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Konzepte zur Gesundheitsreform: Evolution statt Revolution im Gesundheitswesen

BERLIN (ks). Der Kieler Gesundheitsforscher Prof. Dr. Fritz Beske vom Institut für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) hat am 2. September in Berlin das "Berliner Konzept einer Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" vorgestellt. Angesichts der vielfältigen Diskussionen und Klagen um und über unser Gesundheitssystem hat Beske das Konzept mit sieben weiteren Persönlichkeiten des Gesundheitswesens erarbeitet. Ihr Fazit: bislang hat sich das System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bewährt Ų doch nun muss es dringend den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.

Das in der IGSF-Schriftenreihe erschienene Konzept ist aus einem Diskussionsforum entstanden, dem u.a. der Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Rainer Hess, der Geschäftsführer der Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel GmbH, Prof. Dr. Michael Habs, und der Vorstandsvorsitzende das BKK-Landesverbands Bayern, Gerhard Schulte angehörten.

Herausgegeben hat Beske das "Berliner Konzept" allerdings in alleiniger Verantwortung. Er will mit seinen Vorschlägen der Politik ein "Angebot" machen. Wer auch immer am 22. September die Wahl für sich entscheiden wird: "Wenn wir nicht bald handeln, ist in den nächsten 20 Jahren mit einer Verdopplung der Krankenkassenbeiträge zu rechnen", so Beske. So erstrebenswert der medizinische Fortschritt auch sei, er ist zugleich "Sprengsatz der Entwicklung", erklärte der Kieler Mediziner. Er prognostizierte, dass wir bei weiterer Tatenlosigkeit eines Tages so teure Arzneimittel haben werden, dass die GKV durch diese Kosten "gesprengt" werde.

Orientierung an Solidarversicherung

Mit dem "Berliner Konzept" soll das Gesundheitswesen nicht revolutioniert, sondern vielmehr evolutionär fortentwickelt werden, erläuterte Beske. Systemverändernde Vorschläge seien weder erforderlich, noch fänden sie politische oder gesellschaftliche Akzeptanz. Daher, so Beske, sei das Konzept an einer solidarisch finanzierten und selbstverwalteten Krankenversicherung orientiert. Weitere Grundpositionen der 166 Seiten starken Publikation sind die Forderungen nach persönlicher Verantwortung ("es gibt keine verordnete Gesundheit") und einer für die Patienten überschaubaren und durchgängig integrierten Versorgung.

Mehr Geld ins System

Im Einzelnen wird in dem Konzept z. B. vorgeschlagen, Zuzahlungen – mit Ausnahme der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen – auf alle Leistungsbereiche auszuweiten. So sollte etwa ein Krankenhausaufenthalt mit täglich 10 Euro vom Patienten mitfinanziert werden. Für Arzneimittel sollte eine prozentuale Zuzahlung mit Kappungsgrenze eingeführt werden, um Kostentransparenz zu schaffen, Arzneimüll zu reduzieren und die Compliance zu erhöhen. Darüber hinaus sollten Festbeträge und die Aut-idem-Regelung aufgehoben und auf die Positivliste verzichtet werden.

Für innovative Arzneimittel fordern Beske und seine Mitstreiter eine Preisregulierung: Die Preisfestsetzung müsse nach Verhandlungen zwischen Hersteller und Bundesgesundheitsministerium, bzw. einer von diesem benannten Institution, erfolgen. Zudem sollte ein neues "Institut für Innovationsbewertung in der Medizin" gegründet werden, das beim Koordinierungsausschuss oder dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anzusiedeln sei.

Im Konzept wird weiterhin eine Absenkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf sieben Prozent gefordert. Die Tabak- und Zigarettensteuer will Beske um 70 Prozent erhöhen. Zudem müssten versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden. Anders als Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt meint Beske, es müsse "mehr Geld ins System", die guten Strukturen seien bereits vorhanden.

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