Berichte

Deutscher Insel-Workshop in Münster

Zum 7. deutschen Insel-Workshop trafen sich am 14./15. Dezember in Münster etwa 75 Forscher aus der gesamten Bundesrepublik. Die Tagung befasste sich, wie der Name andeutet, mit den Langerhansschen Inseln, die für die Insulinsekretion aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zuständig sind. Organisator und Leiter der Tagung war Prof. Dr. E. J. Verspohl, Abteilung Pharmakologie für Naturwissenschaftler am Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster.

Auf dem Weg zur rationalen Arzneitherapie

Der Schwerpunkt der Therapie von Diabetikern liegt bisher in der Beseitigung von Symptomen (Senkung der Plasma-Glucosespiegel, Steigerung der Insulinspiegel). Eine rationale Arzneitherapie ist jedoch nur durchführbar, wenn die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Erkrankung und der Therapie an Langerhansschen Inseln erforscht sind.

  • So wurde auf der Tagung u. a. die langfristige Bildung von neuem Insulin auf der Basis der Regulation des Insulin-Gens diskutiert.
  • Ein weiterer Schwerpunkt war die Beteiligung von Ionenkanälen an der Insulinsekretion, die durch Nährstoffe und Fettsäuren gesteigert oder durch Corticosteroide gehemmt wird.
  • Des Weiteren wurden ein neuer Typ einer diabetischen Ratte (LEW.1AR1) beschrieben und die Verhinderung eines durch chemische Stoffe (z. B. Streptozotocin) erzeugten Diabetes bei Ratten untersucht.
  • Ergänzende Plenarvorträge befassten sich mit Mäusen, die bestimmte Gene maßgeschneidert verloren hatten (diabetische Knock-out-Mäuse, k.o.-Mäuse), und mit neuen Vorstellungen von Rezeptorvermittelten Effekten.

Eine neue Diabetes-Ratte

Auf der Suche nach neuen Tiermodellen konnte von der Gruppe um Lenzen, Hannover, die sich entwickelnde, diabetischen Stoffwechsellage von LEW.1AR1/Ztm-iddm-Ratten charakterisiert werden. Während bis zum 45. Tag alle Pankreasdaten im Normbereich liegen (Insulin, Glucokinase usw.), tritt sehr zeitgenau ab dem 50. Tag eine Infiltration der Pankreas-Inseln ein, und die Apoptoserate (Rate des programmierten Zelltods) steigt. Durch diese Zeitgenauigkeit bieten sich exakte Studien zum Mechanismus der Diabetes-Entstehung an. Die Tiere zeigen die für Insulinmangel typische Gewichtsreduktion, Polyurie und Ketonkörperausscheidung.

Genregulation durch Leptin

Das von Fettzellen sezernierte Hormon Leptin regelt die Nahrungsaufnahme, leider mehr beim Nagetier als beim Menschen. Jetzt wurde durch die Arbeitsgruppe von Seufert, Würzburg, die Wirkung auf die Genregulation an Langerhansschen Inseln gezeigt. Leptin aktiviert in der Inselzelle den JAK-STAT-Signaltransduktionsweg. Der durch eine Kinase aktivierte 2nd messenger JAK2 phosphoryliert die Botenstoffe STAT3 und STAT5b. Diese wandern in den Zellkern und regulieren die Expression des Insulin-Gens. Der JAK-STAT-Signaltransduktionsweg wird durch ein Feedback über einen Promotor des SOCS-3 (suppressor of cytokine signaling 3) abgeschaltet. Mittels subtraktiver PCR-Analyse wurden neue durch Leptin regulierte Gene entdeckt. So induziert Leptin die Expression einer Typ-1-Protein-Phosphatase, die die Insulinsignalkaskade abschaltet.

