Europarecht

H. BlasiusE-Commerce und Versandhandel mit Arzneimit

Der elektronische Handel ist aus der Sicht der Europäischen Kommission ein wesentlicher Faktor für wirtschaftliches Wachstum, zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Stimulierung von Investitionen in Innovation und Beschäftigung im Binnenmarkt. Die Entwicklung eines geeigneten Rechtsrahmens ist daher seit einigen Jahren eines der Top-Themen auf der Agenda der Brüsseler Politik. Hiervon ist der Arzneimittelsektor nicht grundsätzlich ausgenommen, wenngleich im Hinblick auf diese Produktgruppe durchaus ein erweitertes Verbraucherschutzinteresse anerkannt wird. Aus Anlass der aktuellen Diskussionen um den E-Commerce und den Versandhandel mit Arzneimitteln soll das regulatorische Umfeld im Folgenden einmal aus europäischer Sicht beleuchtet werden.

Der europäischer Rechtsrahmen, der sich um den E-Commerce bzw. den Versandhandel mit Arzneimitteln rankt, besteht im wesentlichen aus folgenden Richtlinien:

  • Richtlinie über pharmazeutische Tätigkeiten (85/432/EWG) (siehe Kasten),
  • Richtlinie zum E-Commerce (2000/31/EG),
  • Richtlinie über den Fernabsatz 97/7/EG (siehe Kasten),
  • Richtlinie über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (siehe Kasten),
  • Richtlinie über die Werbung für Humanarzneimittel (vormals 92/28/EG, jetzt: Artikel 86 – 99 des Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel [Richtlinie 2001/83/EG]).

Hieraus ergibt sich in groben Zügen folgendes Bild (siehe auch die Texte in den Kästen): Die Frage des Apothekenmonopols bzw. ein etwaiges Verbot des Versandhandels fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Teleshopping mit zulassungspflichtigen Arzneimitteln ist überall in der EU verboten, ebenso wird die Publikumswerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel verboten.

Bedeutung der E-Commerce-Richtlinie für den Arzneimittelsektor

Im Mai 2000 wurde die europäische Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt (so genannte E-Commerce-Richtlinie) verabschiedet. Nähere Ausführungen zu ihrer Bedeutung und Reichweite sind einer Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über den elektronischen Geschäftsverkehr und Finanzdienstleistungen (KOM[2001] 66 endg.) zu entnehmen.

Die E-Commerce-Richtlinie ist eine horizontale Rahmenrichtlinie, die für sämtliche Dienste der Informationsgesellschaft gilt. Der Arzneimittelsektor fällt zwar grundsätzlich ebenfalls in ihren Geltungsbereich, in den Erwägungsgründen wird aber darauf hingewiesen, dass das durch Gemeinschaftsrechtsakte eingeführte Schutzniveau, insbesondere für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, unberührt bleiben soll. In diesem Zusammenhang wird auf die europäische Versandhandelsrichtlinie (97/7/EG) und die europäische Werberichtlinie für Humanarzneimittel (vormals 92/28/EG) verwiesen.

Die Richtlinie ist auf ein relativ geringes Harmonisierungsniveau ausgelegt. Sie besagt, dass die Diensteanbieter den nationalen Anforderungen genügen müssen, die zu dem "koordinierten Bereich" der Richtlinie gehören. Dieser erstreckt sich im wesentlichen auf die Aufnahme der jeweiligen Tätigkeit und ihre Ausübung, die Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der Werbung sowie die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters. Ausgeschlossen sind Anforderungen betreffend die Waren als solche, die Lieferung von Waren – bzgl. Arzneimittel etwa der Versandhandel – sowie Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden. So bleibt es den Mitgliedstaaten weiterhin unbenommen, nationale Regelungen zum Versandhandel von Waren zu erlassen.

Das Herkunftslandprinzip und seine Ausnahmen

Von zentraler Bedeutung für den E-Commerce ist das Herkunftslandprinzip. Dienstanbieter können ihre Leistungen in der gesamten Union auf der Grundlage der in ihrem Mitgliedstaat (d. h. dem Herkunftsland) geltenden Regeln und Regulierungen erbringen. Eine physische Präsenz oder Geschäftstätigkeit in dem anderen Mitgliedstaat wird ebenfalls nicht gefordert. Die Behörden der Herkunftsländer müssen ihrerseits sicherstellen, dass die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Anbieter den nationalen Anforderungen genügen, die zu dem "koordinierten Bereich" der Richtlinie gehören. Sie dürfen die Dienstleistungsfreiheit hierbei jedoch nicht einschränken oder etwa Maßnahmen treffen, die aus anderen Mitgliedstaaten angebotene Dienste behindern oder benachteiligen. Abweichungen von dem oben beschriebenen Binnenmarktansatz sind möglich, jedoch nur in eingeschränktem Maße.

