BVA-Info

Vorschläge der Hartz-Kommission: BVA wünscht generelle Tarifbindung bei Leihar

Die von der Hartz-Kommission erarbeiteten Vorschläge zum Abbau der Arbeitslosigkeit finden in vielen Punkten die Zustimmung des BVA. "Effizientere Strukturen in den Arbeitsämtern zu schaffen ist längst überfällig," so die BVA-Vorsitzende Monika Oppenkowski. "Und wenn Arbeitslose in Zukunft bei Zeitarbeit-Centern der Arbeitsämter regulär beschäftigt sind, ist das eine interessante Idee. Wichtig ist dem BVA dabei, dass die Leihjobs tatsächlich tariflich gebunden sind." Eine genauere Prüfung der Vorschläge soll erfolgen, wenn das gesamte Konzept Mitte August vorliegt.

Im Apothekenbereich scheint das Hartz-Konzept auf den ersten Blick nur von untergeordneter Relevanz: Einem hohen Stellenangebot steht eine glücklicherweise nur kleine Zahl arbeitsloser Apothekenmitarbeiter gegenüber. Doch langfristig kann sich solch ein Trend wieder drehen. Insbesondere dann, wenn gegen allen Widerstand doch veränderte Vertriebswege für Arzneimittel kommen – Stichwort Versand- und Kettenapotheken – und dadurch Stellen vernichtet werden.

Verschärfung und Differenzierung der Zumutbarkeit

Von Bedeutung für arbeitslose Apothekenangestellte ist die geplante Neuregelung der Zumutbarkeit von Stellenangeboten. Eine Verschärfung würde den Betroffenen eine höhere Bereitschaft zur Mobilität abverlangen. Die meisten offenen Stellen finden sich ja gerade nicht in den attraktiven Städten, sondern auf dem Lande und in kleinen Gemeinden.

Der BVA steht auf dem Standpunkt, dass dabei wie angekündigt eine Differenzierung nach klaren sozialen Kriterien die Vorbedingung ist. Hier spielt auch die Frage der Kinderbetreuung eine Rolle. Denn ohne ausreichende Kapazitäten und flexible Betreuungszeiten bedeutet eine Anhebung der zumutbaren Pendelzeiten: Mehr Mütter werden sich auf die Kinderbetreuung beschränken müssen. Gerade für den Apothekenbereich mit seinem hohen Frauenanteil wäre das eine fatale Auswirkung.

Vermittlung über das Arbeitsamt?

Bislang finden über das Arbeitsamt kaum Vermittlungsaktivitäten für Apothekenangestellte statt. Kammern und Fachpresse, aber auch Online-Stellenbörsen wie die des BVA sind das Mittel der Wahl, um neue Stellen bzw. neue Arbeitskräfte zu suchen. Würden die Apothekenleiter auch das Arbeitsamt über offene Stellen informieren, wären ihre Chancen größer, Mitarbeiter zu finden.

Den Arbeitgebern ist vorzuwerfen, dass sie gegenüber den vom Arbeitsamt vermittelten Kräften oft Vorurteile hegen. Dabei wenden sich ja auch alle qualifizierten und engagierten Mitarbeiter an das Arbeitsamt, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Leider sind die Vermittler oft nicht in der Lage, Bewerber über ihren direkten Einzugsbereich hinaus zu vermitteln. Der Kontakt zwischen Amt und Arbeitgebern müsste also verbessert werden, dann wäre diese zusätzliche Vermittlungsschiene allemal nützlich.

Bridgesystem für Ältere

Im Apothenkenbereich relevant ist auch das geplante "Bridgesystem" für Arbeitslose über 55 Jahre. Auf eigenen Wunsch sollen sich die Betroffenen ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe auszahlen lassen und damit die Zeit bis zur Frührente ab 60 Jahren überbrücken können ("bridge"). Damit würden sie aus den Arbeitslosenstatistiken herausfallen und aus der Vermittlung ausscheiden.

Dieser Punkt ist brisant. Einerseits würde es die Realität widerspiegeln, denn ältere Arbeitslose haben oft kaum Chancen auf Wiedereinstellung. Manche haben auch kein echtes Interesse mehr an einem neuen Job.

