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Onkologie: 25 000 Krebsspezialisten beim diesjährigen Meeting der ASCO

Über 25 000 Krebsspezialisten aus der ganzen Welt trafen sich vom 18. bis 21. Mai in Orlando, Florida, zum 38. jährlichen Treffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), um über die neuesten Fortschritte in der Krebsforschung zu diskutieren. Neben den Fortschritten in der Krebsbehandlung wurden wichtige Fortschritte im Screening und in der Vorsorge maligner Erkrankungen herausgestellt.

Patienten-Info: Leben mit Krebs

Auch dem wachsenden Bedürfnis des Patienten nach Mitentscheidung über die Therapie wurde Rechnung getragen: Auf Initiative der ASCO wurde eine Web-Seite ins Leben gerufen, die während des diesjährigen Treffen vorgestellt wurde: www.People LivingWithCancer.org.

Von der ASCO entwickelt und verwaltet, soll diese Internet-Seite Patienten und ihren Familien helfen, präzise, verwertbare und von Onkologen überprüfte Informationen zu finden, um wissenschaftlich fundierte Entscheidungen mit treffen zu können. Zu den interessantesten Forschungsergebnissen in diesem Jahr gehörten zwei Studien zu dem Tyrosinkinaseinhibitor STI-571, eine Studie zur Bewertung des regelmäßigen Prostata-Screenings, eine Vergleichsstudie zum Kolon-Karzinom und Studien zu Brust- und Ovarialkrebs

STI-571 effektiv bei neu diagnostizierter CML

STI-571 (Imatinib, Glivec®) besitzt ein – im Vergleich zu den bisherigen Zytostatika – völlig neues Wirkprinzip und hat bereits sehr vielversprechende Resultate bei der chronisch-myeloischen Leukämie (CML) in fortgeschrittenem Stadium gezeigt. Der Tyrosinkinaseinhibitor wurde bisher erst nach Versagen der Erstlinientherapie mit Interferon eingesetzt oder wenn der Patient entweder schon in die akzelerierte Phase übergegangen war oder einen Blastenschub hatte. Nun konnte eine neue Studie zeigen, dass STI-571 auch in der Erstlinientherapie effektiver als die bisherige Standardtherapie ist und besser vertragen wird.

1106 Patienten mit frisch diagnostizierter CML aus 16 Ländern wurden in dieser Phase-III-Studie entweder mit der bisherigen Standardtherapie (Interferon plus Cytarabin) oder mit STI-571 behandelt. Bei diesem direkten Vergleich zeigte sich sechs Monate nach Beginn der Therapie, dass die Leukämie sich bei acht Patienten unter STI-571 und bei 57 Patienten unter Interferon verschlimmerte.

Dagegen konnte bei 75% der Patienten in der STI-571-Gruppe eine deutliche Verringerung der Leukämiezellen im Knochenmark festgestellt werden, bei 54% verschwanden sie sogar vollständig. In der Interferon-Gruppe hatten 15% der Patienten eine signifikante Reduktion der Krebszellen, und nur bei 3% verschwanden sie ganz.

Nur 6% der STI-571-Patienten waren nach einem halben Jahr in einer Blastenkrise, im Vergleich zu 26 Patienten aus der anderen Gruppe. Ernstere Nebenwirkungen traten in der STI-571-Gruppe nur bei 1% der Patienten auf, dagegen vertrugen in der Interferon-Gruppe 19% der Patienten die Therapie so schlecht, dass sie in die STI-571-Gruppe überführt wurden. "Wenn es auch noch keine Langzeiterfahrungen mit STI-571 gibt, sollte erwogen werden, diese Therapie zur Standardtherapie bei neu-diagnostizierter CML anzusehen", resümierte der Autor Brian Druker, Oregon.

STI-571 auch bei solidem Tumor mit lang anhaltender Wirkung

Nach einjähriger Gabe von STI-571 an Patienten mit gastrointestinalen Stroma-Tumoren (GISTs) in einer Phase-II-Studie (n = 147) hatten über 60% keine Progression ihrer Erkrankung erfahren. Bei 60% dieser Patienten hatte die Tumormasse um die Hälfte, bei weiteren 20% in geringerem Maße abgenommen. Diese hohen Ansprechraten unterscheiden sich wesentlich von bisherigen Therapien, die nur Ansprechraten von ca. 5% erreichten. Die Patienten in dieser Studie wurden entweder mit 400 mg oder 600 mg täglich oral behandelt, wobei es keine Unterschiede in den Ansprechraten gab.

An leichteren Nebenwirkungen kam es zu Nausea, Diarrhö und Muskelkrämpfen. Schwerere Nebenwirkungen wie Neutropenie und Tumorblutungen traten bei 20% der Patienten auf. Wie bei der Behandlung der CML bleibt zu klären, ob und warum es nach anfänglichem Ansprechen auf STI-571 später zu einer Progression der Erkrankung kommt.