So bestehen zum einen allgemeine Ausnahmeregelungen (im Anhang zu der Richtlinie aufgeführt), und zum anderen gestattet die Richtlinie fallweise Ausnahmen. Die letztere Kategorie erlaubt es den Mitgliedstaaten, Dienste der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat u. a. zum Schutz der Verbraucher oder der öffentlichen Gesundheit zu beschränken (Artikel 3 Absätze 4 bis 6 der E-Commerce-Richtlinie). Hier ergibt sich der zentrale Berührungspunkt zum Arzneimittelsektor.

Umsetzung verlangt gegenseitiges Vertrauen

Der in der E-Commerce-Richtlinie entwickelte Ansatz spiegelt aus der Sicht der Europäischen Kommission "die neue Realität des elektronischen Geschäftverkehrs" wider. Bedenken, dass solche Dienste nicht hinreichend kontrolliert werden, tritt die Kommission mit Entschiedenheit entgegen. Sie verweist auf die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten für die Überwachung der in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Anbieter und betont, dass die Staaten, in denen eine Leistung erbracht wird, sich auf die Maßnahmen verlassen müssen, die von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats getroffen werden. Sie sind allerdings berechtigt, alle relevanten Informationen von dort zu verlangen.

Die Kommission gesteht zu, dass die Anwendung der E-Commerce-Richtlinie seit dem 17. Januar 2002 noch wichtige Fragen aufwirft. Vor allem im Hinblick auf das Herkunftslandprinzip wird eine weitere Konvergenz der nationalen Vorschriften für erforderlich gehalten, um die Transparenz und ein einheitliches Schutzniveau der Verbraucher zu gewährleisten.

Versandhandel schon 1998 explizit thematisiert

E-Commerce und Versandhandel mit Arzneimitteln wurden aber auf europäischer Ebene nicht erst im Zusammenhang mit der relevanten Richtlinie diskutiert. Sie waren unter anderem bereits Gegenstand der drei Rundtischgespräche der Mitgliedstaaten zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes für Arzneimittel, die in den Jahren 1996 bis 1998 auf Initiative des damaligen deutschen EU-Kommissars Dr. Martin Bangemann stattfanden (Berichte: http://dg3.eudra.org).

Viel Beachtung fand in dieser Zeit die Mitteilung der Kommission über den Binnenmarkt für Arzneimittel (COM[98]588 final) (siehe auch DAZ Nr. 20, 39 – 45 [1999]). Sie enthält eine Reihe von Vorschlägen für spezifische Maßnahmen zur Förderung der Harmonisierung, die auch den E-Commerce bzw. den Versandhandel betreffen:

  • So sollten die nationalen Verbote des Versandhandels von rezeptfreien Arzneimitteln noch einmal überprüft werden.
  • Daneben meinte die Kommission seinerzeit, "es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, dass neue Systeme für die Abgabe von Arzneimitteln an den Verbraucher – insbesondere angesichts der wachsenden Möglichkeiten des elektronischen Handels – die Regulierungsbehörden veranlassen, Überlegungen anzustellen, welche Einsparungen sich bei den Distributionskosten vornehmen lassen".

Für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Wege des elektronischen Handels prognostiziert sie deutliche Einsparungen für die Gesundheitssysteme, solange "die Unbedenklichkeit nicht darunter leidet". Mit einer gewissen Sorge betrachtet die Kommission jedoch die Aussicht, dass "Werbebotschaften, die in den USA rechtmäßig im Internet platziert werden, ... in der Europäischen Union zugänglich sind, wo derartige Werbung ausdrücklich verboten ist", weshalb die Frage der Publikumswerbung eingehend geprüft werden müsse.

Nur so viel Regulierung, wie nötig

Obwohl die Kommission den hohen Standard der qualitativen und fachlichen Information im pharmazeutischen Einzelhandel in der Mitteilung durchaus anerkannte, forderte der damalige EU-Kommissar Bangemann angesichts der rasanten Zunahme an Internet-Usern vielerorts öffentlich europäische Regelungen, die den elektronischen Handel mit nicht-rezeptpflichtigen Arzneimitteln gewährleisten sollten.

