Wirtschaft

L. EberzWohin steuert die Apotheke? Die Apotheke heu

Die selbstständigen Offizinapotheker und ihr Fachpersonal stehen vor einer der größten Herausforderungen in der Geschichte ihres Berufsstandes. Was sind die Hintergründe und wie ist die Aussicht?

Die Apotheke von heute

Das organisatorische Erscheinungsbild der Apotheke hat sich im Laufe der Jahrhunderte des Bestehens dieser besonderen Art von Unternehmen erheblich verändert. Die wohl bedeutendsten Einschnitte waren der weitgehende Übergang von der handwerklichen Arzneimittelherstellung durch den Offizinapotheker zur industriellen Medikamentenproduktion, die Einbindung der Apotheke in ein im Wesentlichen von Versichertengemeinschaften finanziertes System von Gesundheitsleistungen sowie die Einführung der Niederlassungsfreiheit.

Hinzu kam eine Erweiterung des Wissens über Arzneimittel in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, welche die vorangegangene Entwicklung weit in den Schatten stellte. So ist die öffentliche Apotheke von heute ein nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen unter Konkurrenzbedingungen bei hoher Wettbewerbsintensität geführtes, mit umfangreichem Spezialwissen ausgestattetes Einzelhandelsunternehmen, das dem Kunden bzw. Patienten außer einer einwandfreien Ware eine persönliche Beratung auf der Grundlage der Hochschulausbildung des Apothekers und der sonst qualifizierten Ausbildung seines Fachpersonals bietet.

Ihr Bewegungsspielraum ist dabei durch einen Rahmen abgesteckt, der sie sowohl besonders einengt als auch schützt. In diesem Zusammenhang sind z. B. das Alleinvertriebsrecht für Arzneimittel, das Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie die Arzneimittelpreisverordnung von Bedeutung. Von hier aus erfüllt sie nahezu flächendeckend den gesetzlichen Auftrag der im öffentlichen Interesse gebotenen Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.

Kompliziertes Verhältnis zwischen Apotheke und Öffentlichkeit

Anders als in "normalen" Märkten liegt dem größten Teil des Umsatzes im Arzneimitteleinzelhandel eine Vierecksbeziehung zwischen erstens demjenigen, der die Leistung nachfragt, zweitens demjenigen, der die Erbringung der Leistung "verordnet", drittens dem Erbringer der Leistung und viertens demjenigen, der für die Leistung bezahlt, zugrunde. Im wohlverstandenen Sinne "im Bunde" sind hier der Patient, der Arzt, der Apotheker und die Krankenversicherung.

Aus dieser Beziehung resultiert ein kompliziertes Verhältnis zwischen der Apotheke und der Öffentlichkeit. Letztere ist in dem Maße von den Funktionsdefiziten des Systems und damit auch von den "Reibungsverlusten" der Zusammenarbeit der Beteiligten "betroffen", wie der Einzelne in dieses Beziehungsgeflecht involviert ist, sei es etwa als Patient eines Arztes, als Apothekenkunde oder als Zahler von Krankenversicherungsbeiträgen oder als alles in einer Person.

Wer aus der Öffentlichkeit aber steht in dieser Hinsicht schon gänzlich außen vor? Funktionsdefizite schließlich werden - auch hier - als solche nur empfunden, sofern und soweit sie sich in persönlichen Kosten niederschlagen. Arzneimittelpreise und darauf gerichtete Selbstbeteiligungspflichten - bis hin zur 100-prozentigen Selbstbeteiligung etwa infolge kompletter Streichung von Versicherungsleistungen - sowie Krankenkassenbeiträge stehen für den Verbraucher dabei zweifellos an erster Stelle der Wahrnehmung.

Sensibel auf die Entwicklung von Krankenversicherungsbeiträgen reagieren weiterhin die Arbeitgeber, für die es hier um Lohnnebenkosten geht. Wird die Öffentlichkeit auf diesem Wege auf Funktionsdefizite aufmerksam, sucht sie nach einem "Schuldigen". Für die damit bezeichnete Rolle eignet sich indes die Apotheke vor allem auch deshalb ganz besonders, weil sie im interinstitutionellen Wettbewerb - also im allseitigen Bemühen der Leistungserbringer im Gesundheitssektor um die Gunst der Konsumenten - benachteiligt ist.

Benachteiligungen der Apotheke im interinstitutionellen Wettbewerb

Sucht der betroffene Einzelne aus der Öffentlichkeit nach Erklärungen für Kostensteigerungen - etwa weil ihm trotz so mancher Beschwörung, Medizin dürfe nicht ökonomisiert werden, deucht, dass hier wie bei allen knappen Gütern es nicht nur um Angebot und Nachfrage, um Leistung und Gegenleistung, sondern beiderseits (!) auch und gerade um Minimierung von Kosten bzw. Maximierung von Nutzen, also die zwei Varianten des Wirtschaftlichkeitsprinzips geht -, hängt der Erfolg seiner Bemühung vor allem auch von der Quantität und der Qualität der verfügbaren Informationen ab sowie von seinen Fähigkeiten, diese auszuwerten, und damit von seinem Bildungsstand speziell auch in Wirtschaftsfragen.

