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Schluss mit lustig (Kommentar)

Der Wähler hat gesprochen. Es ist aufgetischt und angerichtet. Rot-grün darf weiter regieren. Das Schröder-Fischer-Duo hat auf der Zielgeraden Schwarz-Gelb noch abgefangen, obwohl die Opposition in diesem Jahr bis Mitte August noch wie der fast sichere Sieger aussah. Schröder wird den Vorwurf cool wegstecken, er habe die Flutkatastrophe missbraucht; er habe – schlimmer noch – skrupellos das deutsch-amerikanische Verhältnis vergiftet und "schändlich" (so Wolf Biermann, sicher eher ein Linker) die Klaviatur der Ängste, die Irak-Karte gespielt. Egal wie: sein populistisches Kalkül ist aufgegangen. Denen, die das bedauern, bleibt nur ein Trost: Die Scherben, die er hinterlassen hat, muss Schröder jetzt selbst wieder aufsammeln und kitten.

Die misslungene Arbeitsmarktpolitik, die mittelstandsfeindliche Schieflage in der Steuerpolitik (von Schröder bestritten, aber von seinem niedersächsischen Nachfolger, dem SPD-Hoffnungsträger Gabriel bereits eingestanden), eine Korrektur der bürokratischen Rentenreform, die PISA-Probleme in der Bildungspolitik – und nicht zuletzt die Gesundheitspolitik: all das wird nun schnell auf die Agenda der neuen, alten Regierungskoalition kommen.

Thema Gesundheitspolitik: Wenn die Regierung nahtlos da ansetzt, wo sie in der letzten Legislaturperiode aufgehört hat, dürfen sich die Apotheker und ihre politische Vertretung auf spannende und schwierige Zeiten gefasst machen. Eine Reform der Vertriebswege, die Zulassung des Arzneimittelversandhandels, das Infragestellen der Preisbindung, der Hersteller- und Großhandelsrabatte, der Preisspannenverordnung, zuletzt sogar auch des Mehrbesitzverbotes – all das gehört zu den "umfangreichen Reformmaßnahmen im Arzneimittelbereich", die von der bisherigen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt für die nun anlaufende Legislaturperiode bereits angekündigt oder angedeutet wurden.

Sie kann sich dabei auf diverse Empfehlungen des "Runden Tisches" stützen, die sie mit beträchtlichem Geschick mit dem von ihr gewünschten Ergebnis inszeniert hat. Wie viel die Bedenken zählen, die ABDA und PHAGRO (der Großhandelsverband) dabei zu Protokoll gegeben haben, wird man sehen.

Die Lage für die Apotheker ist schwierig. Sichere Verbündete sind rar. Selbst die Pharmaindustrie gehört nicht mehr dazu. Seit Einführung der Aut-idem-Regelung – von den Apothekern gewollt, aber nicht so, wie sie sich jetzt darstellt – gibt es nicht wenige in der Pharmaindustrie, die "den Apotheker gern 'mal Einen einschenken" würden. Bei den Krankenkassen und Gewerkschaften gibt es schon seit einiger Zeit kaum noch jemanden, der bereit wäre, für die Apotheker einen Finger zu krümmen.

Und selbst die Vertreter der Arbeitgeberverbände beziehen Positionen (z. B. zum Thema Versandhandel), die uns beunruhigen sollten. Dass wir auch in den Publikumsmedien kaum noch Persönlichkeiten finden, die unsere Argumente in ihre Überlegungen einfließen lassen, passt dazu.

Wir alle – zuallererst aber die, die uns berufspolitisch vertreten – müssen uns fragen: Was ist da falsch gelaufen? Was können wir daraus lernen? Was können wir, was müssen wir besser machen? Wie können wir besser, überzeugender argumentieren? Wie können wir erreichen, dass man uns nicht nur pflichtschuldig anhört, sondern dass man uns ernst nimmt? Wie können wir die Diskussionskultur im Beruf so verbessern, dass unsere Argumente überzeugen, dass wir auch außen wahrgenommen werden?

Noch müssen wir vom Gegenteil ausgehen: Trotz guter Argumente und noch so vieler und solider Zahlen, von der ABDA gebetsmühlenartig verbreitet, geben sich wesentliche politische Kräfte aus verschiedensten Lagern nach wie vor der Illusion hin, die Gesetzliche Krankenversicherung ließe sich über eine Revolution des Arzneimittelvertriebs sanieren. Die politischen Risiken – die Bevölkerung zu verärgern, weil man ein offensichtlich gut funktionierendes und geschätztes Versorgungssystem im Kern gefährdet – werden immer noch weit unterschätzt.

Es bleibt viel zu tun. Die Herausforderungen sind gewaltig, aber sie sind lösbar. Nur: Die Zeit drängt. Und eines sollte uns klar sein: es ist Schluss mit lustig.

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