Der Leiter der Abteilung DG III-E-3 der Europäischen Kommission Patrick Deboyser hielt es zwar für unwahrscheinlich, dass das Internet das geschäftliche Umfeld für Arzneimittel revolutionieren wird, aber auch er glaubte an Auswirkungen auf den Arzneimittelsektor. Restriktionen sollten seiner Ansicht nach dem Regelungstatbestand angemessen sein, wobei er Standards für verantwortliches Verhalten gegenüber gesetzlichen Einschränkungen für den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen eindeutig den Vorrang gab.

Die Studie zum elektronischen Handel

Die Kommission nahm die rasante Entwicklung des elektronischen Handels seinerzeit vorausschauend zum Anlass, eine Studie zu den möglichen Implikationen auf den Arzneimittelsektor in Auftrag zu geben. Sie wurde von Ashurst Morris Crisp, Brüssel/ London und Executive Perspective S.A., Brüssel, durchgeführt. Die Ergebnisse sind seit Dezember 1998 über das Internet verfügbar. Die Bearbeiter der Studie stellen zunächst fest, dass dem E-Commerce mit Arzneimitteln bei der Abgabe an die Verbraucher zwar technisch nichts mehr im Wege stehe, wohl aber eine Reihe gesetzlicher Hindernisse. Im wesentlichen wurden folgende regulatorische Schranken ausgemacht und kommentiert:

  • Apothekenmonopol. Mit wenigen Ausnahmen dürfen Arzneimittel in Europa nur in Apotheken abgegeben werden. Der Apotheker hat die Prüfpflicht in bezug auf das Vorliegen der Verschreibung und die Zugehörigkeit zum Krankenversicherungssystem. Die Frage, inwieweit die Beratung eines Apothekers für ein breites Arzneimittelsortiment erforderlich ist, ist einer der wesentlichen Punkte in der Debatte über den E-Commerce bzw. den Versandhandel.
  • Zulassungspflicht. Grundsätzlich könnte ein in einem Land zugelassenes Produkt auch in denjenigen Ländern bestellt werden, in dem es keine Verkehrsgenehmigung hat. Dasselbe Problem stellt sich in Bezug auf die Verschreibungspflicht. Als Lösung schlagen Ashurst Morris Crisp und Executive Perspective Folgendes vor: Auf den Internet-Seiten könnten entsprechende Zusatzinformationen für die Verbraucher bezüglich des Zulassungs- bzw. des Verschreibungspflicht-Status gegeben werden. Auch ein System der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen zwischen der Europäischen Union und Staaten mit einem international renommierten Zulassungssystem, wie etwa der USA, speziell für den Handel im Internet, wird angedacht. Ein weiterer Vorschlag geht dahin, die arzneimittelrechtliche Zulassung unter bestimmten, noch zu formulierenden Bedingungen mit einer Zulassung für den Internet-Handel zu verknüpfen.
  • Werbung und Verkaufsförderung. Trotz der allgemeinen Akzeptanz internationaler Standards etwa der WHO haben zwei Drittel aller Länder in der Welt keine gesetzlichen Regelungen zur Verkaufsförderung bei Arzneimitteln oder sie wenden diese nicht an (Näheres hierzu siehe unten).
  • Auslieferung und Kennzeichnung. Außerdem ist der E-Commerce mit Arzneimitteln in der EU erschwert bzw. unmöglich durch die Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 97/7/EG, siehe Kasten), das Verbot des Teleshoppings (Richtlinie 97/34/EG, siehe Kasten) und das Gebot der Kennzeichnung in der jeweiligen Landessprache (Richtlinie 97/27/EG).
  • Preise und Erstattung. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Frage, inwieweit der Anbieter Preisfestsetzungen im Anbieterland bzw. im Land des Käufers beachten muss. Hierdurch könnte die europäische Pharmaindustrie – so wird prognostiziert – unter erheblichen Wettbewerbsdruck von Anbietern außerhalb Europas kommen, die an die hier gültigen Regeln zur Preisfestsetzung nicht gebunden sind.
  • Urheberschutzrechte. Copyright, Patente, Warenzeichen geben ebenfalls vielfach Anlass zu Befürchtungen von Rechtsverstößen.
  • Gerichtsbarkeit, Haftung. Last not least führen Ashurst Morris Crisp und Executive Perspective die Zuständigkeit der Gerichte bzw. Haftungsfragen als zusätzliches Problemfeld im internationalen elektronischen Handel mit Arzneimitteln an. Die Bearbeiter der Studie empfahlen der Kommission seinerzeit, die bestehenden regulatorischen Hindernisse aufzuarbeiten, minimale Standards für den Gesundheitsschutz zu entwerfen und Vorkehrungen zu treffen, um das Vertrauen der Bürger in das Arzneimittel und das Distributionsnetz zu erhalten. Zu diesem Zweck sollte die Kommission auch über ein spezielles Erziehungsprogramm für die Bürger nachdenken.