Was die verfügbaren Informationen betrifft, so ist allem voran darauf hinzuweisen, dass die Preise keines anderen ausgabengewichtigen Leistungserbringers im Bereich der öffentlich-rechtlichen Krankenversicherung als dem Hauptkrankenversicherungsträger so offen mit einer konkreten Gegenleistung in Zusammenhang gesehen werden können wie die häufig als "Apothekenpreise" diffamierten Medikamentenverkaufspreise. Dadurch sind die Apotheken geradezu hervorragend als "Sündenböcke des Gesundheitswesens" geeignet.

Die Preise der Krankenhausbehandlung und die Honorare niedergelassener Ärzte - seien sie im Einzelfalle nun vertretbar oder nicht - gelangen der breiten Öffentlichkeit bei weitem nicht so sehr zur Kenntnis wie besagte Arzneimittelpreise. Dieser ganz wesentlich im Sachleistungsprinzip der Sozialversicherung begründete Umstand stellt eine bedeutende Privilegierung von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten im interinstitutionellen Wettbewerb und umgekehrt eine entsprechende Diskriminierung der Apotheken dar. Privat krankenversicherte Patienten sind hinsichtlich dieser Informationen aufgrund des Kostenerstattungsprinzips gegenüber den GKV-Patienten besser gestellt. Gleichermaßen privilegiert sind die Krankenkassen hinsichtlich ihrer Verwaltungsausgaben.

Die gesamte Schieflage wird auch und gerade beim Blick auf die Struktur der Gesamtausgaben der so genannten gesetzlichen Krankenversicherung deutlich. Sind die einschlägigen Statistiken der Öffentlichkeit aber in ausreichendem Maße gegenwärtig? Und weiter: Wer aus der Öffentlichkeit kann solche Statistiken überhaupt lesen?

Damit richtet sich der Blick auf die Wirtschaftskenntnisse der Bevölkerung. Was diese anlangt, so ist z. B. auf die fortlaufenden Klagen von Betrieben und Verbänden über fundamentale Defizite von Absolventen allgemeinbildender Schulen hinzuweisen. In seltener, ja geradezu historischer Einmütigkeit haben Arbeitgeber und Gewerkschaften im Jahr 2000 sich für die Einführung eines Schulfaches "Wirtschaft" ausgesprochen - und damit etliche Monate vor "Pisa" eine der hitzigsten bildungspolitischen Debatten der letzten Jahre ausgelöst.

Einen solchen Vorstoß lediglich als Standespolitik von Ökonomen abzutun, wäre eine Verkennung der Zusammenhänge. Natürlich geht es, wie in allen Fällen politischer Forderungen, die bestimmte Berufsgruppen besonders betreffen, auch um Standespolitik. Es geht aber noch um weit mehr als um das: Wir alle müssen uns fragen, wie lange wir als Produzenten und als Konsumenten im weiteren Sinne, so etwa als Apotheker, es uns leisten können, auf eine solide Grundausbildung der nachwachsenden Generationen auf den Gebieten der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre zu verzichten.

Natürlich muss nicht jeder ein ausgebildeter Ökonom sein, genauso wenig wie beispielsweise ein ausgebildeter Chemiker oder Physiker. Wie aber sollen etwa Apothekenkunden den Sinn von Arzneimittelpreisen bzw. Apothekengewinnen und Gewinnen der pharmazeutischen Industrie oder Krankenversicherte den Sinn von Krankenversicherungsbeiträgen verstehen, wenn sie lediglich gelernt haben, in der Verteilungs- bzw. der Umverteilungsdimension zu denken?

Bleibt diesen Kunden überhaupt eine andere Wahl, als bei "teueren" Medikamenten sich ausgebeutet zu fühlen? Und suchen diese Versicherten bei Beitragssteigerungen den "Schuldigen" nicht geradezu zwangsläufig andernorts, so z. B. bei den Apotheken?

Vor diesem Hintergrund kommt der Tagespresse und vergleichbaren Medien eine besondere Verantwortung zu. Für die Öffentlichkeit ist es nämlich sehr wichtig, was "ihre" Tageszeitung zu diesem Thema meldet. Stellt sie etwa unter dem Titel "Bittere Medizin" eine Grafik zur Entwicklung der "Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel sowie Heil- und Hilfsmittel aus Apotheken" kommentarlos vor, aus der zu ersehen ist, dass diese Größe von einem Betrag von DM 27,5 Mrd. im Jahre 1993 nahezu kontinuierlich auf einen Betrag von DM 37,8 Mrd. im Jahre 2000 angestiegen ist, so wird die Mehrheit der Leser wohl nicht denken "Aha, soviel war eine professionelle Versorgung mit Arzneimitteln uns also wert", sondern vielmehr "Also doch: Die Apotheker ruinieren uns!"

Dass die Masse eine Zusatzinformation des Mediums, der Anteil dieser Ausgaben an allen Leistungsausgaben sei von 16,4% in 1991 auf 15,3% in 2000 gesunken, zutreffend zu bewerten weiß, darf umso mehr bezweifelt werden, wenn der Hinweis lediglich als eine Art Randnotiz erscheint. Ist eine derartige Berichterstattung allgemeine Übung, ist es nicht verwunderlich, wenn die Apotheker, bei allem Ansehen, das sie insgeheim sicher genießen, in hohem Maße mit Neid und Missgunst konfrontiert sind.

