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Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern: Apotheken zwischen aut idem, Importen u

WARNEMÜNDE (tmb). Das Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern bot auch in diesem Jahr wieder ein umfassendes Programm rund um aktuelle ökonomische Fragen zur Apotheke. Bei der Veranstaltung am 25. September in Warnemünde dominierten die bundesweit relevanten Themen: Die Aut-idem-Regel bereitet große Probleme beim Datenmanagement, aber die wirtschaftlichen Folgen für die Apotheken halten sich bisher in Grenzen. Schwerer wiegt dagegen der zunehmende Spannenverfall durch hochpreisige Arzneimittel.

Über die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern berichtete Thomas Speck, Treu-hand Hannover, Niederlassung Rostock. Im Jahr 2002 werden die Gesamtumsätze etwa 12% über dem Wert von 1996 liegen, die GKV-Umsätze nur etwa 4% über dem Vergleichswert. Damit wird die tiefe Delle von 1998 ausgeglichen, und es ergibt sich ein moderates jährliches Durchschnittswachstum von etwa 2% über den Zeitraum seit 1996 (s. Tab. 1). Demgegenüber stiegen die Kosten zum Teil deutlich stärker an. Durch die Tarifabschlüsse und den zunehmenden Trend zur übertariflichen Bezahlung gilt dies insbesondere für die Personalkosten. Ein Trend zum Personalabbau sei allerdings bisher nicht festzustellen.

Folgen des Spannenverfalls

Noch gravierender als die Kosten wirkt sich der vermehrte Wareneinsatz auf den Gewinn aus. Denn die Umsatzanstiege beruhen größtenteils auf höheren Rezeptdurchschnitten, d. h. teureren Arzneimitteln, im GKV-Bereich (siehe Bericht in AZ 40 und Tab. 2). So stieg der Durchschnittsnettowert der GKV-Rezepte einschließlich Umsatzsteuer im Jahr 2001 um 11% auf 46,42 Euro und von Januar bis Juli 2002 auf 48,19 Euro, zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ist dies nochmals ein Anstieg von 7,3%. Mit den teuren Arzneimitteln sinkt die Handelspanne. Bereits im Jahr 2001 sank daraufhin der Rohgewinn einer typischen Apotheke in Mecklenburg-Vorpommern um 4860 Euro. Der Trend setzt sich fort, so liegt der Wareneinsatz einer typischen Apotheke im ersten Halbjahr 2002 bereits bei 70,5% des Umsatzes.

Um ein Prozent mehr Wareneinsatz ausgleichen zu können, muss der Gewinn bei sonst unveränderten Kosten um etwa 3,5% steigen. Da dies kaum zu realisieren ist und die Kosten zudem steigen, sinken die Gewinne der Apotheken. Nach den Beobachtungen von Speck wirkt sich dies auf die Preise beim Verkauf von Apotheken aus. In Mecklenburg-Vorpommern würden diese Preise bereits sinken. Ein weiterer Trend sind die immer größeren Unterschiede zwischen den Apotheken. Der Durchschnittsumsatz liegt in Mecklenburg-Vorpommern bei fast 3 Mio. DM, aber 63% der Apotheken setzen weniger als diesen Durchschnitt um.

Datenchaos bei aut idem

Ein bundesweit interessierendes Schwerpunktthema des Seminars waren die Aut-idem-Regelung und ihre Folgen. Lutz Boden, ABDATA, vermittelte einen Einblick in die vielfältigen und zum Teil absurd anmutenden Schwierigkeiten bei der Aufbereitung der diesbezüglichen Daten im ABDA-Artikelstamm. So wurden die 5er-Gruppen mit preisgünstigen Arzneimitteln im Sinne der Regelung zunächst alle 14 Tage neu berechnet. Nachdem die Regelung zu den 5er-Gruppen sogar von verschiedenen Staatssekretären des Bundesgesundheitsministeriums widersprüchlich interpretiert worden sei, würden nun ab 1. Oktober alle Preislinien im ABDA-Artikelstamm für ein Quartal konstant gehalten. Dies betrifft die Auswahlgrenzen und die 5er-Gruppen.

Für Verwirrung sorgt auch die Übergangsregelung für Arzneimittel, zu denen noch keine Auswahlgrenzen veröffentlicht wurden. Hierfür sei zunächst auch die Aut-idem-Regel vorgesehen gewesen, doch wurde diese Vereinbarung durch ein Urteil des Landgerichts Hamburg außer Kraft gesetzt. Eine erneute Änderung nach einem Urteil der nächsten Instanz sei denkbar.

Ein noch größeres Hindernis für die praktische Umsetzung der Aut-idem-Regel dürfte die Überprüfung der Indikationsbereiche sein. Die Regel sieht vor, dass nur Arzneimittel übereinstimmender Indikationsbereiche ausgetauscht werden dürfen. Dafür würden jedoch nicht objektive pharmakologische, sondern subjektive juristische Maßstäbe angelegt. Die explizite Aufzählung einzelner Teilindikationen könne daher anders zu werten sein als eine Zusammenfassung solcher Anwendungsgebiete in einer gemeinsamen Beschreibung. Daher seien die nach fachlichen Kriterien zusammengefassten Daten in der ABDA-Datenbank hier kaum zu verwerten. Bei den Daten aus der Fachinformation der Hersteller und aus der Packungsbeilage könne dagegen unterstellt werden, dass sie mit der offiziellen Zulassung übereinstimmen.

