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LAV und BKK-Landesverband Niedersachsen: Wohnortnahe Hausapotheke erstmals vertr

(tmb). Die komplette Versorgung durch die wohnortnahe Hausapotheke ist die Antwort der Apotheker auf die Versandhandelsdiskussion. Um diese Idee mit Inhalten zu füllen, wurde hierzu in Niedersachsen ein Vertrag mit dem BKK-Landesverband geschlossen. Wenn nun die Umsetzung folgt, sollte sich der Streit um den Versandhandel erübrigen.

Das Konzept der Versorgung durch eine wohnortnahe Hausapotheke hat durch die Vereinbarung zwischen dem Landesapothekerverband Niedersachsen und dem BKK-Landesverband Niedersachsen-Bremen erstmals eine vertragliche Grundlage erhalten. Damit können sich die niedersächsischen BKK-Versicherten freiwillig für mindestens ein Jahr bei einer Hausapotheke einschreiben. Das Angebot wendet sich vorrangig an chronisch kranke Patienten.

Die Hausapotheke soll ihre eingeschriebenen Patienten mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und Hilfsmitteln versorgen und diese bei Bedarf bis an das Krankenbett liefern. Die Versorgung mit Nichtarzneimitteln wird dabei auf ein Dauerversorgungssystem umgestellt, das den Apotheken die Planung größerer Einkaufsmengen ermöglicht.

Dafür berechnen die Apotheken den Krankenkassen nur noch die Preise, die gemäß Arzneiliefervertrag für eine 500er Staffel vorgesehen sind. Außerdem erhält der eingeschriebene Versicherte beim Einkauf in "seiner" Hausapotheke im Zusammenhang mit einer Kundenkarte einen Rabatt von 5% auf nicht-preisgebundene Artikel. Bei der freiwilligen Einschreibung bleibt die freie Apothekenwahl erhalten, sodass auch ein Urlaub unproblematisch ist.

Pharmazeutische Betreuung erstmals vertraglich vereinbart

Der Vertrag sieht außerdem vor, Inhalte der Pharmazeutischen Betreuung modulweise nach und nach einzuführen. An erster Stelle stehen dabei vergütungsfähige Arzneimitteldossiers, die einen Überblick über die gesamte Medikation eines Patienten bieten. Soweit dabei zusätzliche pharmazeutische Leistungen über die bisherige Beratung hinaus erbracht werden, sollen diese auch durch die BKK vergütet werden können.

Im Vorfeld des Vertragsabschlusses hatten gemeinsame Beratungen der Apothekerkammer und des Landesapothekerverbandes Niedersachsen stattgefunden. Die letzten Details wurden am 4. September im Landesausschuss des LAV diskutiert. Die neuen Regelungen sollen ab 1. Oktober wirksam werden. Das Angebot des Arzneimitteldossiers ist jedoch erst ab 1. Januar 2003 vorgesehen.

Versandhandelsdiskussion erledigt?

Am 5. September wurde das neue Konzept im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz des BKK-Landesverbandes und des LAV in Hannover der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Vorsitzende des BKK-Landesverbandes, Ingo Werner, erklärte dort, mit dieser Vereinbarung gäbe es nun keinen Grund mehr, Arzneimittelversand zu fordern. Denn nun sei eine bedarfsgerechte Versorgung mit Beratung vor Ort vereinbart worden. Allerdings konnte Werner nicht ausschließen, dass einzelne BKKs auch künftig von DocMorris belieferte Rezepte erstatten würden.

In einer Meldung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 6. September wurde in diesem Zusammenhang über die Position des Vorstandes der BKK Continental, Bernd Hillebrandt, berichtet. Diese Krankenkasse hatte sich besonders früh für den Versandhandel und DocMorris stark gemacht. In dem Zeitungsartikel wird Hillebrandt mit der Äußerung zitiert, für den Versandhandel brauche seine Kasse keine Werbung mehr zu machen, weil rund ein Prozent der BKK-Conti-Versicherten das Angebot von DocMorris nutze. Seine Krankenkasse habe die Republik aufgerüttelt, nun hätten die Apotheker sich bewegt, womit das Ziel erreicht sei. Doch werde seine Krankenkasse weiterhin Rezepte von DocMorris akzeptieren.

Für Verwirrung im Anschluss an die Pressekonferenz sorgte zudem eine Meldung des NDR 1-Hörfunks. Darin wurde behauptet, die Versicherten erhielten künftig einen Rabatt von 5% auf alle Arzneimittel. In einem gemeinsamen Schreiben von Apothekerkammer und -verband an ihre Mitglieder wurde klargestellt, dass nur die nicht preisgebundenen Produkte rabattiert werden können.

Zukunftsweisendes Konzept

Kammer und Verband bezeichnen die getroffene Vereinbarung in diesem Schreiben als "richtungsweisenden Beitrag" für die "Zukunftsfähigkeit der freiberuflichen Apotheke". Die Pharmazeutische Betreuung sei nun erstmals in einem Vertrag zwischen Krankenkassen und Apotheken vereinbart. Daher appellieren Kammer und Verband gemeinsam an die Kollegenschaft, sich an der Umsetzung der Vereinbarung zu beteiligen und einen Beitrag zur "zukunftsgerichteten Berufspolitik" zu leisten.