Abwehr von Radikalen

Interessant sind Untersuchungen zur Selbstzerstörung der Langerhansschen Inseln. Als Modell wird Mäusen Streptozotocin gegeben und die Bildung von Hydroxyl-Radikalen (.OH), weiteren reaktiven Sauerstoffspezies und H2O2 gemessen; zur Verhinderung der Zerstörung der β-Zellen wird ZnSO4 mit Erfolg eingesetzt (Arbeitsgruppe Gleichmann, Düsseldorf). Gleichzeitig wurde in diesem Modell auch die Veränderung bestimmter Zytokin-Spiegel beobachtet (Th2-Typ-Zytokine, IL-11-mRNA).

Neubildung von β-Zellen

Spätestens seit der Diskussion um die Forschung an embryonalen Stammzellen ist allgemein bekannt, dass die Neubildung von Zellen nach einer pathologischen Veränderung therapeutisch relevant ist. Die natürliche Neubildung von β-Zellen, die das Insulin sezernieren, ist sehr gering. Sie lässt sich jedoch durch Hormone wie Gastrin, Cholecystokinin und Exendin (GLP-1-Agonist) stimulieren. Diese Neogenese lässt sich steigern in einem Modell, bei dem der Ductus pancreaticus ligiert ist. Die Induktion der Neogenese führte zur erhöhten Expression der Transkriptionsfaktoren pdx1 und meis2 (Arbeitsgruppe Peters und Klöppel, Kiel). Diese könnten als Targets für die Entwicklung neuer Pharmaka zur Neogenese von Betazellen genutzt werden.

Aus dem schon zu DDR-Zeiten bekannten Gerhardt Katsch-Institut kamen interessante Ergebnisse zur Zerstörung der b-Zellen und Insulitis. Zytokine führen zu einer Erhöhung der Fas-Expression an der Zelloberfläche und erhöhen die Verletzlichkeit der β-Zellen (Augstein, Karlsburg). Auch die Interaktion mit FasL (Fas ligand) wurde untersucht.

Ionenkanäle und Insulinsekretion

Ein weiterer Teil der Veranstaltung beschäftigte sich mit Ionenkanälen und deren Auswirkung auf die Insulinsekretion. Ketoisocapronsäure (KIC) hat einerseits einen starken zusätzlichen, KATP-Kanal-unabhängigen Effekt auf die Insulinsekretion, was daran zu erkennen ist, dass sein Effekt noch in Gegenwart einer maximalen Konzentration an Sulfonylharnstoff auftritt. Andererseits führt KIC zu einer Hemmung der Öffnungsaktivität der KATP-Kanäle, was durch Messung der K+-Ionenströme an COS-1-Zellen zu erkennen ist, die transient KIR6.2 (Poren bildende Untereinheit) und SUR1 (Sulfonylharnstoff-Rezeptor) exprimieren (Arbeitsgruppe Panten, Braunschweig).

An β-Zellen von k.o.-Mäusen, die keinen Sulfonylharnstoff-Rezeptor aufweisen, zeigt sich nach Gabe von Adrenalin eine Hyperpolarisation (Arbeitsgruppe von Ullrich). Die beteiligten Rezeptoren und Signaltransduktionswege wurden durch Verwendung verschiedener selektiver Rezeptoragonisten und -antagonisten bestimmt. Eine Störung der KATP-Kanäle ist die Ursache für den genetisch bedingten Hyperinsulinismus bei Säuglingen.

Dexamethason ändert die diabetische Stoffwechsellage. Durch RT-PCR wurden verschiedene spannungsabhängige Kalium-Kanäle in (Insulin sezernierenden) INS-1-Zellen nachgewiesen, die durch Dexamethason heraufreguliert werden und dadurch zur Hemmung der Insulinsekretion beitragen (Arbeitsgruppe Ullrich, Köln).

Freie Fettsäuren (z. B. Palmitat) führen über verschiedene Mechanismen zu einer Insulinresistenz. Akut führt Palmitat zu einer Erhöhung der intrazellulären Calcium-Konzentration in Insulin sezernierenden Zellen und damit auch zu einer Erhöhung der Insulinsekretion. Durch verschiedene Manöver wie Hemmung der Calciumkanäle oder Hemmung der Carnitin-Palmitoyltransferase I sind die Effekte umkehrbar (Remizov und Schöfl, Hannover).