Andererseits muss die Frage gestellt werden: Kann es sich unsere Gesellschaft leisten, Menschen schon ab 55 Jahren aus der Arbeitswelt endgültig auszumustern und damit auf ihre Qualifikationen und Erfahrungen zu verzichten? Auch mancher Apothekenleiter entlässt ältere MitarbeiterInnen, weil sie nicht mehr zu seinem Wunschbild eines jungen Teams passen – oder schlicht teurer sind als ein Berufsanfänger. Und weiter: Wer trägt die Kosten, wenn ein Großteil der arbeitsfähigen Deutschen schon so früh in Rente geht? Nach dem Solidaritätsprinzip unseres Rentensystems sind das die jungen Beschäftigten. Und zuletzt ist auch zu fragen, wer denn von einer solchen Beschönigung der Statistik profitieren würde.

Jeder trägt Verantwortung

Klar ist eines: Die hohe Arbeitslosenzahl liegt nicht daran, dass Arbeitslose generell unflexibel und arbeitsscheu sind. Genauso wenig ist es allein die Schuld von inkompetenten Arbeitsamtsmitarbeitern oder unsozialen Arbeitgebern. Nur wenn alle Akteure am Arbeitsmarkt gemeinsame Anstrengungen unternehmen und bereit sind, neue Wege zu beschreiten, können die zwei entscheidenden Ziele erreicht werden: die vorhandene Arbeit gerecht zu verteilen und eine nachhaltig gesunde Volkwirtschaft sicherzustellen.

Jede Gruppe muss sich dabei unbequeme Fragen gefallen lassen:

  • Politik: Haben die gesetzlichen Lockerungen von Arbeitsschutzbestimmungen in der Vergangenheit tatsächlich qualifizierte Arbeitsplätze gerettet oder neu geschaffen? Sind alle Möglichkeiten, neue qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen, tatsächlich schon ausgereizt?
  • Arbeitsamt: Warum gibt es für die Vermittlung und die Qualifizierungsmaßnahmen nicht schon längst effektive Qualitätskontrollen?
  • Arbeitgeber: Würden die Unternehmen bei einer Ausweitung des Niedriglohnsektors wirklich mehr Stellen schaffen – oder lediglich bisherige Vollzeitstellen in mehrere Billigjobs umwandeln?
  • Arbeitnehmer: Ist es für junge ungebundene Menschen und ältere Arbeitslose nicht doch zumutbar, längere Wege oder einen Umzug in Kauf zu nehmen, um (wieder) Arbeit zu finden?
  • Gewerkschaften: Schließt die Besitzstandswahrung für Menschen mit Arbeit nicht zunehmend diejenigen ohne Arbeit dauerhaft von neuen Arbeitschancen aus?

Diskutieren Sie online mit!

Niemand im Apothekenbereich – egal ob LeiterIn oder Angestellte/r – sitzt in einem Elfenbeinturm. Die Auswirkungen der hohen Arbeitslosigkeit kennen alle zumindest aus dem Familien- oder Bekanntenkreis. Deshalb ist es wichtig, wenn durch die Hartz-Vorschläge die Situation und mögliche Lösungswege wieder verstärkt diskutiert werden. Die Online-Diskussionsforen auf der Website des BVA (www.BVA-online.de) bieten dazu eine Plattform

Folgende Themen stehen zur Diskussion:

  • Wie viel Mobilität ist zumutbar? Welche Auswirkungen haben lange Pendelzeiten auf Familie, Umwelt und Volkswirtschaft?
  • Mit 56 Jahren in Frührente – ist das gesellschaftlich akzeptabel?
  • Vom Verwalter der Arbeitslosigkeit zum Zeitarbeit-Profitcenter: Ist diese Wendung um 180 Grad bei den Arbeitsämtern realistisch? Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Arbeitsamt?
  • Zeitarbeit (d. h. Leiharbeit) im Apothekenbereich – macht das Sinn?

Die Jobbörse des BVA finden Sie ebenfalls unter der Website des BVA. Hier haben Angestellte und Apothekenleiter auf einer komfortablen Plattform bundesweit die kostenlose Möglichkeit, Stellen bzw. Personal zu suchen.

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