In dem aufgezeigten interinstitutionellen Wettbewerb ist der Apotheker indes noch in mindestens einem weiteren Punkt benachteiligt: Wer laut über Einsparungen im Gesundheitswesen nachdenkt und "Hausnummern" nennt, hat möglicherweise nicht nur mit der Antwort einer mächtigen Standesvertretung, sondern auch mit der Verstimmung seines ganz persönlichen Ansprech- bzw. Vertragspartners zu rechnen. Da ist es gut zu wissen, dass man den Kontakt notfalls vergleichsweise problemlos abbrechen und sich an einen Konkurrenten wenden kann.

Hier ist der Apotheker etwa gegenüber dem Arzt gewiss schon aus rein psychologischen Gründen im Nachteil: Wem man erst einmal gestattet hat, sich einem bis zur Haut zu nähern, ggf. in den eigenen Körper einzugreifen, und auf dessen Diagnose man sodann ebenso existenziell bangt wie hofft, an den ist man vergleichsweise fest gebunden. Dieser Nachteil scheint angesichts der allerorten in Apotheken hierzulande gegebenen schnellen Verfügbarkeit sämtlicher Arzneimittel und der insoweit vorliegenden Homogenität der apothekerischen Leistung, wenn überhaupt, nur durch Beratungskompetenz ausgleichbar.

Hier wird einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, dass der Apotheker und sein Fachpersonal ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet der pharmazeutischen Beratung pflegen, dokumentieren und selbstbewusst gegen andere Dienstleistungen, insbesondere im Gesundheitssektor, abgrenzen.

Apotheken in der Interventionsspirale

Was die allgemeinen Wettbewerbsbedingungen anlangt, so war die Entwicklung der Apotheken wie der übrigen Leistungserbringer, vor allem in den vergangenen drei Dekaden, von staatlichen Interventionen in den auf der Grundlage der skizzierten Vierecksbeziehung durchzuführenden Güteraustausch geprägt. Anlass für das Staatshandeln war und ist bis heute die Tatsache, dass die Leistungsausgaben in der öffentlich-rechtlichen Krankenversicherung den Beitragseinnahmen davonlaufen. Bis zum heutigen Tage hat der Staat darauf im Großen und Ganzen eine einzige Antwort gefunden: Eingriffe in den Markt in der Form administrativer Kostendämpfung. Diese Politik wurde allein in den letzten zwanzig Jahren mit über zweihundert (!) Einzelgesetzen betrieben.

Zu den bisher angewandten oder auch nur entwickelten "Tools" zählen Budgetierungen für Arztvergütungen sowie für Verordnungen etwa von Arzneimitteln, Negativ- und Positivlisten von Arzneimitteln, Festbeträge für so genannte wirkstoffgleiche Arzneimittel und solche mit so genanntes vergleichbaren Wirkstoffen oder -prinzipien, Bedarfsplanungen betreffend Kassenärzte, ein so genanntes "Moratorium" im Hinblick auf Herstellerpreise der pharmazeutischen Industrie, letztlich verankert in einer reduzierten Erstattungspflicht der so genannten gesetzlichen Krankenkassen, weiterhin eine an der Umsatzhöhe der Apotheken ausgerichtete Progression des von diesen den Kassen zwangsweise zu gewährenden Pauschalrabattes und nicht zuletzt eine für Sparzwecke instrumentalisierte Aut-idem-Regelung, die oberhalb der preislichen Ausschlussgrenze den Sachverstand des Apothekers gleichsam als unmaßgeblich qualifiziert.

Zwar wurden über diese planwirtschaftlichen Regelungen hinaus vereinzelt auch solche mit marktwirtschaftlichem Charakter getroffen, jedoch überlebten diese systemfremden Elemente z. T. nur kurze Zeit. So hat der Bundestag im Dezember 1998 mit dem Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SolG) auch eine Rücknahme von so genannten Elementen der privaten Versicherungswirtschaft beschlossen, die erst gut ein Jahr zuvor, und zwar mit den beiden Gesetzen zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (1./2. GKV-Neuordnungsgesetz - 1./2. NOG) in Kraft getreten waren.

Beim GKV-SolG ging es im Einzelnen z. B. um die Streichung der Möglichkeit zur Einführung von Selbstbehalten, Beitragsrückzahlungen, Zuzahlungen und erweiterten Leistungen in der Satzung der einzelnen Krankenkasse, die neuerliche Beschränkung der generellen Wahlmöglichkeit zwischen Sachleistung und Kostenerstattung auf freiwillig Versicherte sowie um die Aufhebung der obligatorischen Einführung der Kostenerstattung bei Zahnersatz und bei kieferorthopädischen Behandlungen.

Dazu im Vergleich kamen die mit dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen 1989 (GRG 1989) eingeführten Zuzahlungen glimpflich davon, wurden sie doch nicht abgeschafft, sondern, inzwischen nach Packungsgrößen gestaffelt, von Marken, auf denen sie zu einer deutlichen Ausgabenreduzierung beigetragen hatten, "nur" auf niedrigere Niveaus zurückgeführt.

