Arzneimittel und Therapie

Sepsis: Kein Überlebensvorteil durch Antithrombin

In einer großen Doppelblindstudie zeigte hoch dosiertes Antithrombin keinen Einfluss auf die 28-Tage-Sterblichkeit von Patienten mit schwerer Sepsis. Insbesondere bei gleichzeitiger Heparin-Gabe traten vermehrt Blutungen auf.

Bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock ist häufig das Gerinnungssystem aktiviert. Physiologische Gerinnungshemmstoffe, wie Antithrombin und Protein C, werden in hohem Maße verbraucht. Deshalb haben viele Sepsispatienten einen Mangel an Gerinnungshemmstoffen. Dies führt zusammen mit einer unkontrollierten Thrombinbildung zu thrombotischen Komplikationen, wodurch die Durchblutung lebenswichtiger Organe beeinträchtigt sein kann.

Schutz vor Multiorganversagen?

Tiermodelle und klinische Studien bis zur Phase II wiesen darauf hin, dass Antithrombin-Konzentrate (z. B. Atenativ®, Kybernin®) Schwerstkranke mit Sespis oder septischem Schock möglicherweise vor einem Multiorganversagen schützen und so die Überlebenschancen verbessern können. In einer großen klinischen Phase-III-Studie (KyberSept®) erhielten daher Patienten mit schwerer Sepsis hoch dosiertes Antithrombin. Die Studie sollte klären, ob die Patienten unter Antithrombin-Gabe einen Überlebensvorteil haben. Der Plasmabestandteil Antithrombin (auch Antithrombin III genannt) ist ein Glykoprotein, das in der Leber gebildet wird. Antithrombin hemmt die Gerinnung, indem es an aktiviertes Thrombin und die Gerinnungsfaktoren IXa, Xa und XIa bindet.

Primäres Zielkriterium: 28-Tage-Sterblichkeit

Die KyberSept-Studie fand an 211 Kliniken in 19 Ländern statt. Patienten, deren Sepsis seit höchstens sechs Stunden bestand, bekamen randomisiert und doppelblind entweder insgesamt 30000 I. E. Antithrombin oder ein Plazebo (1% Humanalbumin) intravenös infundiert. Zu Beginn erhielten sie 6000 I. E. innerhalb von 30 Minuten, anschließend eine viertägige Dauerinfusion mit 6000 I. E. pro Tag. Heparin durfte nur niedrig dosiert als Thromboseprophylaxe oder als Spülung für Gefäßkatheter eingesetzt werden. Primäres Zielkriterium war die 28-Tage-Sterblichkeit. In die Analyse wurden alle Patienten einbezogen, die randomisiert waren und mindestens einen Teil der Studienmedikation erhalten hatten. 2314 erwachsene Patienten wurden randomisiert; die eine Hälfte erhielt Antithrombin, die andere Hälfte Plazebo.

Kein signifikanter Unterschied zwischen Antithrombin und Plazebo

In beiden Gruppen hatten etwas mehr als 50% einen Antithrombin-Plasmaspiegel unter 60% des Normalen. 24 Stunden nach der Antithrombin-Gabe war der Antithrombin-Plasmaspiegel im Durchschnitt auf 180% des Normalen gestiegen. Nach der Plazebo-Gabe blieb er unverändert.

Die 28-Tage-Sterblichkeit betrug 38,9% mit Antithrombin und 38,7% mit Plazebo. Sie unterschied sich nicht signifikant. Auch sekundäre Zielkriterien, wie die Sterblichkeit nach 56 sowie nach 90 Tagen und die Liegedauer auf der Intensivstation, wiesen keinen signifikanten Unterschied auf.

Ohne Heparingabe geringere Sterblichekeit

Bereits bei der Studienplanung war vorgesehen, die Zielkriterien in verschiedenen Untergruppen, darunter Patienten mit und ohne Heparingabe, zu untersuchen. Etwa ein Drittel aller Patienten hatte während der viertägigen Behandlung kein Heparin bekommen. In dieser Untergruppe war mit Antithrombin die 28-Tage-Sterblichkeit tendenziell niedriger (37,8% gegenüber 43,6%) und die 90-Tage-Sterblichkeit signifikant niedriger (44,9% gegenüber 52,5%) als mit Plazebo.

Vermehrt Blutungskomplikationen

Insgesamt erlitten rund 46% aller Patienten Nebenwirkungen. Diese unterschieden sich mit einer Ausnahme – den Blutungskomplikationen – nicht in Art und Häufigkeit zwischen Antithrombin- und Plazebo-Gruppe. Blutungskomplikationen waren mit 255 Ereignissen in der Antithrombin-Gruppe (22,0%) häufiger als in der Plazebo-Gruppe (148 Ereignisse bzw. 12,8%). Besonders groß war der Unterschied an Blutungskomplikationen bei Patienten, die gleichzeitig Heparin erhielten (23,8% gegenüber 13,5%). Diese Wechselwirkung zwischen Antithrombin und Heparin ist biologisch verständlich, denn Antithrombin wirkt als Kofaktor für Heparin. In beiden Behandlungsgruppen hatten Patienten mit Blutungskomplikationen eine viel höhere 28-Tage-Sterblichkeit als Patienten ohne Blutungskomplikationen (über 50% gegenüber etwa 36%).

Mit dieser Studie reiht Antithrombin sich in die Reihe der zunächst hoffnungsvollen, in großen klinischen Studien jedoch enttäuschenden Sepsismedikamente. Einzig Drotrecogin alfa (rekombinantes Aktiviertes Protein C; Xigris) ergab in einer großen klinischen Studie einen Überlebensvorteil für Patienten mit schwerer Sepsis.

Literatur: Warren, B. L., et al.: High-dose antithrombin III in severe sepsis. JAMA 286, 1869 – 1878 (2001). Crowther, M. A., Marshall, J. C.: Continuing challenges of sepsis research. JAMA 286, 1894 – 1896 (2001).

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