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Vorschaltgesetz: Forschende Arzneimittelhersteller werfen Regierung "Wortbruch"

BERLIN (ks). Das Erste-Hilfe-Sparpaket zur Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) trifft alle am Gesundheitswesen Beteiligten. Insgesamt sollen etwa 3,5 Mrd. Euro eingespart werden Ų der Anteil der Pharmaindustrie beträgt dabei rund 420 Mio. Euro. Die Hersteller sollen den Kassen für Arzneimittel ohne Festbetrag künftig "Großkundenrabatte" von 6 Prozent gewähren. Die Pharmaverbände werfen der Regierung vor, mit dem Vorschaltgesetz Arbeitsplätze zu gefährden und die Arzneimittelversorgung für die Patienten zu verschlechtern. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) spricht vom "Wortbruch" der Regierung.

Es hat eine Weile gedauert, ehe sich der VFA zum neuen Sparpaket der Bundesgesundheitsministerin äußerte. Offenbar wollte man zunächst nicht recht glauben, was sich dort anbahnte. Erst im November 2001 hatte der Verband mit der Bundesregierung ausgehandelt, einen "Solidarbeitrag" von rund 205 Mio. Euro an die GKV zu zahlen. Bedingung: Die Regierung verzichtet auf einen gesetzlich verordneten Preisabschlag im Rahmen des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes sowie weitere Preisregulierungen für festbetragsfreie verschreibungspflichtige Arzneimittel bis Ende 2003.

Doch nun sieht alles anders aus, Rot-Grün will sich erklärtermaßen nicht mehr von den Lobbygruppen einfangen lassen. Die Pharmaindustrie soll ebenso wie Apotheken und Großhändler Rabatte gewähren. Neben dem sechsprozentigen Kassenrabatt für Arzneimittel, die weder einem Festbetrag oder der Aut-idem-Regelung unterliegen, sollen Kassen und Hersteller künftig auch weitere umsatzbezogene Rabatte vereinbaren können. Weiterhin plant das Ministerium, für patentgeschützte Arzneimittel wieder Festbeträge einzuführen. Für den VFA ist dies ein klarer "Bruch der Solidarvereinbarung".

Pharmaindustrie in diesem Jahr schon überproportional belastet

Mit der "De-facto-Preissenkung" werden Investitionen und Arzneimittelforschung am Standort Deutschland "abgewürgt" erklärte der VFA-Vorstandsvorsitzende Bernhard Scheuble am 2. November. Das Gesetzesvorhaben signalisiere, dass hierzulande Patente "nichts wert" seien. Die Regierung nehme auf diese Weise den Verlust zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Kauf. Scheuble betonte, die pharmazeutische Industrie habe in diesem Jahr bereits einen "überproportionalen" Beitrag zur Entlastung der GKV geleistet.

Der "Solidarbeitrag", die neuen Festbeträge, die gesetzliche Förderung von Parallelimporten und die Einführung der Aut-idem-Regelung habe die Hersteller 2002 bereits mit rund einer Milliarde Euro belastet. Insgesamt bezeichnete der VFA-Vorstandsvorsitzende das Sparpaket der Regierung als "gleichermaßen inkonsequent wie konzeptionslos". Es wäre erforderlich gewesen, die sozialpolitischen Verschiebebahnhöfe zu beenden. Doch nun würden der GKV durch Änderungen bei der Arbeitslosenunterstützung abermals 700 Mio. Euro entzogen.

BPI: Vorschaltgesetz ist Sondersteuer für die Industrie

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) übte scharfe Kritik am Sparpaket. BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp erklärte, das Vorschaltgesetz stehe "im krassen Widerspruch zu den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarung". Hiernach sollten Investitionskraft und Leistungsfähigkeit gestärkt werden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Doch mit der "Sondersteuer für die Pharmaindustrie" werde der pharmazeutische Mittelstand "an die Wand gefahren".

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