Wer hätte den besten Start?

Den besten Ausgangspunkt für den Einstieg in den E-Commerce hätten nach Ansicht der Studienverfasser aufgrund ihrer ohnehin vorhandenen logistischen Systeme die Großhändler, die damit zum Hauptverbindungsglied im Distributionsprozess werden könnten, und dies nicht nur auf den jeweiligen nationalen Märkten, sondern auch grenzüberschreitend. Ashurst Morris Crisp und Executive Perspective gehen in ihren Mutmaßungen sogar so weit, dass die Organisation der Großhandelsfunktion in Europa langfristig nur bei einer Handvoll europäischer Firmengruppen liegen könnte. Dass die Hersteller nennenswert in die Großhandels- oder Einzelhandelsfunktion eingreifen, wird eher für unwahrscheinlich gehalten.

Abwartende Haltung in der Branche

Die Studie baut unter anderem auf einem Fragebogen auf, den die Bearbeiter an etwa 180 Organisationen aus den Kategorien Apotheke, Großhandel, pharmazeutische Industrie, Behörden in Europa versandt haben. Hieraus ergibt sich ein Stimmungsbild der Einstellung und der Erwartungen der unterschiedlich motivierten Marktbeteiligten zum elektronischen Handel mit Arzneimitteln. Dass die Apotheker diesen durchweg ablehnen, scheint verständlich. In den anderen Kategorien ist die Einstellung überwiegend unentschieden. So sehen einige Großhändler wenig Zukunftsaussichten für den E-Commerce. Kosten oder technische Probleme werden allerdings nicht als Hindernis angesehen.

Befürchtungen betreffen eher die Unkontrollierbarkeit des Mediums und eine exzessive Liberalisierung. Überwiegend präferiert die Branche die Beibehaltung des Vertriebsweges Arzneimittelhersteller – pharmazeutischer Großhandel – Apotheke als wesentliche Vorbedingung für einen freien und sicheren Arzneimittelverkehr in Europa.

Werbung für Arzneimittel im Internet

Ein wichtiger Aspekt, der von Gegnern des Versandhandels mit Arzneimitteln immer wieder ins Feld geführt wird, ist die schwierige Kontrollierbarkeit der Arzneimittelinformation und Werbung im Internet. Auf EU-Territorium ist hier die Europäischen Werberichtlinie für Humanarzneimittel 92/28/EWG anwendbar, die die Publikumswerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel verbietet. Im Hinblick darauf, dass die Verschreibungspflicht nicht harmonisiert ist und es im Benehmen der Mitgliedstaaten liegt, den Versandhandel für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel auf ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen, sind die Grenzen auf diesem Gebiet unscharf.

Klarstellung der Europäischen Kommission

Bei seinem Treffen am 15./16. April 1999 befasste sich der pharmazeutische Ausschuss, der die Europäische Kommission in Arzneimittelfragen unterstützt und berät, mit dem Thema "Arzneimittelwerbung im Internet". Eine Verlautbarung des Ausschusses geht darauf ein, wo die Grenze zum Unerlaubten zu ziehen sein könnte: Hiernach soll unveränderte und ungekürzte Information über ein Arzneimittel – rezeptpflichtig oder nicht rezeptpflichtig – im Internet, die von der Zulassungsbehörden "abgesegnet" wurde, wie z. B.

  • die Zusammenfassung der Produktmerkmale eines Arzneimittels (SPC, entspricht der deutschen Fachinformation),
  • die Packungsbeilage,
  • der öffentliche Bewertungsbericht der Behörde (public assessment report) normalerweise nicht als Arzneimittelwerbung eingestuft werden, es sei denn, die dargebotene Information enthält eine versteckte Förderung der Verschreibung, der Versorgung oder auch des Verkaufs oder Anwendung des Arzneimittels.