GLP-1 wird möglicherweise bald als insulinotroper Arzneistoff in den Markt eingeführt. Die Kenntnisse über die durch GLP-1 induzierte Expression des Insulin-Gens wurden in der Weise erweitert, dass nicht nur cAMP, sondern auch eine PI3-Kinase über den Transkriptionsfaktor pdx1 diese Regulation vornimmt (Arbeitsgruppe Seufert, Würzburg).

Poster Sessions

Neben den Vorträgen fanden Posterveranstaltungen zu folgenden Themen statt:

  • Beeinflussung der mitochondrialen Dysfunktion durch Zytokine,
  • Vergleich der Methoden zur Bestimmung von Caspase-3 (kolorimetrisch, fluorimetrisch und in Bioluminiszenz-Versuchen, beides Arbeitsgruppe Augstein, Karlsburg),
  • Mechanismus der Desensitisierung auf der Ebene der Regulation des intrazellulären Calciums und auf der Ebene der Exozytose (Arbeitsgruppe Rustenbeck, Braunschweig),
  • Antagonisierung von Substanzen, die auf den SUR1 (Sulfonylharnstoff-Rezeptor) oder eine Poren bildenden Untereinheit (Kir6.2) wirken, durch den Kaliumkanal-Öffner Diazoxid (Arbeitsgruppe Rustenbeck, Braunschweig),
  • Frage nach der Unterdrückung des immunogenen, für β-Zellen autoantigenen Potenzials von GAD (glutamic acid decarboxylase), das für seine Beteiligung an der Induktion der Zerstörung von β-Zellen bekannt ist (Arbeitsgruppe Seufert, Würzburg),
  • Nachweis von Genen, deren Expression bei der Zytokin-induzierten Zerstörung der β-Zellen eine Rolle spielt, mit Hilfe des Restriktionsfragment Differenzial Display (Arbeitsgruppe Tiedge und Lenzen, Hannover),
  • Reduktion der Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFkB sowie des iNOS-Promotors nach Zytokin-Inkubation als Folge einer Überexpression von MnSOD (Superoxiddismutase),
  • Erhöhung der Glucose-Freisetzung in verschiedenen In-vivo- und In-situ-Modellen durch Diadenosintetraphosphat (Ap4A) als Beitrag zur Auslösung einer diabetischen Stoffwechsellage, die Auslösung einer diabetischen Stoffwechsellage im 14-Tage-Versuch (Alzet®-Pumpen) und eines erhöhten Blutdrucks durch bestimmte Diadenosinpolyphosphate (Arbeitsgruppe Verspohl, Münster),
  • Bewertung des Einsatzes des Yeast Two-Hybrid Systems zur Messung der Interaktion von Proteinen in endokrinen Systemen (Arbeitsgruppe Neye, Münster),
  • Suche nach Mutationen der Ca2+/Calmodulin-abhängigen Proteinkinase IId bei Patienten mit Diabetes Typ 2 (Arbeitsgruppe Pfeiffer und Schatz, Bochum).

Nach den Detailstudien der große Überblick

Übergreifende Plenarvorträge rundeten das Bild dieses Symposium ab: Dr. Brüning, Köln, sprach über die Bedeutung der Insulinwirkung und Insulinresistenz, wobei er in eleganten Versuchen entweder k.o.-Mausmodelle verwendete oder sogar in einzelnen Organen selektiv die Expression von Insulinrezeptoren oder Signaltransduktions-Proteinen vornahm.

In einem weiteren begeisternden Vortrag mit dem Thema Rezeptoren Rückblick, Einblick, Ausblick brach Prof. Ziegler, Kiel, das manchmal verkrustete, in Schubladen abgelagerte Wissen auf und richtete den von Vorurteilen befreiten Blick auf mögliche therapeutische Entwicklungen.

Den zahlreichen Sponsoren der Tagung (Fa. Bayer, Boehringer Ingelheim, Eli Lilly, Merck, Ratiopharm, Takeda und Yamanouchi), ohne deren großzügige finanzielle und uneigennützige Unterstützung die Teilnahme für viele Doktoranden nicht möglich gewesen wäre, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt.

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