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Aut-idem kontrovers: Einsparziele übertroffen – Apotheker kaum beteiligt,

BERLIN (bra). Erste Erfahrungen mit den neuen Regeln für die Aut-idem-Substitution, über die am 28. August 2002 auf einer FORUM-Veranstaltung in Berlin diskutiert wurde, zeigen ein gespaltenes Bild. Erhebliche Preissenkungen sind die eine Seite. Auf der anderen Seite erhält der Apotheker durch die Preissenkungen praktisch keine Gelegenheit zu substituieren: da die verordneten Arzneimittel nun fast komplett schon als "preisgünstig" einzustufen sind, ist den Apothekern eine Substitution, anders als sie und ihre Berufsvertretung erwartet hatten, fast vollständig untersagt.

Die erste Tranche der Regelung, die durch die Inkraftsetzung der Preislinien seit dem 1. Juli dieses Jahres greift, hat zu einer drastischen Senkung des Preisniveaus geführt. Die Einsparungen in der Höhe von rund 200 Mio. Euro, allein durch die erste Tranche, sind für die Gesundheitsministerin eine außerordentlich positive Überraschung. Mit der zum Oktober greifenden zweiten Tranche von Wirkstoffen werden, wenn sich das Preissenkungsverhalten der Industrie fortsetzt, weitere Einsparungen von 400 Mio. Euro erwartet.

Allein durch die ersten beiden Tranchen ergäben sich also Einsparungen von 600 Mio. Euro, also von 3% der GKV-Arzneimittelausgaben (rund 20 Mrd. Euro). Was wirkt, sind die Preissenkungen der Industrie. Die Substitution durch die Apotheke spielt praktisch keine Rolle. Sie bleibt faktisch verboten, da die verordneten Präparate nach den Preissenkungen fast vollständig als "preisgünstig" gelten: sie sind eines von maximal fünf zur Auswahl stehenden Präparaten oder ihr Preis liegt im unteren Preisdrittel.

Fünferregelung unerwartet bedeutsam: Regelungslücke?

MinDirig. Dr. Hermann Josef Pabel, der aus Altersgründen Ende August als Unterabteilungsleiter aus dem Bundesministerium für Gesundheit ausschied, machte deutlich, dass sich die Ängste der Ärzteschaft und der Industrie, im Gefolge der durch das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) eingeführten neuen Aut-idem-Regelungen werde es zu abrupten Präparatewechseln kommen, nicht bestätigt hätten. Allerdings habe die so genannte Fünferregelung (die Preislinien greifen nicht, wenn nur bis zu fünf Arzneimittel zur Auswahl zur Verfügung stehen; jedes dieser Arzneimittel gilt dann als preisgünstig) eine erhebliche und unerwartete Bedeutung bekommen.

Bei der ersten Tranche, von der ca. 9000 Fertigarzneimittel erfasst wurden, unterliegen immerhin 3200 der Fünferregelung, 1400 davon gehören zu Kleingruppen mit weniger als fünf Arzneimitteln im unteren Preisdrittel; 1800 weitere Arzneimittel werden von der Fünferregelung erfasst, weil sie einer Gruppe mit nicht mehr als fünf Arzneimitteln angehören.

Während die Preislinien (unteres Drittel) für Gruppen mit einer Auswahl von mehr als fünf Arzneimitteln jeweils für ein ganzes Quartal fixiert werden, gilt diese Fixierung für die von der Fünferregelung erfassten Arzneimittel nicht. Hier sind nach dem Wortlaut des Gesetzes Preisverschiebungen mit jeder Preisänderungsrunde, also vierzehntägig möglich.

Darin könne eine Regelungslücke gesehen werden – so Pabel. Denkbar wäre eine Klarstellung durch das Ministerium, dass auch für die Präparate der Fünferregelung Preisanpassungen nur einmal je Quartal zugelassen seien. Das Ministerium prüfe derzeit diese Fragen; mit welchem Ergebnis sei allerdings noch nicht abzusehen.

Mondpreise unzulässig?

Pabel äußerte sich auch zur Frage, wie die Positionierung von "Dummies" zu sehen sei. Dies bezieht sich auf Arzneimittel mit extrem hohen oder auch niedrigen Preisen, die von der Industrie mit der Absicht positioniert würden, um Einfluss auf die Preislinien zu nehmen. Unter dem Protest von Industrievertretern sagte Pabel, solche Umgehungsstrategien seien unzulässig. Eindeutig überhöhte Preise würden nicht berücksichtigt, denn Phantasiepreise seien vom Gesetz nicht vorgesehen. Hohe Preise, die allerdings im Markt schon vorkämen, müssten auch akzeptiert werden.

ABDA zeigt sich distanziert

Die neue Aut-idem Regelung hat auch nach Einschätzung der ABDA nicht das gebracht, was man sich erhofft hatte. Auf dem Paket stehe zwar Aut-idem 'drauf, es sei aber nicht drin – so ABDA-Geschäftsführer Frank Diener. Durch die großflächigen Preissenkungen habe sich die Industrie selbst geschadet – allerdings auch den Apothekern, denn bei der Verordnung von ohnehin als "preisgünstig" einzustufenden Arzneimitteln bleibe die Substitution verboten.

Diener erläuterte ein alternatives Konzept für die Arzneimittelauswahl, das die ABDA – unter dem Etikett "Zielpreisauswahl" – allerdings erst zur Diskussion stellte, als das Gesetz beschlossene Sache und klar absehbar war, dass man mit den alten Vorstellungen Schiffbruch erleiden würde. Bei diesem Konzept werden die Erstattungsgrenzen unter Einbeziehung der Umsatzanteile der Präparate gebildet.

Ganz ähnlich wie bei einem von der DAZ schon vor Jahren vorgestellten und vor Verabschiedung des Gesetzes präzisierten Modell* (aber ohne Bezug darauf) bleibt auch bei dem ABDA-Konzept prinzipiell jedes Produkt "kassenfähig". Dennoch sei das gleiche Einsparziel wie bei der Drittelauswahl realisierbar. Das "Zielpreissystem" mache das Festbetragssystem überflüssig und sei weniger strategieanfällig als die gegenwärtig gültige Lösung.

Ähnlich, aber aus ganz anderen Gründen enttäuscht wie Diener zeigte sich auch BKK-Bundesverbands-Geschäftsführer Wolfgang Schmeinck. Bei einer Abwägung unter Berücksichtigung der Haftungsfragen und des bürokratischen Aufwandes senke sich mit Blick auf die Aut-idem-Regelung bei ihm der Daumen – meinte Schmeinck. Die positiven Effekte seien im wesentlichen Preiseffekte.

Erste Erfahrungen mit den neuen Regelungen für die Aut-idem-Substitution, über die am 28. August auf einer FORUM-Veranstaltung in Berlin diskutiert wurde, zeigen ein gespaltenes Bild. Erhebliche Preissenkungen sind die eine Seite. Auf der anderen Seite erhält der Apotheker durch die Preissenkungen praktisch keine Gelegenheit zu substituieren: da die verordneten Arzneimittel nun fast komplett schon als "preisgünstig" einzustufen sind, ist den Apothekern eine Substitution, anders als sie und ihre Berufsvertretung erwartet hatten, fast vollständig untersagt. 

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