Heinz-Günter Wolf, ABDA-Vizepräsident und Vorsitzender des LAV Niedersachsen, betonte gegenüber der DAZ, nun werde "die wohnortnahe Apotheke als pharmazeutischer Vollversorger auch vertraglich festgeschrieben". Das gemeinsam geplante Konzept könne nur funktionieren, wenn die Krankenkassen ihrerseits die Mitglieder ermuntern, die wohnortnahe Apotheke als ihre Hausapotheke zu nutzen. Wolf sieht viel Arbeit auf Kammer und Verband zukommen, da die Apotheken nun über die Einzelheiten der Umsetzung informiert werden müssten. Die Kammer sorge dabei für die qualitätssichernden Maßnahmen.

Offen für DMP

Die getroffene Vereinbarung ist rechtstechnisch eine Ergänzung zum bestehenden Arzneiliefervertrag. Sie stellt kein Disease Management Programm (DMP) dar, zumal die Vereinbarung nicht auf Patienten mit speziellen Krankheiten beschränkt ist. Doch habe die Diskussion um die DMP nach Einschätzung von Wolf als Hilfestellung für die Vertragsverhandlungen gedient. Außerdem könnten künftige DMP-Module in das Konzept integriert werden. Die Apotheken seien damit auch für die DMP vorbereitet.

In einer gemeinsamen Presseerklärung des BKK-Landesverbandes und des LAV wird bereits auf das DMP "BKK MedPlus" hingewiesen. Dieses derzeit noch im Aufbau befindliche DMP habe zum Ziel, Diabetiker noch besser und zielgenauer zu versorgen. Die Apotheken würden die BKKs beim Aufbau dieses DMP unterstützen. Zudem läge es angesichts der engen Kontakte der Diabetiker zur Apotheke nahe, wenn Apotheker die BKK-Versicherten über das DMP informieren und beraten.

Vor- und Nachteile

In der Presseerklärung bezeichnet der BKK-Vorsitzende Werner die getroffene Vereinbarung als "dreifache win-win-Situation". Apotheken und Krankenkassen würden sich die Rabattgewinne teilen, während die Versicherten von der hausnahen und besseren Versorgung profitierten. Er nennt als weiteres Ziel, dieses Angebot auf Arzneimittel auszuweiten, geht dabei aber nicht auf die Vorschriften zur Arzneimittelpreisbildung ein.

Im Gespräch mit der DAZ hob Dr. Peter Moormann, Geschäftsführer des LAV Niedersachsen, den Einstieg in die Pharmazeutische Betreuung als besonderen Vorteil des Vertrages hervor. Nachdem dieses Konzept über viele Jahre propagiert worden sei, müsse es nun auch zum Bestandteil der vertraglichen Versorgung werden.

Kritiker der Vereinbarung befürchten dagegen mögliches Konfliktpotenzial im Verhältnis zur Ärzteschaft bei der Definition der pharmazeutischen Module. Hier seien Überschneidungen zu ärztlichen Leistungen vorstellbar. Außerdem soll im Vorfeld der Vereinbarung hart über das Zugeständnis hinsichtlich der Rabattierung gestritten worden sein.

Als weiteres Problem könnte sich das Verhalten der eingeschriebenen Versicherten erweisen. Denn diese sollen sich an eine Apotheke binden und dort Vorteile erhalten, doch bestehen keine Kontrollmöglichkeiten, ob sie möglicherweise auch anderswo Rezepte einlösen. Hier kann nur an das Interesse der Patienten an kompletten Medikationsprofilen appelliert werden.

Den möglichen Problemen steht als Erfolg für die Apotheker gegenüber, dass nun erstmals eine vertragliche Struktur geschaffen wurde, um neue pharmazeutische Leistungen zu honorieren. Allerdings steht hierzu noch die endgültige Zustimmung der BKK-Gremien aus.

Impuls für andere Bundesländer

Die getroffene Vereinbarung gilt für BKK-Versicherte in Niedersachsen, doch zeigen sich die Verhandlungsführer auf Apothekerseite auch für Gespräche mit anderen Krankenkassen offen. Außerdem wird in anderen Bundesländern, beispielsweise in Schleswig-Holstein, bereits mit einer ähnlichen Zielsetzung an Verträgen gearbeitet, die die Versorgung durch die wohnortnahe Hausapotheke festschreiben.

Die komplette Versorgung durch die wohnortnahe Hausapotheke ist die Antwort der Apotheker auf die Versandhandelsdiskussion. Um diese Idee mit Inhalten zu füllen, wurde in Niedersachsen ein Vertrag mit dem BKK-Landesverband geschlossen. Wenn nun die Umsetzung folgt, sollte sich der Streit um den Versandhandel erübrigen. Das Konzept der Versorgung durch eine wohnortnahe Hausapotheke hat durch die Vereinbarung zwischen dem Landesapothekerverband Niedersachsen und dem BKK-Landesverband Niedersachsen-Bremen erstmals eine vertragliche Grundlage erhalten.

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