Verluste stehen noch bevor

So schwer die juristischen Zusammenhänge auch zu durchschauen sind, scheinen die wirtschaftlichen Konsequenzen der Aut-idem-Regelung für die Apotheken sich dagegen derzeit noch in Grenzen zu halten. Dies ergibt sich aus einer Analyse der Auswirkungen der Import- und der Aut-idem-Regelung auf die Lieferfähigkeit und die Warenlagerstruktur, die Uwe Stiftel, Pharmatechnik, Rostock, vorgenommen hat. Zu den Konsequenzen wurden 55 Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern untersucht. Demnach waren am 15. September 8978 Pharmazentralnummern einer Arzneimittelgruppe gemäß Aut-idem-Regel zugeordnet. Davon waren 1633 nicht preisgünstig, davon 1326 verschreibungspflichtig und davon 586 außer Verkehr.

In den untersuchten Apotheken fallen bisher erst etwa 8 bis 10% der Lagerartikel unter die Aut-idem-Regel, davon sind 66% verschreibungspflichtig. Allerdings sind nur 4% der betroffenen Lagerartikel verschreibungspflichtige Arzneimittel oberhalb der Preislinie. Daher dürften sich die meisten Folgen für die Apotheken erst ergeben, wenn Auswahlgrenzen für mehr Arzneimittel festliegen. Bei den fünf Preisänderungsterminen vom 1. Juli bis zum 15. September wurde der Preis von 3009 Artikeln mit Auswahlgrenzen mindestens einmal geändert, in 425 Fällen sogar zweimal oder öfter. Neben Preissenkungen gab es dabei auch Preiserhöhungen.

Für die Lagerwertverluste der Apotheken sind aber auch die Preissenkungen bei Importen zu beachten. Denn wenn ein Originalhersteller den Preis senkt, sei bei den nächsten Preisänderungen unbedingt zu erwarten, dass die Preise der zugehörigen Importe ebenfalls sinken. Alle Lagerwertverluste sollten auf der Grundlage der Apothekeneinkaufspreise möglichst bei jeder Preisänderung ermittelt werden, damit die Daten die Interpretation der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Auswertung unterstützen können.

Gefahren durch Rosinenpicker

Die Aut-idem-Regel hat bedauerlicherweise nicht die erhoffte Möglichkeit gebracht, die Warenlagerbreite zu reduzieren. Bei durchschnittlich 6000 Lagerartikeln erzielen 52% des Sortiments nur 5% des Umsatzes. Dagegen werden mit 920 Artikeln 70% des Umsatzes erwirtschaftet. Dies macht die Apotheken für einen Versandhandel stark angreifbar, da wenige Lagerartikel mit vergleichsweise geringen Lagerkosten den wirtschaftlichen Erfolg tragen. Die selten umgesetzten Artikel verursachen dagegen hohe Lagerkosten. Daher empfiehlt Stiftel, Artikel aus dem Lager zu entfernen, die seit fünf Monaten nicht gegangen sind. Bei einer Restlaufzeit über 13 Monaten sollten sie möglichst retourniert werden.

Die Lieferbereitschaft hat sich seit der Einführung der Aut-idem-Regel in keiner der untersuchten Apotheken verbessert. Im Durchschnitt ergibt sich eine geringfügige Verschlechterung. Es zeichnet sich ein Trend zu weniger Barumsätzen im Zusammenhang mit Rezepteinlösungen ab. Möglicherweise verschlechtert das mühsame Argumentieren im Zusammenhang mit der Aut-idem-Regel das Klima für Zusatzverkäufe oder es fehlt die Zeit für diesbezügliche Beratungen.

Haftung für aut idem unproblematisch

Nach den wirtschaftlichen Konsequenzen stellte Carsten Pelzer, ABDA, die möglichen juristischen Folgen der Aut-idem-Regel für die Apotheken dar. Bezüglich möglicher Risiken für schwerwiegende Haftungsfälle in der Apotheke gab er Entwarnung. Bisher gäbe es aufgrund der Erfahrungen mit Aut-idem im Notdienst keine Urteile oder weiterführende Literatur, die auf ein besonderes Risiko schließen ließen.

Sowohl eine etwaige zivilrechtliche Haftung als auch strafrechtliche Konsequenzen setzen voraus, dass ein Schaden eintritt. Dieser müsse auf einer Pflichtverletzung beruhen, wobei die Kausalität zu begründen wäre. Eine Haftung der Apotheke komme nur in Betracht, wenn der Schaden auf einem Hilfsstoff und nicht auf dem Wirkstoff beruhe. Außerdem müsse ein Verschulden des Apothekers oder des Apothekenpersonals vorliegen, beispielsweise wenn der Patient unzureichend beraten oder informiert werde.

Nach Einschätzung von Pelzer seien Fälle mit begründeten Haftungsansprüchen nur recht schwer konstruierbar. So sei das steigende Haftungsrisiko eher eine theoretische Gefahr. Dieses sei zudem durch die gewöhnliche Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt. Eine zusätzliche Versicherung sei nicht erforderlich. Wenn ein Haftungsfall drohe, solle nicht gegenüber dem Patienten argumentiert werden, sondern unverzüglich die Versicherung informiert werden. Anderenfalls könne der Versicherungsschutz verlorengehen.

Das Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern bot auch in diesem Jahr wieder ein umfassendes Programm rund um aktuelle ökonomische Fragen zur Apotheke. Bei der Veranstaltung am 25. September in Warnemünde dominierten die bundesweit relevanten Themen: Die Aut-idem-Regel bereitet große Probleme beim Datenmanagement, aber die wirtschaftlichen Folgen für die Apotheken halten sich bisher in Grenzen. Schwerer wiegt dagegen der zunehmende Spannenverfall durch hochpreisige Arzneimittel.

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