Oxaliplatin vs. Irinotecan beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom

Seit wenigen Jahren werden Irinotecan und Oxaliplatin, mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin kombiniert, zur Behandlung von kolorektalen Karzinomen (CRC) sowohl in der Erstlinien- als auch in der Zweitlinientherapie eingesetzt. Zu der Frage, welches der beiden neuen Medikamente unter welchen Bedingungen zuerst eingesetzt werden sollte, sind in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Studien initiiert worden. In den Vereinigten Staaten besteht seit April 2000 das Standardregime beim metastasierten CRC aus Irinotecan, 5-FU und Leucovorin; dagegen ist Oxaliplatin dort zurzeit noch nicht zugelassen.

Unter diesen Voraussetzungen rief eine vom National Cancer Institute (NCI) durchgeführte Studie, in der die Oxaliplatinkombination zu einer statistisch signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit von CRC-Patienten führte, beim ASCO ganz besondere Aufmerksamkeit hervor. Die Patienten (n = 795) erhielten entweder

  • Irinotecan mit 5-FU und Leucovorin (IFL, Saltz-Regime: LV/FU bolus) oder
  • Oxaliplatin mit 5-FU und Leucovorin (Folfox-Regime: LV/FU gesplittet in bolus plus anschließende Dauerinfusion).

Dabei ergaben sich überraschende Ergebnisse: Das Folfox-Regime war dem Saltz-Regime bezüglich aller wichtigen Studien-Parameter weit überlegen (s. Tab. 1): Seine Patienten zeigten eine höhere Ansprechrate (38% vs. 29%) und ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (8,8 vs. 6,9 Monate). Nach einem Jahr lebten noch 71% der Patienten des Folfox-Regimes, gegenüber 58% des Saltz-Regimes. Die Gesamtüberlebenszeit war mit 18,6 Monaten vs. 14,1 Monaten signifikant länger. Darüber hinaus hatten die Folfox-Patienten weniger schwere Nebenwirkungen, wie Infektionen durch Leukopenien, Diarrhö, Haarausfall und Erbrechen.

Aufgrund der signifikanten Überlegenheit des Folfox-Regimes bezüglich Wirksamkeit und Toxizität wurde der Therapiearm mit dem Saltz-Regime geschlossen, und die FDA hat bereits zusammen mit dem NCI einem beschleunigten Zulassungsverfahren für Oxaliplatin zugestimmt.

Ist ein jährlicher PSA-Test notwendig?

In den Vereinigten Staaten wird Männern über 50 Jahren heutzutage empfohlen, sich einem jährlichen Screening des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) zu unterziehen. Erhöhte Werte könnten ein möglicher Indikator für ein Prostatakarzinom sein. Eine Studie sollte den Nutzen des regelmäßigen Screenings überprüfen.

Die Studie involvierte 27 863 Männer zwischen 55 und 74 Jahren und lief über fünf Jahre. 90% der Teilnehmer wiesen anfangs PSA-Werte auf, die als normal gelten (< 4 ng/ml). 98,6% der Männer mit sehr niedrigem PSA unter 1 ng/ml hatten in vier Folgejahren weiterhin normale PSA-Werte.

Basierend auf ihren Ergebnissen schlagen die Forscher vor, dass Männer mit einem Anfangswert unter 1 ng/ml nur alle fünf Jahre untersucht werden und Männer mit Anfangswerten zwischen 1 und 2 ng/ml alle zwei Jahre. Das würde 55% der Tests sparen und die Kosten um schätzungsweise eine Milliarde Dollar jährlich senken. Eine gesteigerte Aufmerksamkeit sollte dagegen den Männern gelten, deren Anfangswerte über 2 ng/ml oder sogar über 3 ng/ml liegen. Die Studie wird fortgeführt, wobei überhaupt noch keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob das PSA-Screening überhaupt die Überlebenszeit verlängert.

Hormontherapie des Mammakarzinoms mit Tamoxifen oder Aromatasehemmer?

