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Tabakkontrolle: Der schwere Kampf gegen die Tabakindustrie

BERLIN (ks). Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich rund 4 Mio. Menschen vorzeitig an den Folgen des Zigarettenkonsums. In Deutschland sind es Jahr für Jahr 110 000 bis 140 000 frühzeitige Todesfälle Ų das sind rund 1,5 Mio. Lebensjahre, die in einem Jahr verloren gehen. Rauchen ist einer der bedeutendsten Risikofaktoren für Krebskrankheiten. Dennoch agiert die Politik in Sachen Tabakkontrolle verhalten. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) hat nun eine Broschüre mit Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik herausgegeben, die nach der Bundestagswahl im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) überreicht werden soll.

Martina Pötschke-Langer, Projektleiterin bei Erstellung der dkfz-Handlungsempfehlungen, stellte die Broschüre am 2. September gemeinsam mit anderen am Projekt Beteiligten in Berlin vor. Über 30 Fachleute, darunter Ärzte und Suchttherapeuten, haben an dem Projekt mitgewirkt. Ihr Ziel ist es, den Tabakkonsum in Deutschland spürbar zu reduzieren und damit die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern. Zigaretten sind – im Unterschied zu Alkohol und Arzneimitteln – die einzige frei verfügbare Handelsware, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, in den meisten Fällen zu Abhängigkeit und schweren gesundheitlichen Schäden führt.

Der Kampf gegen den Tabak ist jedoch nicht mit Einzelaktionen, wie sie derzeit von staatlicher Seite aus unternommen werden, zu gewinnen. Notwendig seien diverse gleichzeitig vorgenommene Maßnahmen, erläuterte die Autorin der Handlungsempfehlungen und dkfz-Mitarbeiterin Dr. Annette Bornhäuser. Es müsse eine Gesundheitslobby gegen die mächtige Tabakindustrie aufgebaut werden. Einzelmaßnahmen, wie z. B. die Aktion "be smart, don’t start" hätten sich eher als "Frust stiftend" herausgestellt, als dass Jugendliche erreicht wurden, ergänzte Sachverständigenrats-Mitglied Rolf Rosenbrock, der ebenfalls an der Ausarbeitung der Empfehlungen beteiligt war.

Bestenfalls bei Gymnasiasten habe die Kampagne eine kurzfristige Wirkung gezeigt. Wichtig sei es aber, gerade Menschen mit geringerem sozial-ökonomischen Status anzusprechen, da hier das Gesundheitsbewusstsein am wenigsten ausgeprägt sei, so Rosenbrock.

Unabhängigkeit von der Industrie oberstes Gebot

Auch die Idee aus dem BMG, Zigarettenautomaten künftig auf ein Chipkartensystem umzustellen, findet bei den Autoren der Handlungsempfehlungen keine Freunde. Rolf Hüllinghorst, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren, erläuterte, dass gerade so Begehrlichkeiten bei Jugendlichen geweckt würden, zudem könnte dann nicht mehr die Situation entstehen, "kein Kleingeld" zu haben.

Ein anderes absolutes Tabu ist die Annahme finanzieller Unterstützungen der Tabakindustrie jedweder Art. So etwa geschehen im März dieses Jahres, als die Tabakindustrie 11,8 Mio. Euro für eine auf fünf Jahre angelegte Präventionskampagne des BMG bereitstellte. Solche Zahlungen seien für die Industrie, die jährlich weit über 250 Mio. Euro in Werbung investiert, "peanuts". Auf diese Weise würden lediglich Abhängigkeiten geschaffen, die einer wirksamen Tabakkontrolle zuwiderlaufen, erklärte Pötschke-Langer.

Deutschland müsse seine Schlusslicht-Position bei der Tabakkontrolle endlich hinter sich lassen. Zu lange habe die Industrie einen zu starken Einfluss auf die deutsche Politik ausgeübt. Die Folge: Noch immer ist Zigarettenwerbung in großem Ausmaß erlaubt, sind Warnhinweise auf Packungen vergleichsweise unscheinbar, hat die Tabaksteuer noch nicht die Schmerzgrenze erreicht.

Maßnahmen nur im Bündel wirksam

Zu den Handlungsempfehlungen, die das dkfz vorschlägt, gehören u. a. die Erhöhung der Tabaksteuer, die Bekämpfung des Zigarettenschmuggels, die Schaffung einer rauchfreien Umwelt, das Verbot von Tabakwerbung und Sponsoring, bessere Verbraucherinformation, massenmediale Prävention und Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen zur Entwöhnung. Gerade der letzte Punkt bietet auch Apotheken Möglichkeiten, Raucher beim Aufhören zu unterstützen.

Während es vielfältige Entwöhnungsprogramme für Alkoholkranke oder Abhängige illegaler Drogen gibt, die auch von den Krankenkassen erstattet werden, wird die Tabakentwöhnung in der Regel nicht als Kassenleistung anerkannt. In der Folge bestehe bei vielen im Gesundheitswesen Beschäftigten ein Wissensdefizit über Tabakentwöhnung, zudem gebe es zu wenig Angebote zur Selbsthilfe, heißt es in der dkfz-Broschüre.

Die Apotheke bietet sich jedoch als niedrigschwellige Anlaufstelle für Aufhörwillige an. Haben Sie schon einmal einen Patienten darauf angesprochen, dass seine Krankheit etwas mit dem Rauchen zu tun haben könnte? Und haben Sie mit ihm über Möglichkeiten der Entwöhnung durch Substitution gesprochen? Vielfach ist es schon ein Erfolg, jemanden dazu zu bewegen, überhaupt über das Aufhören nachzudenken. Eigeninitiative lohnt sich, soll der Einfluss der Tabakindustrie langfristig zurückgedrängt werden.

Die Broschüre zu den Handlungsempfehlungen können Sie im Internet unter www.dkfz.de/rauchfrei2002/handlungsempfehlungen.pdf herunterladen. Auf der Homepage des dkfz finden sich auch sonstige Tipps und Hinweise für aufhörwillige Raucher. Darüber hinaus werden Montags bis Freitag von 15 bis 19 Uhr am Rauchertelefon des dkfz Fragen beantwortet und Informationen erteilt: (0 62 21) 42 42 00.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich rund 4 Mio. Menschen vorzeitig an den Folgen des Zigarettenkonsums. In Deutschland sind es Jahr für Jahr 110 000 bis 140 000 frühzeitige Todesfälle – das sind rund 1,5 Mio. Lebensjahre, die in einem Jahr verloren gehen. Rauchen ist einer der bedeutendsten Risikofaktoren für Krebskrankheiten. Dennoch agiert die Politik in Sachen Tabakkontrolle verhalten. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) hat nun eine Broschüre mit Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik herausgegeben.

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