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Das Rezept der Kassenärzte: Festzuschüsse und Selbstbeteiligung

BERLIN (ks). Die Kassenärzte haben es satt, für die steigenden Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen allein verantwortlich gemacht zu werden. Leonhard Hansen, Zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), räumt zwar ein, dass die Ärzte ihr Versprechen, die Ausgaben in diesem Jahr um rund 5 Prozent zu senken definitiv nicht einhalten können dies liege allerdings nicht daran, dass die Ärzte die Zügel schleifen ließen, sondern an der teilweise perfiden und skandalösen Preispolitik der Pharmaindustrie. Und künftig wird es noch teurer für die Kassen werden: eine leitliniengerechte medizinische Versorgung erfordere einen Mehrbedarf an Arzneimitteln, erklärte Hansen.

Rund drei Mrd. Euro zusätzlich brauchen wir, um den existierenden Mehrbedarf in der Arzneimittelversorgung zu decken, sagte Hansen am 7. Oktober in Berlin. Schon allein für die Therapie von Schmerzpatienten seien zusätzliche 1,2 Mrd. Euro nötig. Auch für eine leitliniengerechte Behandlung von chronisch obstruktiven Lungenkrankheiten, Alzheimer und Depressionen bedürfe es Mehrausgaben. Diese soll das so genannte Festzuschussmodell der KBV wenigstens teilweise auffangen und zwar ohne dass die Versorgungsqualität leidet, betonte Hansen. Rund 10 Prozent des Marktvolumens, d. h. zwei Mrd. Euro, könnten auf rechtssichere Weise eingespart werden, erklärte Dr. Werner Baumgärtner, der zusammen mit Hansen im KBV-Vorstand für Arzneimittelfragen zuständig ist. Festbeträge könnten aufgrund kartellrechtlicher Probleme keine solche Sicherheit bieten.

Wie Festzuschüsse funktionieren sollen

Das Festzuschussmodell sieht vor, dass für jede Wirkstoffgruppe eine Referenzsubstanz definiert wird, deren Preis von der Kasse voll übernommen wird. Preisgrenze soll das untere Preisdrittel sein. Die Zahlung des Festzuschusses wird als individuelle und flexibel handhabbare Satzungsleistung der Krankenkassen festgelegt. Somit kann ein Kasse wahlweise auch mehr vergüten. Dies stärke den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander, erklärte Baumgärtner. Will ein Patient ein teureres Medikament der Wirkstoffgruppe, so muss er den entsprechenden Betrag aus der eigenen Tasche zahlen. Für chronisch Kranke soll die Zuzahlung jedoch entfallen.

Mit diesem Modell, so Baumgärtner, ließen sich die im Arzneiverordnungsreport errechneten Einsparpotenziale erreichen. Vor allem im Bereich der Analogarzneimittel sei noch viel Luft, würden die Kassen hier stets nur den Preis der preisgünstigsten Referenzsubstanz erstatten. Der Markt werde sich in der Folge ebenso wie bei den Festbeträgen an den Festzuschüssen orientieren. Hansen und Baumgärtner zeigten sich zuversichtlich, dass nicht die Patienten Opfer einer solchen Regelung sein werden.

Keine Substitution in der Apotheke

Die Kostenerstattung im unteren Preisdrittel riecht nach aut idem. Doch im Unterschied zur gut gemeinten, aber miserabel gemachten Aut-idem-Regelung soll den Apothekern keine Substitutionsmöglichkeit mehr eingeräumt werden. Die letzte Entscheidung über ein Medikament müsse stets beim Arzt liegen: Jede Therapieumstellung bedarf viel Fingerspitzengefühl und zwar in der Arztpraxis, erklärte Baumgärtner. Erfolge die Umstellung in der Apotheke, so habe er damit ein Problem. Zudem fördere die jetzige Regelung die Praxis der pharmazeutischen Hersteller, nicht nur Krankenhäusern, sondern auch Apotheken Naturalrabatte zu gewähren. Übrigens steht die KBV auch dem Versandhandel mit Arzneien prinzipiell aufgeschlossen gegenüber. Dieser könnte dreistellige Millionenbeträge einsparen, heißt es.

BKK-Bundesverband: Festzuschüsse als Wolf im Schafspelz

Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK-BV) lehnt das Festzuschusskonzept ab. Es sei der Beginn des Ausstiegs aus dem Solidarprinzip, erklärte der Vorstandsvorsitzende des BKK-BV Wolfgang Schmeinck. Er warf den Funktionären der Kassenärzte vor, sich durch Festzuschüsse vor ihrer Verantwortung für die finanzielle Wirkung der von ihnen verordneten Leistungen zu drücken. Während aut idem und die Festbetragsregelung die Pharmaindustrie zu Preissenkungen veranlasst haben, gehe die Zuschussregelung einseitig zu Lasten der Patienten.

Die Kassenärzte haben es satt, für die steigenden Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen allein verantwortlich gemacht zu werden. Leonhard Hansen, Zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), räumt zwar ein, dass die Ärzte ihr Versprechen, die Ausgaben in diesem Jahr um rund 5 Prozent zu senken "definitiv nicht einhalten können" – dies liege allerdings nicht daran, dass die Ärzte "die Zügel schleifen" ließen, sondern an der teilweise "perfiden" und "skandalösen" Preispolitik der Pharmaindustrie. 

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