Daneben ereilte diese Form der Selbstbeteiligung allerdings eine andere Variante der "Schwindsucht": Infolge einer wohl nicht nur sozialpolitisch motivierten, sondern im Marketing der betreffenden Krankenkassen begründeten offenbar großzügigen Auslegung der Härtefallbestimmungen wurde ein großer Teil der Versicherten, die in der Masse diesen Eigenbeitrag ohnehin nicht als eine an die Versicherung abzuführende Größe, sondern als einen von den "raffgierigen" Apothekern erhobenen "Zuschlag" ansehen dürften, von der Zuzahlungspflicht befreit.

Inzwischen ist man beim Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz - AABG) angelangt, ein Regelwerk, dessen Bezeichnung mehr als die Überschriften anderer einschlägiger Normenkomplexe ahnen lässt, wo der Gesetzgeber ein, wenn nicht sogar das Hauptübel des Gesundheitswesens vermutet.

In der Arbeit am AABG hat die Vertretung des Volkes aber noch in anderer Hinsicht eine neue Qualität geschaffen: Von einem zunächst geplanten zwangsweisen Preisabschlag für patentgeschützte Medikamente - ordnungspolitisch ohnehin verfehlt - hat man aufgrund einer Zusage der solcherart in die Enge getriebenen Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, im Verzichtsfalle eine "einmalige Schenkung" in Höhe mehrerer Hundertmillionen Deutsche Mark an die so genannte gesetzliche Krankenversicherung vorzunehmen, Abstand genommen.

Der unter dem Stichwort "Ablasshandel" öffentlich diskutierte Vorgang dürfte als eines der dunkelsten Kapitel in die Geschichte bundesdeutscher Demokratiekultur eingehen. Davon abgesehen gibt er gewiss auch den selbstständigen Offizinapothekern und ihrem Fachpersonal einen Vorgeschmack von der Sorte Pragmatismus, mit der zu rechnen ist.

Erreicht hat der Staat mit seinen Eingriffen in all den Jahren per Saldo immer nur das eine: neue Fehlentwicklungen. Märkte reagieren auf administrative Knebelungen eben mit Ausweichbewegungen (z. B. Verlagerung von Leistungsschwergewichten, kompensatorische Preiserhöhungen im festbetragsfreien Segment sowie vorgezogenes Handeln im Angesicht einer bevorstehenden Intervention, dies mit der Folge so genannter Vorzieheffekte).

So stellt die staatliche Gesundheitspolitik in diesem Punkte inzwischen ein regelrechtes Schulbeispiel für eine Interventionsspirale - auf jede Regulierung folgen neue "Marktungleichgewichte", die weitere Regulierungen nach sich ziehen - mit all ihren negativen Konsequenzen für die betroffenen Produzenten und Konsumenten dar. Was die Apotheken angeht, so schreiben unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten inzwischen sehr viele von ihnen immerhin rote Zahlen.

Die unvermeidliche Kritik der Öffentlichkeit angesichts persönlicher Beeinträchtigungen richtet sich vor allem aufgrund der o. g. Benachteiligungen im interinstitutionellen Wettbewerb indes stets aufs Neue an die Apotheken. Nun können sachlich betrachtet diese zwar nicht als Kostentreiber bezeichnet werden, jedoch haben m. E. sie - sei es aus Bequemlichkeit oder aus Resignation oder aus beidem - es versäumt, im Betrachtungszeitraum ihr Ansehen als Anbieter zu stärken und sich so im Verständnis auch der breiten Masse unentbehrlich zu machen.

Aus dieser Position heraus ist eine Selbstverteidigung gegen Anwürfe allerdings schwierig, auch wenn diese haltlos sind. Hinzu kommt, dass das Gesundheitswesen inzwischen selbst so "krank" ist, dass der "Organismus Staat" sich mit dem Gedanken anzufreunden scheint, die Apotheke "operativ zu verändern", d. h. Fundamentalbedingungen und somit -merkmale ihrer Existenz aufzugeben. So steht mittlerweile nicht nur der Versandhandel zur Diskussion, sondern anscheinend auch - wenngleich zurzeit noch weniger lautstark vorgetragen - der Mehrbesitz und die Preisbindung.

Zugleich ist erkennbar, dass die derzeitige Bundesregierung einen Systemwechsel im Gesundheitswesen nicht anstrebt. Im Ergebnis bedeutete dies einschneidende Veränderungen nur für die Apotheken. Wollen vor diesem Hintergrund der Apotheker und sein Fachpersonal ihre wirtschaftliche Zukunft sichern, müssen sie insbesondere auch auf eine Politik hinwirken, die sich allenthalben auf die Ursachen und nicht auf die Symptome richtet und die sich dabei jeglicher Diskriminierung der Apotheken enthält.

Mehr als für andere Berufsgruppen scheint eine an den Sachzwängen orientierte grundlegende Reform des Gesundheitswesens für die "Besatzungen" der Apotheken zur Überlebensfrage geworden zu sein. Dabei sind "Kapitäne" wie "Mannschaften" zweifellos gut beraten, sich bei ständigem Blick auf die ökonomische "Beschaffenheit der Route" stets vor Augen zu halten, dass es sich hier um eine "Non-Stop-Reise" bis zum Ziel - wie immer das auch aussehen mag - handelt und dass sie auf die "Fahrt" fortwährend durch Wort und Tat Einfluss nehmen.

