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Pflanzliche Arzneimittel: Neue Extrakt-Definition sorgt für Verwirrung

BONN (hb). Dass der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) seine Mitgliedsfirmen in den letzten Jahren regelmäßig zu einer Veranstaltung mit dem Dauerthema "Anforderungen an die pharmazeutische Qualität von Phytopharmaka" einlädt, hat seinen Grund. Hier ist vieles im Fluss, das heißt, die Hersteller müssen sich immer wieder mit neuen behördlichen und gesetzlichen Regelungen auseinander setzen. Wichtige Themen bei dem Seminar am 4. Juli 2002 waren die neuen international harmonisierten Formate für die Zulassung (Common Technical Document/CTD) sowie die Definition für "Extrakte" im Arzneibuch.

Für die Anwendung der internationalen Formate für den Zulassungsantrag (CTD) läuft derzeit noch eine Übergangsphase bis zum 1. Juli 2003. Ab diesem Zeitpunkt werden die Formularsätze auch für pflanzliche Arzneimittel verbindlich. Dies bedarf deswegen besonderer Überlegungen und einer speziellen Kommentierung, weil internationale zulassungsrelevante Dokumente in der Regel auf chemisch definierte Arzneimittel abgestellt sind und die Besonderheiten pflanzlicher Arzneimittel als komplexe Wirkstoffe hierbei zumindest nicht per se angemessen berücksichtigt werden.

Viel Diskussionsstoff liefert derzeit darüber hinaus die neue Definition des Europäischen Arzneibuchs für Extrakte. Diese unterscheidet zwischen drei Kategorien:

  • standardisierte (standardised) Extrakte (nach bisheriger Sprachregelung in Deutschland "normierte" Extrakte). Diese werden auf einen bestimmten Gehalt an (einen) Inhaltsstoff(en) mit bekannter therapeutischer Wirksamkeit eingestellt.
  • "quantifizierte" (quantified) Extrakte. Diese werden durch Mischen von Extraktchargen eingestellt auf (eine) Spanne(n) von Inhaltsstoffen, die zur therapeutischen Wirksamkeit beitragen. Im Nachgang zu dem so genannten Bühler-Brief war eine solche Vorgehensweise in den letzten Jahren in Deutschland nicht mehr zulässig.
  • "andere" (other) Extrakte. Deren Qualität wird ausschließlich über das Herstellungsverfahren definiert, ein Sachverhalt, der in Deutschland nach bisheriger Sprachregelung mit dem Begriff "standardisierter Extrakt" beschrieben wurde.

Darüber hinaus fallen Tinkturen, die bislang in einer eigenständigen Monographie beschrieben waren, nunmehr unter die Monographie "Extrakte".

Besondere Besorgnis löst bei den Herstellern pflanzlicher Arzneimittel die Tatsache aus, dass unter dem Begriff "Extrakte" nunmehr definitorisch alle Zubereitungen aus Drogen, "wie sie unmittelbar nach der technischen Behandlung anfallen", als "nativ" subsumiert werden, unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um "native" Zubereitungen handelt oder um solche, die neben den eigentlichen Extraktivstoffen aus der Droge noch Hilfsstoffe, wie etwa Lösungsmittel oder Normierungsmaterial, enthalten.

Hierunter könnte die Markttransparenz erheblich leiden, so die Befürchtung der Phyto-Firmen, weil schließlich das Droge/Extrakt-Verhältnis (DEV) auf der Packung zu deklarieren ist. Im Falle etwa von Flüssigextrakten würden dann verbliebene Lösungsmittel und/oder zugesetzte Hilfsstoffe wie Propylenglykol/ Glycerin sozusagen nativen Extrakt "vortäuschen".

So sind die neuen Regelungen des Arzneibuchs – obwohl auf europäischer Ebene dem Vernehmen nach als Kompromiss hart erkämpft – aus der Sicht der deutschen Inverkehrbringer pflanzlicher Arzneimittel wohl eher als Rückschritt denn als Fortschritt zu werten, so das Fazit der anwesenden Experten.

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