Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Neue Therapieansätze bei Tumoranämie

Tumorpatienten leiden besonders häufig unter Anämien und damit einhergehenden Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen der Lebensqualität. Von einer wirksamen und dauerhaften Anhebung des Hb-Werts, wie sie heute durch rechtzeitige Applikation Erythropoese-stimulierender Faktoren möglich ist, profitieren anämische Tumorpatienten daher gleich in mehrfacher Weise. Für das Analogon des humanen Erythropoetin Darbepoetin alfa (Aranesp®) hat die europäische Arzneimittelbehörde jetzt die Zulassung zur Behandlung von Anämien bei erwachsenen Krebspatienten mit soliden Tumoren unter Chemotherapie erweitert. In Deutschland ist Darbepoetin alfa bereits zur Behandlung einer Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz bei Kindern ab elf Jahren und Erwachsenen zugelassen.

Bereits vor Therapiebeginn leiden 30 bis 40% der Patienten unter einer Tumor-assoziierten Anämie. Gerade in letzter Zeit werden aber auch immer häufiger teils schwere Therapie-bedingte Anämien beobachtet, da viele der heute üblichen dosisintensivierten Radio-Chemotherapien zwar die Ansprechraten und die Überlebensraten verbessern, auf der anderen Seite aber stark hämatotoxisch wirken und lebensgefährliche Neutropenien und Anämien auslösen können.

Schwere Begleiterkrankungen

Bei den oft älteren und häufig auch multimorbiden Tumorpatienten beeinträchtigen Anämien nicht nur den Allgemeinzustand und die Lebensqualität, vielfach kommt es auch zu schweren kardialen Begleiterkrankungen, wie Herzinsuffizienz, Angina pectoris oder Tachykardie. Störungen der Lungenfunktion können sich als Tachypnoe, Dyspnoe oder Lungenödem manifestieren; Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen verstärken die Gewichtsabnahme und die Antriebsschwäche vieler Tumorpatienten. Bei den meisten Patienten kommt es außerdem zu zentralnervösen Störungen, wie Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Abgeschlagenheit und Müdigkeit; diese können schließlich in eine tumorbedingte Erschöpfung, das sogenannte Fatigue-Syndrom, übergehen.

Körperliche und mentale Erschöpfung oft unterbewertet

Die tumorbedingte Fatigue bezeichnet einen Zustand der übermäßigen körperlichen und mentalen Erschöpfung ohne vorhergehende außerordentliche Anstrengung und ohne die Möglichkeit, durch Ausruhen eine ausreichende Erholung zu erreichen. Die meisten Patienten sind in ihrer Arbeitsfähigkeit deutlich eingeschränkt, viele Patienten können nicht einmal mehr ihren Alltag allein bewältigen, was wiederum zu Frustrationen und depressiven Verstimmungen führt und die Beziehungen zu Familienangehörigen und Freunden stark belastet.

Verstärkt werden die Beschwerden oft noch dadurch, dass die Fatigue-Symptome von vielen Angehörigen, vor allem aber auch von den behandelnden Ärzten nicht diagnostiziert und in ihrer Schwere meist vollkommen unterbewertet werden. Entsprechend groß sind die Defizite bei der Therapie der Fatigue. Während die meisten Onkologen Tumorschmerzen behandeln würden, halten sie die tumorbedingte Fatigue nur selten für eine behandlungsbedürftige Krankheit.

Therapie der Tumoranämie bessert auch Fatigue

Dass durch eine adäquate Therapie der Tumoranämie mit erythropoetischen Wachstumsfaktoren aber auch die tumorbedingte akute Fatigue gelindert werden kann, konnte inzwischen in verschiedenen Studien gezeigt werden: So bei anämischen Tumorpatienten, die eine nicht-platinhaltige Chemotherapie erhielten und zusätzlich mit Epoetin alfa (3 x wöchentlich 150 I.E./kg KG) behandelt wurden. Hier konnte im Therapieverlauf ein wesentlicher Anstieg der Hb-Werte und eine deutliche Verbesserung der Anämie- und Fatigue-bezogenen Lebensqualität beobachtet werden; in der Plazebogruppe verschlechterte sich das Befinden dagegen deutlich. Für Darbepoetin alfa (1 x wöchentlich 2,25 µg/kg KG) zeigte sich bei Patienten mit Lungenkarzinom und Tumor-assoziierter oder Therapie-bedingter Anämie in einer doppelblinden, plazebokontrollierten Studie, dass der Wachstumsfaktor nicht nur die Anämie besserte und die Zahl der Erythrozyten-Transfusionen verringerte, sondern ebenfalls auch die Fatigue-bezogene Lebensqualität signifikant verbesserte.

Quelle

Dr. Jens-Ulrich Rüffer, Köln, Priv.-Doz. Dr. Michael Untch, München, Dr. Tilman Steinmetz, Köln; Pressekonferenz "Die Zukunft der Anämietherapie", 2. Oktober 2002, Berlin, veranstaltet von Amgen GmbH, München.

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