Auch Apotheker und apothekerische Fachkraft ist man 24 Stunden an jedem Tag. In diesem Zusammenhang kommen allerdings nicht nur die Aktivitäten im Markt (Beziehungen zu Kunden, Beziehungen zu Mitarbeitern und Kollegen usw.), sondern z. B. auch das Vorgehen in der Standesvertretung (Beziehungen zu verwandten Berufsgruppen, Beziehungen zum Staat usw.) sowie das Handeln als Staatsbürger, aber auch der "nur" private Kontakt mit Bekannten und Freunden (so etwa in Vereinen) in Betracht.

Ursachen der Ausgabensteigerung in der GKV

Dass die Finanzmisere in der so genannten gesetzlichen Krankenversicherung nicht den Apotheken, sondern dem dem Güteraustausch im Gesundheitssektor zugrunde liegenden Steuerungsprinzip zuzurechnen ist und hier im Ergebnis eher ein Staats- als ein Marktversagen vorliegt, ist unter Ökonomen lange bekannt. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat wiederholt in seinen Jahresgutachten dazu Stellung genommen.

Am Vorabend des Gesundheits-Strukturgesetzes 1993 (GSG 1993) etwa hat der Sachverständigenrat eine dramatische Verschlechterung der Finanzlage der GKV festgestellt. Die Wirkungen des Gesundheitsreformgesetzes 1989 (GRG 1989) seien verpufft; zu verzeichnen sei - wie schon im Falle des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes 1977, des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes 1982, des Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetzes 1982 sowie des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 - lediglich eine einmalige Absenkung des Ausgabenniveaus, keine Trendwende. Trotz aller Kostendämpfungsbemühungen sei der durchschnittliche Beitragssatz aller GKV-Kassen in der Zeit von 1970 bis 1992 auf das 1,5fache gestiegen.

Diese Ausgabenentwicklung war nach den Erkenntnissen des Rates nur zum Teil darauf zurückzuführen, dass zum einen das Gesundheitswesen als beschäftigungsintensive Branche besonders stark von Lohnsteigerungen betroffen war und zum anderen Preissteigerungen bei Gesundheitsgütern - man beachte den Forschungsanteil - tendenziell höher als bei der (gewöhnlichen) Lebenshaltung privater Haushalte ausfielen.

Weiterhin seien neben nachfrageseitigen Einflüssen wie der Anzahl und der Struktur (Alter, Geschlecht, Morbidität) der Versicherten - man beachte die Zunahme der Zahl der Rentner - angebotsseitige Faktoren wie etwa Art und Umfang der Angebotskapazitäten zu berücksichtigen. So habe sich nicht nur die Zahl der niedergelassenen Ärzte und die Zahl der öffentlichen Apotheken stark erhöht, sondern es seien auch Struktureffekte seitens der Ärzteschaft (z. B. hinsichtlich der Altersstruktur und des Facharztanteils) von Bedeutung: jüngere Ärzte neigten stärker zu apparateintensiven Behandlungsmethoden.

Bis hierher ist die Bestandsaufnahme des Rates insofern unbedenklich, als Märkte nun einmal der "Ort" sind, wo Bedarf artikuliert und gedeckt wird. Dass sich das Angebot auf die Nachfrage einrichtet, wird niemand ernstlich bemängeln. Man spricht hier von Konsumentensouveränität. Nicht ohne weiteres unbedenklich jedoch ist, dass, wie der Rat in 1992 weiterhin feststellt, im Gesundheitssektor das Angebot seine Nachfrage zu schaffen vermag. Dies berührt besagte Konsumentensouveränität und wirft die Frage nach der Qualität des betrachteten Marktes auf.

Marktanomalien als Begründung für Interventionismus zum Nachteil der Apotheken?

Damit wird der Blick auf ein zentrales Merkmal - auch - des Marktes für Gesundheitsleistungen sowie des damit verbundenen Marktes für Krankenversicherungsleistungen gelenkt, und zwar auf die asymmetrische Verteilung von Informationen zwischen Angebot und Nachfrage, hier zum einen zwischen Arzt und Patient und zum anderen zwischen Krankenversicherer und Versicherungsnehmer.

Ersteres bedeutet, wie der Rat beispielsweise im Jahre 1996 genauer ausführte, dass "die Patienten in medizinischen Fragen oft Laien sind und daraus den Ärzten ein beherrschendes Diagnose- und Therapiewissen zufällt". Die Anbieter medizinischer Leistungen seien deshalb in der Lage, die Nachfrage danach zu beeinflussen. Meines Erachtens ist die Ungleichverteilung der Informationen ein Merkmal von Märkten schlechthin: Ein jeder Anbieter von Leistungen verfügt über spezifische Kenntnisse, die der Nachfrager nicht hat. Darin gründet ganz wesentlich seine Marktstellung.

Man spricht von Spezialisierungsvorteil und im - für den Anbieter - günstigsten Fall von Alleinstellungsmerkmal. Aus dieser Position heraus kann ein jeder Anbieter die Nachfrage in gewissem Umfang kreieren. Dies ist unbedenklich. So stellt das Spezialwissen der Ärzte sich denn auch nur als notwendige Bedingung einer u. U. unvertretbaren Beeinflussung der Nachfrage dar.

