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Gesundheitsreform: Das Für und Wider von Selbstbehalten in der GKV

BERLIN (ks). Die "Frankfurter Rundschau" dokumentierte in ihrer Ausgabe vom 6. September einen Text von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, in dem die SPD-Politikerin tatsächliche oder vermeintliche gesundheitspolitische Vorhaben der CDU/CSU unter die Lupe nimmt. Ihr Fazit: Die Unionsparteien bereiten mit ihren angekündigten "Wahltarifen" das Ende der solidarischen Krankenversicherung vor. Ganz anders sieht dies der im Team des Kanzlerkandidaten Edmund Stoibers gesundheitskompetente Horst Seehofer (CSU). Er erhielt am 10. September in der "Frankfurter Rundschau" Gelegenheit zur Replik.

Beide großen Volksparteien bekennen sich angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl zum Erhalt der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die amtierende Gesundheitsministerin will dies den Unionsparteien allerdings nicht abnehmen. Die im Wahlprogramm genannten konkreten Vorschläge zur Weiterentwicklung des Systems wiesen den Weg zum "Einstieg in den Ausstieg aus der sozialen Krankenversicherung", so Schmidt in ihrem Aufsatz.

Tatsächlich heißt es im CDU/CSU-Regierungsprogramm: "Die Versicherten sollen künftig eine größere Wahlfreiheit über den Umfang ihres Versicherungsschutzes erhalten. Sie sollen künftig selbst entscheiden, ob sie den bisherigen Leistungsumfang beibehalten oder bei gleichzeitiger Beitragsermäßigung Leistungen abwählen oder einen Selbstbehalt übernehmen wollen".

Schmidt: Verschleierungstaktik der Union

Doch Schmidt sieht mit der Einführung von Wahltarifen das Problem der GKV nicht gelöst. Soweit Seehofer mit Wahltarifen solche Zusatzversicherungen meine, die etwa ein Einbettzimmer im Krankenhaus oder alternative Behandlungsmethoden sichern sollen, sei unklar, warum dies nicht – wie auch bisher – private Krankenversicherungen übernehmen können. Zum jetzigen Zeitpunkt, so die Ministerin, sei die Eröffnung eines neuen Aufgabenfeldes für die GKV im Bereich der "Luxusversicherungen" sicherlich nicht die dringlichste Aufgabe.

Daher glaubt Schmidt, derartige Äußerungen Seehofers seien "rhetorische Zuckerwatte", die die eigentlichen Absichten der Union verschleiere. Auch Selbstbehalttarife kommen für Schmidt nicht in Frage. Diese "rechnen sich nur für Gesunde" – die PKV zeige, dass nur solche Versicherte einen Selbstbehalt-Tarif wählen, die ohnehin äußerst selten den Arzt aufsuchen. Zudem werde durch Wahltarife der Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken sowie besser und schlechter Verdienenden zerstört. Junge und gesunde Versicherte würden sich vermehrt mit der preiswerteren Grundversorgung zufrieden geben, "schlechte Risiken" mit geringem Einkommen trieben sodann die Ausgaben und damit die Beitragssätze nach oben.

Seehofer: SPD scheut Patientenwünsche

Diese Schreckensvisionen der Ministerin vermag Seehofer nicht zu teilen. Er konkretisiert die Aussagen des Wahlprogramms dahingehend, dass eine "Abwahl von Leistungen" im Sinne seiner Kritiker nicht angedacht sei. Ausgangspunkt sei die Beibehaltung des bestehenden GKV-Leistungskatalogs bei gleichbleibenden Beiträgen. Eine abgespeckte automatische Grundsicherung, zu der aktiv weitere Leistungen hinzugewählt werden müssten, wolle die CDU/CSU gerade nicht. Ein Versicherter, der von seinem Wahlrecht, das ihm eröffnet werden soll, keinen Gebrauch macht, wäre mithin genauso abgesichert, wie es bisher der Fall ist.

Seehofer wirft Schmidt "Furcht vor der Selbstbestimmung der Patienten" vor. Im Mittelpunkt aller Handlungen im Gesundheitswesen müsse der Patient stehen. Dazu trügen neben einer besseren Kosten- und Qualitätstransparenz sowie der Stärkung der Prävention auch zusätzliche Wahltarife bei. Dass der Patient sich dazu in der Lage sehe, zeigten auch jüngste Bevölkerungsumfragen. Bei all dem müsse aber beachtet werden, dass die Gesundheit nicht dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb im herkömmlichen Sinne ausgesetzt werden dürfe. Ein sozial geordneter Wettbewerb müsse dafür sorgen, dass den Beteiligten innerhalb klarer sozialpolitischer Spielregeln "möglichst viele Freiheiten und eigene Entscheidungsspielräume" zustehen, so Seehofer.

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