vergleichssubstanz (BRP) sehr ähnlich. Die Anwesenheit der 20-kD-Bande in der Probe bewies, dass es sich in der Tat um ein aus menschlichen Hypophysen gewonnenes Wachstumshormonpräparat handelte. Die Ergebnisse der SDS-PAGE konnten später durch die MALDI-TOF MS bestätigt werden.

Risiken wegen fehlender EU-Zulassung oder Verfälschung

Sämtliche bisher von uns untersuchten Proben mit der Bezeichnung "Somatogenum" enthielten den Wirkstoff des-Phe¹-Somatropin. Präparate mit diesem Wirkstoff sind als gentechnisch hergestellte Wachstumshormonpräparate der ersten Generation, analog z. B. zum Met-Somatropin, einzustufen. Als gentechnisch hergestellte Arzneimittel wären sie innerhalb der EU obligatorisch über die europäische Zulassungsbehörde EMEA in London zentral zuzulassen. Da eine entsprechende Zulassung nicht vorliegt, sind Präparate mit dem Wirkstoff des-Phe1-Somatropin derzeit in der EU nicht verkehrsfähig.

In Litauen und einigen anderen osteuropäischen Ländern ist ein Arzneimittel der Bezeichnung "Somatogenum-L 4 UI" der Firma Biofa mit dem Inhaltsstoff des-Phe1-Somatropin zur Behandlung von Wachstumsstörungen registriert [34]. Bei den auf dem Schwarzmarkt gehandelten Produkten mit der Bezeichnung "Somatogenum" könnte es sich somit sowohl um Originalprodukte aus osteuropäischen Ländern als auch um Fälschungen handeln. Eine Prüfung auf Sicherheit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hat innerhalb der EU nicht stattgefunden. Da die Herstellungsbedingungen nicht bekannt sind, kann ein Infektionsrisiko durch mögliche Kontamination mit pathogenen Keimen nicht ausgeschlossen werden.

In Japan (nicht aber in der EU) ist ein Fertigarzneimittel mit der Bezeichnung "Corpormon 4UI" der Firma Nikken mit gentechnisch hergestelltem Somatropin als Wirkstoff zugelassen. Bei den hier untersuchten Proben mit der Bezeichnung "Corpormon" handelt es sich offensichtlich um Fälschungen, die das Schwangerschaftshormon hCG enthielten. Durch den Austausch mit einem anderen verschreibungspflichtigen Wirkstoff sind diese Präparate als medizinisch besonders bedenklich zu beurteilen.

Infektionsgefahr nicht unterschätzen!

Unsere in den letzten Jahren durchgeführten Untersuchungen bestätigen, dass mehr als 15 Jahre nach Einführung der gentechnisch hergestellten Wachstumshormonpräparate auch heute noch Hormonpräparate aus menschlichen Hypophysen auf dem Schwarzmarkt in Deutschland im Umlauf sind.

Bei der Anwendung solcher Präparate besteht ein erhebliches Risiko der Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit [1 – 4] und möglicherweise anderer Infektionskrankheiten wie z.B. Hepatitis B und C. Da die Risiken in der Szene mittlerweile bekannt sein sollten, dürfte der geringere Preis dieser risikobehafteten Präparate der ausschlaggebende Faktor für deren Anwendung sein (s. Kasten). Dennoch kann vor dem Gebrauch solcher Präparate nur eindringlich gewarnt werden.

Kastentext: Lukrative Arzneimittelfälschungen

Wachstumshormonpräparate sind aufgrund des relativ hohen Preises und des weit verbreiteten illegalen Einsatzes außerhalb der zugelassenen Indikationsgebiete interessante Ziele für Arzneimittelfälschungen. In den USA wurde in jüngster Zeit über zwei gefälschte Somatropin-Präparate berichtet, die bis in die Regale amerikanischer Apotheken gelangt waren [35, 36].

In Deutschland sind gefälschte Somatropin-Präparate bisher nur im Bereich des Schwarzmarktes bekannt geworden [37]. Die Nachfrage regelt sich über den Preis: Während vier Einheiten eines solchen Schwarzmarktpräparates bereits für 40 bis 50 DM zu haben waren [19], kostete die gleiche Menge eines gentechnisch hergestellten und regulär zugelassenen Produktes das 4- bis 5fache (Rote Liste 2000). Über gefälschte Anabolikapräparate in der Bodybuildingszene wurde bereits in dieser Zeitschrift berichtet [38].

Danksagung:

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Bernhard Hoffmann und Herrn Dr. Helmut Brand für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie bei Frau Elisabeth Feller und bei Herrn Abdi Ismail für die sorgfältige Durchführung von experimentellen Arbeiten.

Kasten

Dr. Frank Jung studierte von 1984 bis 1990 Pharmazie und Chemie an der Universität Marburg und wurde 1994 im Fach Pharmazeutische Chemie an der Universität Kiel promoviert. Nach einem von der DFG geförderten Forschungsaufenthalt am Scripps Research Institute in La Jolla (San Diego, Kalifornien) war er bei der Fresenius Medical Care AG tätig. 1999 wechselte er zum Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes NRW in Münster. Hier ist er als Laborleiter in der amtlichen Arzneimitteluntersuchungsstelle sowie als Sachverständiger bei behördlichen GMP- und GLP-Inspektionen von Pharmazeutischen Betrieben tätig. Anschrift: Dr. F. Jung, LÖGD NRW, Abt. 6, von-Stauffenberg-Str. 36, 48151 Münster frank.jung@loegd.nrw.de

Dipl.-Ing. Michael Scherges studierte von 1986 bis 1990 Chemie in Wuppertal, von 1990 bis 1992 Chemie-Ingenieurwesen an der FH Münster. 1992 Diplomarbeit bei Wyeth-Pharma, 1993 Tätigkeit in verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen, seit 1994 ist er Mitarbeiter der Arzneimitteluntersuchungsstelle im LÖGD NRW.

Dr. Peter Fürst leitet die Abteilung Zentrale Analytik im Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt in Münster. Er ist international ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Dioxin-Analytik.

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Das Wachstumshormon Somatropin wird außerhalb seiner medizinischen Indikation auch illegal als Dopingmittel zum Muskelaufbau eingesetzt. Die in der Bodybuildingszene gehandelten Präparate sind jedoch nicht nur illegal, sondern häufig auch gefälscht. Teils wird ihr Wirkstoff aus menschlichen Hypophysen gewonnen, was das Risiko schwerster Infektionen birgt, teils enthalten sie andere Hormone. Der Beitrag erläutert biochemische Grundlagen, Methoden und Ergebnisse von Untersuchungen an drei Präparaten, die in den letzten Jahren sichergestellt wurden.

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