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Arzneimittelmarkt 2002: BAH will Solidarsystem durch verstärkte Selbstmedikatio

BONN/BERLIN (ks). Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen auch 2002 weiter Ų wenngleich auf etwas schwächerem Niveau als im vergangenen Jahr. Die Zielvereinbarungen der Ärzte und Krankenkassen, die Ausgaben um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr zu senken, rücken in immer weitere Ferne. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) setzt sich angesichts der finanziellen Engpässe bei den Kassen für eine Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten und eine Ausgabensteuerung durch finanzielle Anreize ein. Auch die Rahmenbedingungen des OTC-Marktes müssten gestärkt werden.

Das Institut für Medizinische Statistik IMS Health hat Anfang August Daten zur Entwicklung des Arzneimittelmarkts im ersten Halbjahr 2002 vorgelegt: Von Januar bis Juni 2002 gingen in den bundesdeutschen Apotheken 829 Mio. Arzneimittelpackungen im Wert von 9,1 Mrd. Euro (Herstellerabgabepreis, HAP) über den Ladentisch.

Dabei hat sich die abflachende Wachstumstendenz des ersten Quartals 2002 weiter fortgesetzt: Der Umsatz zu HAP steigerte sich im ersten Halbjahr 2002 gegenüber dem Vorjahr bei den rezeptpflichtigen Arzneimitteln um 9,8 Prozent (2001: 12,2 Prozent), dabei wurden 2,2 Prozent mehr Packungen abgegeben. Bei den rezeptfreien Medikamenten lag der Umsatzzuwachs bei lediglich 2,1 Prozent, der Packungszuwachs bei 1,4 Prozent. Festbetragsgeregelt waren im ersten Quartal 2002 genau die Hälfte aller in den Apotheken verkauften Arzneimittelpackungen – das ist ein geringfügiges Plus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Bei den GKV-Verordnungen lag der Anteil mit etwa zwei Dritteln nochmals höher. Insgesamt lagen die Ausgaben zulasten der GKV im ersten Halbjahr 2002 bei 11,7 Mrd. Euro zu Apothekenverkaufspreisen, meldete IMS Health.

Politischer Druck wird sich verschärfen

Mögen die Zuwachsraten auch geschrumpft sein – die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen getroffene Zielvereinbarung, die GKV-Arzneimittelausgaben um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr nach unten zu drücken, ist in jedem Fall verfehlt worden.

Dr. Uwe May, Referent für Gesundheitsökonomie und Statistik beim BAH, rechnet angesichts der sich aufzeigenden Entwicklung damit, dass sich der pharmapolitische Druck und die Schärfe, mit der Sparmaßnahmen umgesetzt werden, noch verstärken wird. Als Auswirkung der Aut-idem-Regelung erwartet er zudem einen weiteren Preisverfall im Erstattungsmarkt und eine zunehmende Bedeutung von Generika.

Möglicherweise könnten sich Veränderungen im Verordnungsverhalten der Ärzte auch auf den OTC-Markt auswirken: noch bestehe unter Marktforschern keine Einigkeit darüber, ob eine "gelernte Bevorzugung" von Generika im Bereich der Verordnungen auch das Nachfrageverhalten und die Markentreue bei der Selbstmedikation beeinflussen könne, so May.

Spar-Modelle des BAH

Der BAH vertritt die Auffassung, der Selbstmedikation werde im Hinblick auf ihre Einsparpotenziale nicht ausreichend Gewicht beigemessen: Die gegenwärtigen Wachstumszahlen in diesem Marktsegment verharrten ohne eine "Pro-Selbstmedikationspolitik" auf annähernd stabilem Niveau. Und dabei ließen sich schon durch die Substitution von 100 Mio. Arzneimittelverordnungen durch die Selbstmedikation (entspricht rund einem Zehntel des rezeptfreien Arzneimittelmarkts) Ressourcen von etwa 4,8 Mrd. Euro zugunsten der GKV freisetzen, so der BAH. Dies entspräche einem drittel Beitragspunkt.

Der Verband macht sich daher stark für die Erhaltung eines im Kern bewährten Solidarsystems und fordert gleichzeitig eine stärkere Subsidiarität und Eigenverantwortung, um die Finanzierbarkeit zu erhalten. Konkret schlägt der BAH vor, Beitragsrückerstattungsmodelle und eine prozentuale Zuzahlung einzuführen. Daneben müsse eine Selbstmedikationspolitik etabliert werden, die die Selbstkompetenz und Mündigkeit der Versicherten in Arzneimittelfragen stärkt, ihnen aber ebenso die Möglichkeit einer arztgestützten Medikation überlässt.

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