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Empörung, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit – Reaktionen von Apothekerinnen und Apothekern über das Verhalten von Krankenkassen wie die BKK Novitas, die das Recht mit Füßen treten. In unserer Montagsausgabe berichteten wir über den Rechtsbruch der BKK Novitas, die ihren Mitgliedern nahe legt, Medikamente über die niederländische Europa-Apotheek in Venlo zu bestellen. Das umständliche Procedere des Ausfüllens eines Fragebogens und der Arzneibestellung per Post soll den Versicherten dadurch versüßt werden, dass sie bei der Internetapotheke keine Zuzahlung leisten müssen – für niederländische Apotheken spielen die deutschen Zuzahlungsregelungen keine Rolle.

Nach Unterlagen, die uns jetzt vorliegen, gibt es für die Kunden der Europa-Apotheek noch weitere Zuckerchen, die zum Bestellen bei dieser Apotheke einladen: das Bonusprogramm "euroPlus" verhilft den Kunden zu einem netten Guthaben auf einem Kundenkonto. Und das geht so: Wer sich für das Bonusprogramm anmeldet, bekommt ein Startguthaben von 10,– Euro auf das Konto. Für alle Medikamente, die über die Europa-Apotheek bezogen werden, werden 3% des Werts auf dem Kundenkonto gut geschrieben. Und wenn der Kunde den Bezug über diese Versandapotheke weiterempfiehlt und einen neuen Kunden wirbt, schlägt das mit weiteren 30,– Euro auf dem Kundenkonto zu Buche. In den Niederlanden scheint dies legal zu sein, die Europa-Apotheek versteht sich als Direkt-Apotheke, sie ist Mitglied in der European Association of Mail Service Pharmacies, ein Verband, der Qualitätsstandards für Direkt-Apotheken entwickelt hat.

Ich frage wieder: Warum wird gegen das Treiben der Novitas BKK – und einiger weiterer BKKs im Bundesgebiet – nichts von offizieller Seite unternommen? Es liegt ein eindeutiger Verstoß gegen geltenden Recht vor, aber es passiert nichts! Das Schweigen von Behörden und der Politik ist nicht mehr erträglich.

Muss man die Zurückhaltung der staatlichen Organe etwa als Duldung und gar als Zustimmung werten? Soll auf anarchische Art und Weise dem Versandhandel in Deutschland der Weg geebnet werden? Ich denke, spätestens jetzt ist es an der Zeit, dass die Politik Farbe bekennt und sagt, was sie will. Aber wenn sie denn Versandhandel a la Novitas und Europa-Apotheek gut heißt, dann wird es eine Systemveränderung geben. Dann dürfen auch deutsche Apotheken nicht nur versenden, sondern auch Bonusprogramme auflegen. Und es wird den flächendeckenden Full Service der Apotheken, mit dem deutsche Apotheken die Versicherten der Kassen verwöhnen, nicht mehr geben – das sollte man dann fairer Weise gleich dazu sagen. Also: wer stoppt die Anarchie der Kassen?

Aut idem rückt näher – und keiner weiß, wie's geht. Der Bundesrat hat zwar noch nicht zugestimmt, aber alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir Apotheker wohl damit "beglückt" werden. Aber mit den praktischen Details dieser Regelung lässt man uns im Regen stehen, z. B. soll wirklich nur nach Preisgesichtspunkten ausgewählt werden oder darf die Qualität doch eine Rolle spielen? Gilt aut idem eigentlich auch bei Phytopharmaka? Ein Expertengespräch in der letzten Woche kam z. B. zu dem Schluss, dass aut idem hier nicht anwendbar sei. Das Zentrallaboratorium der deutschen Apotheker hat jetzt verkündet, Hilfestellung in Sachen aut idem zu leisten. Es sollen vorhandene und neue Daten aus Ergebnissen von eigenen und zur Verfügung gestellten wissenschaftlichen Untersuchungen zusammengetragen und aufbereitet werden, aus denen eine Substituierbarkeit von Präparaten hervorgehen soll. Eine Konzeption von Entscheidungshilfen soll erarbeitet werden.

Schön wäre es, wenn dies letztlich alles in eine Richtlinie für eine "Gute Substitutionspraxis" (GSP), wie sie mein Kollege Brauer unlängst forderte, einfließen würde. Eine solche Richtlinie würde auch Hilfestellung geben, wann eine Substitution nicht angezeigt ist, z. B. wenn Complianceprobleme zu erwarten sind.

Nach wie vor für viele Apothekenleiter(innen) ein massives Problem: die Suche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Arbeitsmarkt bietet kaum Approbierte, PTA oder PKA. Die Situation mag in manchen ländlichen Gegenden noch halbwegs erträglich sein, da z. B. zufällig eine PTA-Schule in der Nähe ist oder die Mitarbeiter dort mehr oder weniger mobil sind. Viele suchen jedoch nach wie vor qualifiziertes Personal, das der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht hergibt. Es bestehen noch immer die selben Probleme wie vor ein, zwei Jahren: der Zulauf zum Pharmaziestudium geht zurück, etwa 70 % der Pharmaziestudierenden sind weiblich, d. h., viele von ihnen stehen dem Arbeitsmarkt nur kurz zur Verfügung, da sie aufgrund der Familiengründung und Kindererziehung aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden, und die Kapazitäten an den Unis für die Ausbildung der Pharmazeuten gehen zurück.

Übrigens, auch bei den Ärzten kündigt sich ein Mangel an. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung schlägt bereits Alarm. Einer Studie zur Entwicklung der Zahl und Altersstruktur von Ärzten zufolge werden dringend mehr junge Ärzte gebraucht. Auch wir Apotheker sollten laut darauf hinweisen, dass uns der Nachwuchs fehlt!

Peter Ditzel

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