Haltung der WHO zur Arzneimittelwerbung im Internet

Die 51. Weltgesundheitsversammlung (WHA) nahm am 16. Mai 1998 Stellung zur grenzüberschreitenden Werbung und zum Verkauf von Arzneimitteln über das Internet. Sie erkennt den großen Wert und das immense Potenzial des Internets als Medium für die Verteilung und Beschaffung von Informationen über Arzneimittel an, fordert aber gleichwohl eine intensive Zusammenarbeit sowohl zwischen den Mitgliedstaaten und der WHO als auch zwischen den Verbrauchern, den Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Industrie, um eine wirksame Kontrolle zu ermöglichen und Verstöße konsequent zu ahnden.

Im Juni 1999 legte die WHO einen Modell-Guide für "Good informational practices" vor. Er richtet sich direkt an die Internet-User, d. h. auch an die Verbraucher und enthält eine Reihe von praktischen Hinweisen und Warnungen, um möglichen Schädigungen, die durch eine insuffiziente oder falsche Arzneimittelinformation oder durch einen illegalen Erwerb hervorgerufen werden können, vorzubeugen.

Werbe-Kodizes der Industrie-Verbände

Last not least sollen die Kodizes nicht unerwähnt bleiben, die sich die internationalen Dach-Verbände der Pharmaindustrie zur Selbstkontrolle auferlegt, so z. B. die JIFPMA (International Federation of Pharmaceutical Manufacturers Association): Code of Pharmaceutical Marketing Practices, JEFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries Association): European Code of Practice for the Promotion of Medicines, JAESGP (Association Européene des Spécialités Pharmaceutiques grand Public): Code of Standards for the Advertising of Medicines.

"Atmosphärisches" aus Brüssel

In der Folge der oben genannten Rundtischgespräche sind die Diskussionen über die Distributionswege für Arzneimittel auf europäischer Ebene gegenüber dem Hauptthema "Review 2001" etwas in den Hintergrund getreten. Immerhin hatte die Kommission seinerzeit aber eine eigene Arbeitsgruppe zum E-Commerce eingerichtet, und es haben weitere Konsultationen mit den Betroffenen in den Mitgliedstaaten zur Weiterentwicklung des Distributionssystems für Arzneimittel stattgefunden.

Wie den letzten Ergebnisprotokollen des Pharmazeutischen Ausschusses zu entnehmen ist, bestehen vielerorts "strategische Unsicherheiten", und es wird derzeit versucht, seitens der Kommission eine klare Position zu formulieren. Übereinstimmung besteht dem Vernehmen nach darüber, dass eine einheitliche Vorgehensweise anzustreben ist und dass in diesem Punkt nichts überstürzt werden sollte.

Bleibt für Arzneimittel "all business is local"?

Der Arzneimittelsektor in der Europäischen Union befindet sich zu Beginn des neuen Jahrtausends nach langen Jahren mühsamer Rechtsangleichung in einer großen Umbruchphase. Die praktische Umsetzung des Binnenmarktes, die bevorstehende Ost-Erweiterung und die allgemeine Globalisierung sind die zentralen Herausforderungen.

Gerade im Distributionsnetz gibt es jedoch nach wie vor vielerlei Schranken, weil die Märkte stark von nationalen Besonderheiten geprägt sind. Obwohl dieser Bereich dem Zugriff der europäischen Politiker weitgehend entzogen ist, versucht die Kommission bereits seit Jahren, in diesem Punkt Druck "vorsichtig" auf die Mitgliedstaaten auszuüben, zum einen wegen der Zwänge, die sich aus dem Funktionieren des Binnenmarktes ergeben und zum anderen angesichts der globalen Wettbewerbssituation. Insofern bleibt abzuwarten, wie lange die nationalen Preisfestsetzungsmechanismen und das "traditionelle" Distributionssystem mit dem weitgehenden Verbot des Versandhandels tatsächlich noch Bestand haben werden. Es ist fraglich, wie lange die Europäische Kommission den Grundsatz "all business is local" trotz aller Bedenken in bezug auf die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit für den Binnenmarkt auf dem Arzneimittelsektor noch akzeptieren wird.

