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Impfstoffe: Keep it cool!

Viele Impfstoffe müssen bekanntlich kühl gelagert, aber auch kühl transportiert werden. Wichtig ist es dabei, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Dabei ist es so gut wie nicht möglich festzustellen, ob die erforderlichen niedrigen Temperaturen stets eingehalten wurden. Ein junger Apotheker hat sich hierzu Gedanken gemacht und stellt seinen Lösungsvorschlag vor.

Nachdem der Bundestag am 15. Juni und der Bundesrat am 21. Juni beschlossen haben, Impfstoffe im Apothekenvertrieb zu lassen, sind diese besonderen Arzneimittel erneut mehr in den Blickpunkt geraten. Die besondere Wärmeempfindlichkeit bedingt allerdings einen speziellen logistischen Aufwand für diese Medikamente. Eine zuverlässige Sicherung der Qualität bleibt aber bis heute problematisch - blieb die Kühlkette während des Transportes lückenlos geschlossen?

Unterbrechung der Kühlkette leicht möglich

Ob in der Offizin beim Verbuchen der Ware, beim Großhandel in der Lagerhaltung oder gar beim Vertrieb des Herstellers: Schnell kann es passieren, dass die Kühlkette unterbrochen wird! Es genügt im Sommer schon, wenn die Impfstoffe einige Stunden "herumstehen". Das muss nicht immer einen Qualitätsverlust darstellen, aber gerade bei den Lebendimpfstoffen kann es zu deutlichen Aktivitätsverlusten kommen. Wenn nun beispielsweise ein Patient die ersten zwei seiner drei Hepatitis-B-Impfungen

(Impfschema: 0-1-6 Monate) aus einer solchen Charge erhält, könnte es theoretisch zu einer stark eingeschränkten Immunantwort kommen - eine Infektion würde so zumindest in den Bereich des Möglichen rücken! Bleibt die Frage: Wie lässt sich die Qualität, in Bezug auf den Temperaturbereich, ab dem Zeitpunkt der Produktion gewährleisten?

Temperaturindikatoren als Lösungsmodell

Ein technisch und ökonomisch gangbarer Weg könnte über so genannte Temperaturindikatoren führen. Das sind in der Regel Pigmente, die bei einer bestimmten Temperatur einen Farbwechsel anzeigen (sog. Thermochrome oder Thermocolore: Ammonium[V]vanadat beispielsweise schlägt bei 150 °C dauerhaft von weiß nach braun um).

Die relevanten Indikatoren liegen hier aber leider in höheren Temperaturbereichen, für unsere Zwecke deshalb eher ungeeignet. Wesentlich interessanter sind hier organische Flüssigkeiten mit einem Schmelzpunkt von 6,0 bis 8,0 °C. Durch ihre lipophilen Eigenschaften könnten sie dazu noch gut gefärbt und damit deutlich beobachtet werden. Eine Anbringung auf der Sekundärverpackung aus Karton ließe sich aber allzu leicht manipulieren. Das Indikatorsystem sollte also in direktem und dauerhaftem Kontakt mit der Primärverpackung stehen.

Ampullen mit separater Kammer

Bei Ampullen könnte man sich eine kleine separate Glaskammer, fest angeschmolzen, vorstellen. In diesem separaten Hohlraum wird ein großer Tropfen der gefärbten Indikatorflüssigkeit durch Rotation zentriert und auf unter 8,0 °C abgekühlt. Der Tropfen erstarrt und zeigt in seiner produktionstechnischen Form und Position die lückenlose Kühlkette an. Wenn nun diese Temperatur für einen längeren Zeitraum überschritten wird, verflüssigt sich der Tropfen und verfließt in der Kammer. Der Tropfen verändert also deutlich Form und Position. Der verbuchende Apotheker oder die PTA/PKA beziehungsweise Arzt oder MTA kann somit relativ leicht feststellen, dass diese Ampulle nicht optimal gelagert bzw. transportiert wurde, und die Packung zurückgeben.

Selbstverständlich kann man sich dieses System auch für andere gentechnisch oder biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe wie Antikörper oder Interferone vorstellen, die ebenfalls temperaturempfindlich sind und z. T. kühl gelagert werden müssen.

Weiterhin wären statt Ampullen auch Durchstechflaschen in diversen Größen vorstellbar. Bei Fertigspritzen ließe sich ein solches Temperaturindikatorsystem einfach dauerhaft mit einblistern.

Organische Temperaturindikatoren

Grundsätzlich kommen natürlich einige Flüssigkeiten als Temperaturindikatoren infrage. Allerdings scheiden Kandidaten wie 2-Chlorphenol, 2-Chlortoluol oder Ethylendiamin aufgrund ihrer Toxizität aus. Octylphenylether oder Benzyllaurat sind chemisch eher als Exoten zu betrachten, eine Synthese wäre aber grundsätzlich möglich. Recherchen ergaben als brauchbaren Kandidaten Ethylcinnamat beziehungsweise Zimtsäureethylester.

Diese Substanz wird in der Literatur mit einem Schmelzpunkt von 6 bis 8 °C angegeben und stellt eine meist farblose, leicht ölige Flüssigkeit mit einem fruchtig-zimtartigen Geruch dar. Ethylcinnamat ist mit einer oralen LD50 von 4000 mg/kg als relativ ungiftig anzusehen. Weiterhin weißt es deutlich lipophilen Charakter auf, lässt sich deshalb gut mit einer Reihe von Farbstoffen färben. Die Substanz ist als Laborchemikalie auch zu einem erschwinglichen Preis verfügbar, in größeren Mengen also mit Sicherheit im ökonomisch günstigen Bereich angesiedelt.

Mein kurzer Beitrag stellt noch kein ausgereiftes System dar. Mit Sicherheit führt diese Idee aber in eine praktikable Richtung, lässt sich weiter entwickeln oder initiiert andere Modelle.

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