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Bayerischer Apothekerverband: Werden Apotheker von Politikern für unmündig geh

Trotz vielfältiger politischer Probleme nach außen bewies die Mitgliederversammlung des Bayerischen Apothekerverbandes e.V. (BAV) am 20. Juli 2002 nach innen Geschlossenheit. So wurden alle Tagesordnungspunkte Ų Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung, Geschäftsbericht etc. Ų nahezu einstimmig verabschiedet.

Der Rechnungsabschluss, den Dr. Stefan Weber vorstellte, weist für das Jahr 2001 Gesamterträge von 4 081 301,49 Mark bei einem Gesamtaufwand von 3 732 418,32 Mark auf, sodass 259 506,28 Mark Rücklagen gebildet werden konnten. Dabei waren zwei Auffälligkeiten im Haushaltsplan zu verzeichnen:

So spiegelten sich im Posten "Rechts- und Beratungskosten" mit der hohen Summe von 57 059,03 Mark die sich verschärfenden juristischen Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen wider. Das Sozialgericht München beispielsweise hat auf Antrag des BAV am 4. April 2002 gegen die Betriebskrankenkasse König + Bauer eine einstweilige Anordnung mit dem Verbot erlassen, ihre Versicherten zum Bezug von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels bei DocMorris aufzufordern.

Die zweite ungewöhnliche Ausgabe verursachte eine vom BAV bei der Agentur Kienbaum in Auftrag gegebene Strukturanalyse, die sowohl die Arbeit der Geschäftsstelle und des Vorstandes durchleuchtete, als auch eine Mitgliederbefragung vornahm. Diese Analyse schlug mit 147 827,50 Mark zu Buche.

Der Vorsitzende des BAV, Gerhard Reichert, wies darauf hin, dass die detaillierten Ergebnisse der Studie noch bekannt gegeben werden, man aber aus der Mitgliederbefragung jetzt schon wisse, dass die Mitglieder eine Erweiterung des Aufgabenspektrums des BAV in Richtung Dienstleistungen – beispielsweise im Hinblick auf das Internet – erwarten. Die ca. 1100 Mitglieder, die den Fragebogen ausgefüllt haben, seien auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben.

Import-Dilemma

In seiner Rede beleuchtete Reichert das Dilemma mit den Importen. So bezeichnete er es als paradox, "wenn heute die Gesundheitsminister von Griechenland und Spanien jammern, dass ihre inländische Ware knapp wird, weil sie von deutschen Importeuren aufgekauft und dann bei uns auf den Markt geworfen wird." Im Hinblick auf die Kassen konstatierte der Vorsitzende, dass es schon fast zur Regel geworden sei, "dass der erste mögliche Kündigungstermin von Kassenseite genutzt wird, um Preise zu drücken und bessere Konditionen durchzusetzen."

So kam auch pünktlich vor dem 1. Juli 2002 von der AOK Bayern die Kündigung des Arzneiliefervertrages in der Geschäftsstelle an. Klage führte Reichert gegen die Kassen auch im Hinblick auf die immer pingeliger werdenden Retaxationen, die teilweise durch die "geringsten Formfehler" begründet werden.

Versandhandel mit Impfstoffen?

Ein Lob stellte Reichert dagegen der ABDA aus, der es gelungen ist, die Impfstoffe innerhalb der Apothekenpflicht zu erhalten. Leider müsse man aber beobachten, dass hierbei die kostendeckenden Spannen teilweise von Kollegen unterlaufen werden, die mit großen Impfstoffversandfirmen die Preise unterbieten. Dagegen werde man aber vorgehen: "Jedem Richter wird es einleuchten, dass eine Pseudoabholung durch einen Logistikdienst wie UPS oder andere quer durch die Republik de facto nichts anderes ist als Versandhandel."

Apotheker als Zwangskommissar

Im Zusammenhang mit dem Arzneimittel-Ausgabenbegrenzungsgesetz bezeichnete Reichert die Rolle des Apothekers als "Zwangskommissar", der, sofern der Arzt kein billiges Präparat verordnet hat, das preisgünstige Arzneimittel abgeben muss und sich somit "bei Arzt und Patient" gleichermaßen unbeliebt macht. Dass es ferner dem "mündigen Bürger" nicht gestattet sei, "von einem substituierten preisgünstigen Arzneimittel auf sein gewohntes Arzneimittel draufzuzahlen", war für Reichert offensichtlich nicht nachvollziehbar:

"Beim AABG gibt es keinen mündigen Bürger, sondern allenfalls einen entmündigten Bürger." Reichert weiter: "Und wo bleibt der mündige Apotheker? Was passiert, wenn ein Arzneimittel dauerhaft aus dem unteren Preisdrittel herausrutscht oder, wenn kein unteres Preisdrittel angegeben ist, nicht mehr zu den fünf billigsten gehört?

Warum darf der Apotheker dann, wenn er die Differenz aus seinem eigenen Geldbeutel bezahlt, nicht das teure Produkt wenigstens zum Preis des unteren Drittels abgeben, um sein Warenlager bereinigen zu können?" Der Vorsitzende sprach davon, dass er in diesem Kontext überall den "Ruf nach zivilem Ungehorsam" höre, den er verstehen könne.

Unterschriftensammlungen

Den "dreisten Versuch" der BKK Bayern, "illegalerweise mit einem holländischen Versandunternehmen einen Arzneimittelliefervertrag zu schließen", habe man massiv abgewehrt. Mit einer apothekeninternen, sich auf mehrere Tausende von Stimmen summierenden Unterschriftensammlung habe man "publikumswirksam im Bayerischen Landtag" erfolgreich dagegen protestiert.

So habe sich die Bayerische Staatsregierung der Meinung der Apotheker angeschlossen "und hat gegen den Landesverband der BKK Bayern unverzüglich und in der kürzest möglichen Frist nach der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung den Vertrag für ungültig erklärt und den sofortigen Vollzug angeordnet."

Dass die Reaktion auf die bundesweit größte Unterschriftenaktion "Pro Apotheke" relativ schwach ausfiel, erklärte sich Reichert mit einer ausgesprochen apothekenfeindlichen Haltung vieler Journalisten. Gleichwohl habe die Aktion Wirkung gezeigt, denn bei einigen Politikern lägen die Nerven blank. Reichert: "Wer sich in Zukunft mit Apothekern anlegen will, wird sich dies gründlich überlegen. Die Zeit der politischen Duckmäuserei ist vorbei." ri

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