Als hinreichende Bedingung tritt hinzu, dass der Verbraucher in seinen Möglichkeiten Konkurrenzmeinungen einzuholen, eingeschränkt ist. An dieser Stelle kommt - abgesehen von etwaigen versicherungsseitigen Hemmnissen - allerdings zum Tragen, dass anders als in anderen Märkten es für den Konsumenten hier um seine Gesundheit geht und nicht selten Eile geboten ist. So ist der Verbraucher sicher in vielerlei Hinsicht ein Laie; handelt er aber in Sachen Gesundheit aufgrund fehlender bzw. unzutreffender Information falsch oder auch nur allzu zögerlich, kostet ihn das u. U. Lebensqualität oder gar sein (irdisches) Leben als Ganzes - ein Schicksal, das ihn freilich auch bei einem ärztlichen Behandlungsfehler ereilen kann.

Was zweitens das Verhältnis zwischen Versicherung und Versichertem betrifft, so liegen, wie wiederum der Rat in 1996 feststellt, Asymmetrien in dem Maße vor, wie z. B. die Nachfrager bei Vertragsabschluss Informationslücken hinsichtlich der Art und der Qualität der von den Versicherungsunternehmen angebotenen Leistungen und umgekehrt die Krankenkassen bezüglich der eingebrachten Krankheitsrisiken haben.

Nach Ansicht des Rates lassen diese Ungleichverteilungen und die daraus sich ergebenden Probleme sich nicht ganz beseitigen, aber doch reduzieren. Dabei denken die Sachverständigen auch an die Möglichkeiten des Patienten, "vor einer zu treffenden therapeutischen Entscheidung bei Dritten Rat zu suchen, so wie er es bei wichtigen Kaufentscheidungen in anderen Bereichen regelmäßig tut". Entsprechendes gelte für die Nachfrager von Versicherungen.

In beiden Fällen wird - auch unter dem Aspekt der Qualitätskontrolle - nach meiner Ansicht das Internet eine immer bedeutendere Rolle spielen. Außerdem kann das Spezialwissen der Apotheker und seines Fachpersonals einem Patienten ggf. weiterhelfen. Nicht zuletzt ist die Freiheit der Arztwahl auch unter diesem Aspekt zweifellos positiv zu bewerten. Für die Krankenkassen schließlich, so der Rat, seien mit dem Alter und dem Geschlecht bereits zwei zentrale Faktoren des Morbiditätsrisikos leicht zu erfassen, und im Übrigen hätten sie die Möglichkeit, ärztliche Voruntersuchungen des Neuzuversichernden zu verlangen.

Insoweit sind bei den Märkten für Gesundheits- und Krankenversicherungsleistungen also keine Anomalien ersichtlich, die einen Interventionismus, wie er bislang vor allem auch zum Nachteil der Apotheken praktiziert worden ist, rechtfertigen würden.

Null-Tarif-Mentalitäten

Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Leistungsausgaben der öffentlich-rechtlichen Krankenversicherung ist speziell auch die Haltung der Nachfrager von Interesse. Diesbezüglich spricht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem 92er Gutachten von einer aus dem Realleistungsprinzip resultierenden Illusion der Versicherten, Gesundheitsleistungen seien praktisch kostenlos zu haben.

Die im Quellenabzug erhobenen Zwangsbeiträge an die Krankenkassen würden aus diesem Kontext leicht verdrängt und häufig nur noch als steuerähnliche Abgabe gesehen. Dies führe im Ergebnis zu einer übermäßigen Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Bestünde diese Illusion nicht, sei gleichfalls mit einem Nachfrageübermaß zu rechnen insofern, als in einer Versicherung die individuell verursachten Ausgabensteigerungen von der Versichertengemeinschaft zu tragen seien und deshalb nur zu einem geringen Teil auf den Verursacher selbst zurückfielen.

Insgesamt liege eine "Null-Tarif-Mentalität" vor, die sich über einen langen Zeitraum aufgebaut und schließlich verfestigt habe. Sowohl eine Schärfung des individuellen Kostenbewusstsein als auch eine Erhöhung des Wettbewerbsdrucks auf der Angebotsseite, namentlich die Ausweitung der Wahlmöglichkeiten zwischen den Behandlungsinstitutionen ebenso wie zwischen den Versicherungen sei erforderlich.

Was den Sachleistungsgrundsatz betrifft, so steht Deutschland mit dieser ebenso verschleierungsanfälligen wie für die Leistungserbringer kostenträchtigen Praxis im europäischen Raum in einer Minderheit. Eine etwaige Zusendung von Abrechnungsbelegen an die Versicherten vermag einen gewissen Teil dieser Konsumenten zu sensibilisieren, einen Ersatz für die höchstpersönliche Begleichung einer Rechnung durch den Patienten, und sei es - wenn Erstattungspflicht einer Versicherung besteht - auch nur in der Bedeutung einer Vorauslage, kann sie sicherlich nicht sein. Wie viele Versicherte opferten wohl ihre Zeit für die Prüfung einer u. U. komplizierten Rechnung, wenn die Zusendung für sie lediglich nachrichtlichen Charakter hätte?