Kastentext: Die europäische Versandhandelsrichtlinie

Die europäische Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ("Distance selling directive") 97/7/EG (17) betrifft sowohl innerstaatliche wie auch grenzüberschreitende Vertragsabschlüsse im Fernabsatz über Waren und Dienstleistungen aller Art zwischen Verbrauchern und Lieferern. Sie erfasst prinzipiell auch den Versandhandel mit Arzneimitteln, der unter Verwendung der im Anhang der Richtlinie angegebenen Kommunikationsmittel ebenfalls zulässig sein soll. Es wird den Mitgliedstaaten jedoch zugestanden, im Sinne eines höheren Schutzniveaus bei Arzneimitteln weitergehende Restriktionen zu erlassen (Erwägungsgrund Nr. 24 und Artikel 14 der Richtlinie). In der Bundesrepublik Deutschland wurde hiervon mit dem Versandhandelsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG (8. AMG-Änderungsgesetz) Gebrauch gemacht.

Kastentext: Apothekenmonopol ist Sache der Mitgliedstaaten

Der Vertrieb von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ist in den gemeinschaftlichen europäischen Rechtsvorschriften nicht geregelt. In den Erwägungsgründen zu der Richtlinie 85/432/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten heißt es, dass die Mitgliedstaaten sowohl für die geographische Verteilung der Apotheken als auch für deren Abgabemonopol für Arzneimittel zuständig bleiben sollten. Der Europäische Gerichtshof bestätigte diesen Grundsatz im Jahr 1991 im Zusammenhang mit den Fällen Delattre (C 369/ 1991, I – 1487) und Monteil (C 60/89/1991, I – 1547). Soweit ein Apothekenmonopol ein Einfuhrhindernis darstelle, so der EuGH, sei dies bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich gerechtfertigt.

Kastentext: Verbot des Teleshoppings für zulassungspflichtige Arzneimittel

Ein Verbot der Fernsehwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel findet sich sowohl in der Richtlinie 89/552/EWG über die Fernsehtätigkeit als auch in der Werberichtlinie für Humanarzneimittel. Mit der Revision der Fernsehrichtlinie im Jahr 1997 (Richtlinie 97/36/EG) wurde das bis dahin nicht geregelte Teleshopping mit in den Regelungsbereich einbezogen und für alle zulassungspflichtigen Arzneimittel, das heißt auch für die nicht rezeptpflichtigen, verboten (Art. 14 Abs. 2). Für diesen Bereich ist derzeit keine Änderung der Rechtslage zu erwarten.

Literatur Mitteilung der Kommission über den Binnenmarkt für Arzneimittel vom 25.11.1998 (COM[98]588 final). Internet: http://dg3.eudra.org/frankf/pdf/com1198_de.pdf. Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten Abl. Nr. L 253 , 34 – 36 vom 24. 9. 1986. Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz. Abl. Nr. L 144, S. 19 – 28 vom 4. 6. 1997. Richtlinie des Rates 92/28/EWG vom 31. 3. 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel/Abl. Nr. L 113, S. 13 vom 30. 4. 1992. Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit. Abl. Nr. L 298, 23 – 30 vom 17. 10. 1989. Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit. Abl. EG Nr. L 202, 60 – 70 vom 30. 7. 1997. Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, Abl. L 178 vom 17. 7. 2000, S. 1 – 16. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über den elektronischen Geschäftsverkehr und Finanzdienstleistungen (KOM[2001] 66 endg. vom 7. 2. 2001). Bangemann: Der elektronische Handel ist nicht mehr aufzuhalten (Bericht von der Jahrestagung der AESGP in Berlin). Dtsch. Apoth. Ztg. 139, Nr. 24, 18 (1999). Internet and Pharmaceuticals: A view from the European Commission. Presentation by Mr. Patrick Deboyser at the IFPMA Symposium on 6 October 1998 in Geneva. Ashurst Morris Crisp und Executive Perspective S.A.: Impact of electronic commerce on the European pharmaceutical sector. Brussels/London November 1998. http://dg3.eudra.org/F2/ pharmacos/comdoc_doc.htm. Pharmaceutical Committee. Information on the outcome of the 47th meeting. 15 – 16 April 1999. Fifty-First World Health Assembly (WHA 51.9), Agenda item 20 of 16 May 1998: Cross-border advertising, promotion and sale of medicinal products using the internet. WHO: Medicinal Products and the Internet. A guide to finding reliable information (final draft). World health Organisation Geneva 1999. Pharmaceutical Committee. Information on the outcome of the 50th Meeting. 21 – 22 September 2000. Pharmaceutical Committee. Information on the outcome of the 51st meeting. 5 April 2001. Achtes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 7. 9. 1998/BGBl. I S. 2649 vom 10. 9. 1998.

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