Nachdem Ende letzten Jahres während der San Antonio Breast Cancer Conference die ersten Resultate der bisher größten Studie zur hormonellen Brustkrebsbehandlung (ATAC) vorgestellt worden waren, hat die ASCO eine Expertenkommission gebildet, die anhand der zur Verfügung stehenden Daten eine Empfehlung zur adjuvanten endokrinen Therapie des Mammakarzinoms aussprechen sollte. Eric Winer, Boston, stellte im Namen dieser Kommission auf einer Pressekonferenz noch einmal die Daten der ATAC-Studie vor und kommentierte sie:

Über 9000 postmenopausale Mamma-Ca-Patientinnen waren nach erfolgter Operation und eventueller Chemotherapie Kandidatinnen für eine adjuvante Hormontherapie. Sie wurden randomisiert und fünf Jahre lang

  • mit dem Aromatasehemmer Anastrozol (Arimidex®) oder
  • mit Tamoxifen oder
  • mit Anastrozol plus Tamoxifen

behandelt. In Bezug auf das krankheitsfreie Überleben traten kleine, aber statistisch signifikante Unterschiede zugunsten des Anastrozols auf (s. Tab. 2). Da es noch keine Daten zu einer möglichen Toxizität bei Langzeiteinnahme von Anastrozol gibt und bisher auch noch kein Überlebensvorteil festgestellt werden konnte, kam die Kommission einstimmig zu der Empfehlung, bis auf Weiteres den Fünf-Jahres-Kurs mit Tamoxifen als Standard in der adjuvanten Hormontherapie beizubehalten.

Weitere Studien – auch mit den anderen Aromatasehemmern – sollten abgewartet werden. Zum Beispiel zeigte eine andere Untersuchung bei einem großangelegten Vergleich (n = 713) zwischen Anastrozol und Letrozol (Femara®) in der Zweitlinientherapie des metastasierten Mammakarzinoms deutlich bessere Ansprechraten (19,1% vs. 12,3%) für Letrozol. Im Hinblick auf diese offensichtlich höhere Wirkpotenz des Letrozols sollten die Ergebnisse eines Vergleichs zwischen Tamoxifen und Letrozol abgewartet werden, bevor grundlegende Veränderungen in den Therapieempfehlungen ausgesprochen werden.

Hochdosistherapie beim Mammakarzinom

Aufmerksamkeit erregte in Orlando eine Studie mit Hochrisiko-Brustkrebs-Patientinnen, in der nach zehn Jahren noch mehr als 60% der Frauen leben. 102 Frauen mit Brustkrebs der Stadien IIA, IIB, IIIA oder IIIB mit zehn oder mehr befallenen Lymphknoten erhielten nach einer adjuvanten standarddosierten Chemotherapie eine Hochdosistherapie mit Cyclophosphamid, Cisplatin und Carmustin und eine anschließende autologe Knochenmarktransplantation.

Das ereignisfreie Überleben nach zehn Jahren betrug 60% (95%-C.I. 51 – 72%), das Gesamtüberleben nach zehn Jahren sogar 63% (95%-C.I. 53 – 74%). Die therapiebedingte Mortalität betrug allerdings 11%; es gibt bisher keine Hinweise auf sekundäre Myelodysplasien. Das weitere follow-up dieser Studie wie auch anderer großangelegter Studien zur Hochdosistherapie bleibt abzuwarten.

Präventive Entfernung von Eierstöcken und Eileitern

Fallberichtsstudien haben bisher darauf hingedeutet, dass eine Salpingo-Oophorektomie (RRSO) das Risiko verringert, an Brust- oder Ovarialkrebs zu erkranken. Nun konnte die erste prospektive Studie dies bestätigen: Im Vergleich zu einem intensiven Eierstock-Screening senkte die chirurgische Entfernung von Eierstöcken und Eileitern das Risiko, später an Brust- oder Ovarialkrebs zu erkranken, um 75%.

In die Studie waren 173 Frauen aufgenommen worden, bei denen Mutationen der Gene BRCA 1 und BRCA 2 festgestellt worden waren. 101 dieser Frauen ließen sich präventiv Eierstöcke und Eileiter entfernen, die anderen 72 entschieden sich für ein intensives Ovarien-Screening (transvaginaler Ultraschall und CA-125-Test, zweimal im Jahr).

In der ersten Gruppe wurden bereits während der Operation drei unerwartete Ovarientumoren in einem frühen Stadium entdeckt und mit entfernt, was schon auf die Grenzen des heutigen Screenings hindeutet. Nach einer Nachbeobachtungszeit von zwei Jahren traten in dieser Gruppe drei Fälle von Brustkrebs und ein Fall von Peritonealkrebs auf. Dagegen kam es in der Screening-Gruppe zu acht Fällen von Brustkrebs, vier Fällen von Ovarialkrebs und einem Fall von Peritonealkrebs. Die operierten Frauen werden weiter beobachtet, um auch eine Aussage über Langzeiteffekte und Überleben treffen zu können.

In der nachfolgenden Diskussion wurde klargestellt, dass selbst dann, wenn BRCA 1 und BRCA 2 schon von Geburt an mutiert sind, das Krebsrisiko erst ab einem Alter von ca. 35 Jahren wächst, sodass die Familienplanung der Patientin weitgehend abgeschlossen sein dürfte, wenn die Entscheidung zu einem solchen Eingriff getroffen wird.

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