Mit der angesprochenen Interessenlage der Versicherten als solcher schließlich rückt ein Problemkreis ins Blickfeld, der vor allem für drei Phänomene und die damit verbundenen Verhaltensmuster steht: 1. die Entwicklung einer größeren Risikobereitschaft nach zugesagter Versicherung (sog. moral hazard), 2. die Neigung dazu, "reichlich zuzugreifen", wo die Kosten auf alle umgelegt werden (so genanntes Restaurant-Rechnungs-Problem) und 3. die Neigung dazu, Vereinbarungen zu brechen, wo man sich für den "einzigen Dummen" hält (so genanntes Zusicherungsproblem).

Diese tendenziell kostentreibenden Erscheinungen sind nicht typisch für die GKV, sondern haften prinzipiell jeder Versichertengemeinschaft an. Die Tatsache, dass die weitaus überwiegende Zahl der Versicherungssparten gleichwohl erfolgreich auf der Grundlage einer gewinnorientierten wettbewerblichen Privatunternehmerschaft steht, die staatlicherseits vergleichsweise unbehelligt ist, spricht indes dagegen, eine Krankenversicherung in wettbewerbshemmenden korporatistischen Strukturen zu belassen und sie zusammen mit den mit ihr marktmäßig verbundenen Leistungserbringern wie den Apotheken einer nicht enden wollenden Kette von Interventionen zu unterziehen.

Eigenverantwortung statt apotheken-schädigendem Interventionismus

Auch insoweit ist ein Freibrief für einen vor allem auch apothekenschädigenden Interventionismus mithin nicht zu rechtfertigen. Es erscheint mir vielmehr geboten, die verteilungspolitische Instrumentalisierung der Gesundheitspolitik aufzugeben und dem Grundsatz der Entsprechung von versichertem Risiko und zu leistendem Beitrag (Prinzip individualer bzw. personenbezogener Äquivalenz) auch in der Krankenversicherung allgemeine Geltung zu verschaffen.

Außerdem ist weitestmögliche Vertragsfreiheit sowie Offenheit der Märkte für Gesundheits- und Versicherungsleistungen zu gewährleisten. Sozialpolitik ist Aufgabe des Staates und seiner Bürger und nicht Aufgabe von Versichertengemeinschaften. Hält der Staat - aus nachvollziehbaren Erwägungen - es für nötig, die finanziellen Lasten etwa von Familien oder Rentnern zu verringern, so kann er dies aus Steuermitteln über direkte personenbezogene Transfers (z. B. Zuschüsse zu Krankenversicherungsbeiträgen) bewerkstelligen.

Der bislang im Rahmen einer lediglich globalen bzw. gruppenkollektiven Äquivalenz (Prinzip der Deckung der Gesamtausgaben der Versicherung durch die Gesamteinnahmen) erhobene einkommensorientierte Versicherungsbeitrag höhlt zusammen mit dem Sachleistungsprinzip den Solidargedanken aus. Wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem 96er Gutachten feststellt, ist die derzeitige Konstellation der effizienten Verwendung knapper Gesundheitsmittel abträglich. Sie schwäche die Eigenverantwortung bei der individuellen Gesundheitsvorsorge und fördere eher das Anspruchsdenken unter den Versicherten.

Das Gesundheitswesen als Wachstumssektor

Eine saubere Trennung des gesundheitspolitischen Ziels, der Bevölkerung einen hohen Gesundheitsstand zu sichern, von sozialpolitischen Zielen wie dem Familienlastenausgleich eröffnete der breiten Masse die Chance, das Gesundheitswesen als das zu erkennen und zu akzeptieren, was es ist: ein Wachstumssektor, in welchem vor allem auch die Apotheke eine hervorragende und unverzichtbare Rolle spielt. Wer jedoch beispielsweise als Apotheker, als Arzneimittelgroßhändler oder als Unternehmer in der pharmazeutischen Industrie - man denke etwa an aufwändige Forschungsaktivitäten - in diesen Sektor investieren will, erhält in einer Interventionsspirale falsche Informationen für seine Planung.

Auf den Wachstumsaspekt ist der Sachverständigenrat z. B. in seinen Gutachten für die Jahre 1992, 1996 und 2000 eingegangen. Dabei führt er aus, dass aus seiner Sicht die Nachfrage der Bürger nach Gesundheitsleistungen überproportional zum Einkommen steigen und der Gesundheitsbereich ein Wachstumssektor mit vielfältigen Beschäftigungsmöglichkeiten bleiben wird. Hierfür seien nicht zuletzt die demographische Entwicklung (steigender Versorgungsbedarf bei älteren Menschen) sowie der medizinisch-technische Fortschritt (Entwicklung neuer, aber auch aufwendiger Diagnosemethoden, Therapiemöglichkeiten, Arzneien und Kurmittel) verantwortlich.

Vor diesem Hintergrund sei eine Politik der administrativen Ausgabenbegrenzung unangemessen, da diese lediglich die den Wünschen der Konsumenten (Krankheitsverlauf und Krankheitsspektrum) und den Möglichkeiten der Medizin entsprechende Wachstumsdynamik treffe, nicht aber die durch Fehlverhalten von Anbietern und Nachfragern verursachten Ausgaben.

Insofern dürfe die Beitragssatzstabilität als solche auch nicht das entscheidende Ziel der Gesundheitspolitik sein. Für eine administrative Festlegung des "richtigen" Beitragssatzes gebe es kein objektives Kriterium. Entscheidend sei, wie viel den Versicherten die Gesundheitsversorgung wert sei.

