DAZ aktuell

Ladenschlussgesetz: Verkaufsoffene Sonntage auch für Apotheken

Karlsruhe (daz). In einem von dem Medien viel beachteten Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch Apotheken erlaubt sein müsse, an verkaufsoffenen Sonntagen teilzunehmen und die Apotheke offen zu halten. Wir berichteten und kommentierten ausführlich in unserer Apotheker Zeitung vom 21. Januar. Nachfolgend zur Vervollständigung unserer Berichterstattung noch den Leitsatz des Urteils und Zitate aus den Urteilsgründen.

Leitsatz des Urteils

Der Ausschluss der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen gemäß § 14 Abs. 4 des Ladenschlussgesetzes ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.

Aus den Urteilsgründen

  • "Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.

  • Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weitergehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eine sowohl den Freiheitsanspruch des Berufstätigen wie die Schutzbedürftigkeit der Gemeinschaft berücksichtigende Lösung kann nur in Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander widerstreitenden Interessen gefunden werden. Diese Abwägung ergibt hier den Vorrang der Berufsfreiheit der Apotheker."

  • "Es ist zu berücksichtigen, dass die Verkaufsstelle auch am verkaufsoffenen Sonntag nicht mehr als an fünf zusammenhängenden Stunden geöffnet sein darf; zum Ausgleich muss sie am vorausgehenden Sonnabend bereits ab 14.00 Uhr und nicht erst ab 16.00 Uhr geschlossen gehalten werden. Die Verfassungsbeschwerde betrifft somit drei zusätzliche Arbeitsstunden an höchstens vier Wochenenden im Jahr. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade in diesem Zusammenhang die Arbeitszeitordnung und tarifliche Arbeitszeitbestimmungen unbeachtet blieben. Diese für Dauer, Verteilung und Vergütung der Arbeitszeit geltenden Vorschriften sind ungeachtet derjenigen über den Ladenschluss ausschlaggebend für die Belastung des in der Apotheke tätigen pharmazeutischen Personals. Die möglichen allgemeinen Ladenöffnungszeiten liegen derzeit bei etwa 80 Wochenstunden; die tarifliche Arbeitszeit beträgt weniger als die Hälfte. Außerdem werden in den Apotheken häufig Frauen in Teilzeitarbeit beschäftigt. Individuelle Arbeitszeit und Öffnungszeit müssen für alle Arbeitnehmer aufeinander abgestimmt werden. Die maximal vier Mal im Jahr vorkommende Sonntagsöffnung kann in Anbetracht dieser Sachlage in den regelmäßigen monatlichen oder wöchentlichen Arbeitsplänen keine herausragende Rolle spielen. Außerdem haben die Apotheken nach § 23 ApBetrO die Möglichkeit, ihre Dienstbereitschaft im Verhältnis zu den allgemeinen Ladenöffnungszeiten um mehr als 20 Stunden einzuschränken und auf diese Weise auf eine etwaige sonntägliche Mehrbelastung zu reagieren."

  • "Seit der Einführung der angegriffenen Regelung im Jahr 1956 hat das Gewicht der die Regelung rechtfertigenden Gesichtspunkte stetig abgenommen. Die Anzahl der Apotheken ist stark angestiegen. In Rheinland-Pfalz hat sich ihre Zahl beispielsweise zwischen 1960 und im Jahr 2000 mehr als verdoppelt; die Zahl der approbierten Mitarbeiter in einer Apotheke und der Apothekerassistenten, die ohne Aufsicht des Apothekeninhabers bei der Abgabe von Medikamenten eingesetzt werden können (§ 3 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 Nr. 1 und 5 ApBetrO), hat sich im genannten Zeitraum sogar vervierfacht. Auch wenn es insoweit Abweichungen in den einzelnen Ländern geben mag, belegen derartige Entwicklungen, dass die ständige Dienstbereitschaft der Apotheken die pharmazeutischen Mitarbeiter inzwischen deutlich weniger belastet als bei der Einführung des § 14 Abs. 4 LadschlG. Die Zusatzbelastung durch die maximal vier mal um drei Stunden verlängerte Wochenöffnungszeit macht angesichts des Rückgangs der tariflich geschuldeten Arbeitszeit eine Überlastung des Apothekenpersonals wenig wahrscheinlich. Dem stehen gewichtige Interessen des Apothekers im Wettbewerb mit anderen Verkaufsstellen seine Kundenorientierung herauszustellen, gegenüber. Leistungsbereitschaft und Kundenorientierung sind wesentliche Werbe- oder Marketingstrategien für den Apotheker, mit denen in berufsangemessener Weise um das Vertrauen der Bevölkerung geworben wird. Die Beschwerdeführerin hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an der Sonntagsöffnung nicht nur um des konkret erzielten Umsatzes willen angezeigt ist. Eine Verweigerung bestätige vielmehr das Vorurteil, die Apotheker hätten angesichts hoher Gewinnspannen Kundenfreundlichkeit nicht nötig."

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