Streben nach ganzheitlicher Gesundheit als Zukunftsbasis für die Apotheken

In diesem Zusammenhang ist eine von anderer Seite aufgestellte Hypothese zur konjunkturellen Entwicklung überaus interessant. Nach Einschätzung von Leo A. Nefiodow wird die nächste lange Welle der Konjunktur, also der nächste so genannte Kondratieff-Zyklus (Dauer: 45 bis 60 Jahre), ein regelrechter "Reparatur-Kondratieff" werden.

Nach Basisinnovationen wie der Dampfmaschine, der Eisenbahn, der Elektrotechnik, der Chemie, dem Automobil und der den derzeitigen Kondratieff tragenden Informationstechnik werde die nächste lange Welle ihre Kräfte aus einem Streben nach ganzheitlicher Gesundheit beziehen. Das würde gewiss auch die Zukunft der Apotheken prägen.

Benachteiligungen deutscher Apotheken im europäischen Wettbewerb

Dass in dieser Zukunft die Apotheken von internationaler, insbesondere auch europäischer Konkurrenz verschont sein werden, ist illusorisch. Insofern ist der Apothekenstandort Deutschland auch unter dem Gesichtspunkt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu bewerten. Dabei rücken die vergleichsweise hohe gesetzliche Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, die Gewerbesteuerpflicht der Apotheken, der zwangsweise Kassenrabatt und etwaige weitere diskriminierende Rechtsvorschriften ins Blickfeld.

Das Heft in die eigene Hand nehmen?

Die Natur macht keine Sprünge - auch nicht in der Ökonomie. Ordnungspolitische Fehlkonstruktionen können mit Interventionen nicht behoben werden. Dies ist ein ebenso gnadenlos gültiges wie von Sozialromantikern ignoriertes Naturgesetz. Vielleicht können ambitionierte Politiker das derzeitige Gesundheitssystem noch über einen gewissen Zeitraum "weiterentwickeln".

Eines - möglicherweise nicht allzu fernen - Tages wird in dieser Interventionsspirale das Verhältnis von Nutzen und Kosten für den Einzelnen aber so unattraktiv geworden sein, dass ein Systemwechsel nicht mehr aufzuschieben ist. Eine vergleichende Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bescheinigt Deutschland durchschnittliche Gesundheitsleistungen bei überdurchschnittlichem Ressourceneinsatz. So scheint die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem als Ganzem inzwischen denn auch merklich zu wachsen.

Für den selbstständigen Offizinapotheker und sein Fachpersonal erhebt sich damit zweifellos die Frage, ob sie nicht im ureigensten Interesse das Heft in die eigene Hand nehmen und voranbringen, was nicht zu verhindern ist. Dabei mag die Erkenntnis weiterhelfen, dass über Sein und Nichtsein auch der traditionsreichen öffentlichen Apotheke letztlich die als solche wahrgenommenen Preis-Leistungs-Relationen entscheiden und dass davor sie niemand bewahren kann. Mit Blick auf ihre Leistungsfähigkeit dürfte die Antwort ihnen jedoch nicht wirklich schwer fallen.

Kasten

Es wird immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, dass der Apotheker und sein Fachpersonal ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet der pharmazeutischen Beratung pflegen, dokumentieren und selbstbewusst gegen andere Dienstleistungen, insbesondere im Gesundheitssektor, abgrenzen.

Kasten

Der unter dem Stichwort "Ablasshandel" öffentlich diskutierte Vorgang dürfte als eines der dunkelsten Kapitel in die Geschichte bundesdeutscher Demoktratiekultur eingehen. Davon abgesehen gibt er gewiss auch den selbstständigen Offizinapotheken und ihrem Fachpersonal einen Vorgeschmack von der Sorte Pragmatismus, mit der zu rechnen ist.

Kasten

Nun können sachlich betrachtet die Apotheken zwar nicht als Kostentreiber bezeichnet werden, jedoch haben m. E. sie - sei es aus Bequemlichkeit oder aus Resignation oder aus beidem - es versäumt, im Betrachtungszeitraum ihr Ansehen als Anbieter zu stärken und sich so im Verständnis auch der breiten Masse unentbehrlich zu machen.

Kasten

Was den Sachleistungsgrundsatz betrifft, so steht Deutschland mit dieser ebenso verschleierungsanfälligen wie für die Leistungserbringer kostenträchtigen Praxis im europäischen Raum in einer Minderheit.

Eine etwaige Zusendung von Abrechnungsbelegen an die Versicherten vermag einen gewissen Teil dieser Konsumenten zu sensibilisieren, einen Ersatz für die höchstpersönlichen Begleichung einer Rechnung durch den Patienten, und sei es - wenn Erstattungspflich einer Versicherung besteht - auch nur in der Bedeutung einer Vorauslage, kann sie sicherlich nicht sein.

Die selbstständigen Offizinapotheker und ihr Fachpersonal stehen vor einer der größten Herausforderungen in der Geschichte ihres Berufsstandes. Was sind die Hintergründe und wie ist die Aussicht? Es ergibt sich die Frage, ob die Apotheker nicht im ureigensten Interesse das Heft in die eigene Hand nehmen und voranbringen sollten, was nicht zu verhindern ist? 

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