Arzneimittelkontrolle

R.W.O. JähnkeMarode Gesundheitssysteme und gefälsc

Die Bedenken um die Qualität von Arzneimitteln sind so alt wie die Arzneien selbst. Schon der griechische Arzt Dioscorides entwickelte einen Leitfaden zur Aufdeckung von gepanschten Arzneizubereitungen. Die Situation hat sich bis heute nicht entspannt. Insbesondere die Märkte der Entwicklungsländer sind nach wie vor mit gefälschten und minderwertigen Arzneien durchsetzt. Die allgemeine Armut, die unzureichende Finanzierung, Ausstattung und Pflege des öffentlichen Gesundheits- und Apothekenwesens erleichtern in diesen Regionen das gefährliche Spiel mit gefälschten, im Extremfall tödlichen, Arzneimitteln.

Tödliche Verfälschungen mit Mehl, Kalk und Pigmenten

Sechs Tage nachdem der Chef der kambodschanischen Naturschutzbehörde, ohne es zu ahnen, gefälschte Malaria-Medikamente genommen hatte, fiel er ins Koma und starb an Fieber, Kreislaufversagen und inneren Blutungen [20]. Sieben Dollar hatte eine Packung mit 100 Tabletten Mefloquin gekostet – verdächtig wenig. Mit gefälschtem Hologramm wurde Originalität perfekt vorgegaukelt; Medizin enthielt die Packung jedoch nicht, und mindestens ein weiteres Dutzend Kambodschaner verstarb, bevor Alarm geschlagen wurde.

Weitere Publikationen zum Thema Arzneimittelfälschungen [3; 11] rüttelten denn auch in jüngster Vergangenheit den letzten Skeptiker wach: 38% aller Artesunate-Zubereitungen im südostasiatischen Raum, das Reservemittel zur Therapie multiresistenter Malaria, enthielten nichts als gepresstes Mehl.

Derartige Pseudoresistenzen wurden bereits früher in Westafrika für Chloroquin und Primaquin mehrfach beschrieben [36; 37]. Die Pseudoresistenzen, die die gleichen Konsequenzen wie tatsächliche Wirkstoffresistenzen haben, dürften einen entscheidenden Anteil an der Rückkehr der Malaria in vielen Regionen haben.

Gefälscht wird alles, was Profit verspricht: Analysenzertifikate, Versanddokumente, Inhaltsstoffe, Rezeptur- und Verpackungsbestandteile. Kalk und schwermetallhaltige Farbpigmente sind gängige Austauschstoffe. Aber auch Sägemehl wurde bereits in Salben entdeckt [17]. Heute ist in Lateinamerika das Fälschen von Medikamenten schon lukrativer als der Cocainhandel [12]. Schätzungen beziffern den Umsatz mit gefälschten Arzneimitteln auf mindestens 20 Milliarden Dollar, was 5% des Weltpharmamarktes entspricht.

Dokumentation der WHO

Zwischen 1982 und 1999 dokumentierte die WHO über 750 Arzneimittelfälschungen [31]. Circa 70% aller Fälschungen wurden in den Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika, entdeckt. Ein Drittel aller Fälschungen standen im Zusammenhang mit gestreckten Antibiotika, an denen ein hoher Bedarf besteht und die daher besonders lukrativ für Fälscher sind. 60% aller von der WHO aufgedeckten Fälschungen enthielten überhaupt keinen Wirkstoff, 17% zu wenig, 16% den falschen und nur 7% den korrekten Inhaltsstoff.

Entwicklungsländer sind überfordert

Kann Falschgeld bisweilen noch mit bloßem Auge entdeckt werden, so bedarf es zur Aufdeckung gefälschter Medikamente einer präzisen Laboranalyse. Die wenigen Zentrallabors in Afrika, Asien und Lateinamerika sind jedoch heillos überlastet, es fehlt ihnen das Geld für Reagenzien und Personal. Darüber hinaus mussten etwa dem Direktor des kolumbianischen Zentrallabors aufgrund akuter Bedrohungen in jüngster Zeit mehrfach Leibwächter zur Seite gestellt werden [12].

Solange in einer Region oder einem Land angenommen werden muss, dass Arzneimittelfälschungen im Umlauf sind und die Arzneimittelmärkte nicht gemäß den guten pharmazeutischen Regeln arbeiten, besteht ein erhöhter Bedarf an Probenuntersuchungen, um dennoch ein gewisses Maß an Sicherheit beim Einsatz von Medikamenten erreichen zu können. Mit dem hohen Bedarf an zusätzlichen Proben und den teuren Methoden moderner Arzneibuchanalytik sind die Gesundheitssysteme der Entwicklungsländer jedoch bereits heute vollkommen überfordert.

Mobile Minilabors für Basisuntersuchungen

Aus diesem Grund entwickelte der German Pharma Health Fund e. V. (GPHF), eine Initiative der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland, gemeinsam mit kirchlichen und universitären Einrichtungen ein tropentaugliches, mobiles und preisgünstiges Kompaktlabor auf der Basis einfachster organoleptischer Prüfungen, Zerfallstests, Farbreaktionen und semiquantitativer DC-Untersuchungen. GPHF-Minilabs enthalten Labormaterial, Chemikalien und Sekundärstandards in ausreichender Menge zur Durchführung von circa 1000 Assays [9].

Die Minilab-Handbücher enthalten neben allgemeinen Erläuterungen standardisierte Analysenvorschriften für die 30 gängigsten Arzneimittel, darunter die klassischen Antibiotika sowie gebräuchliche Antituberkulotika und Malariamittel. Die Resonanz für den Einsatz von GPHF-Minilabs als schnelle Screening-Methode zur Entlastung staatlicher, kirchlicher und privater Arzneimitteluntersuchungsstellen und Krankenhäuser ist groß. Bereits über 80 Minilabs kommen in 23 Ländern zum Einsatz.

Kastentext: GPHF-Minilabs

Details über dieses Projekt können auch im Internet unter www.gphf.org abgerufen oder direkt beim GPHF, Postfach 150123 in 60061 Frankfurt angefragt werden.

Literatur

[1] Russian fake drug trade far larger than thought, costs pharma Dollar 250 mill. plus/year. Pharma Marketletter, 6th of May 2002. [2] Alarm as sale of fake medicines rise. The Nation (Kenya), 29th of April 2002. [3] Newton P. et al., Murder by fake drugs. Time for international action. Br. Med. J. 324, p. 800, 2002. [4] What's in that pill? No panacea for a global problem. The Far Eastern Economic Review, Hong Kong, 21st of February 2002. [5] Hildebrand J. R., Arzneimittelfälschungen in den USA. Pharm. Ind. 64 (2), 2002. [6] Drug adulteration flourish on highways. Economic Times, India, 3rd of December 2001. [7] Get sick quick – The dangers of counterfeit drugs. TEMPO, Indonesia, 3rd to 10th of September 2001. [8] Counterfeit drugs a health threat in US. Scrip No. 2662, 20th of July 2001. [9] Jähnke R. W. O. et al., Low-cost quality assurance of medicines using the GPHF-Minilab. Drug Inf. J. 35 (3), p. 941, 2001. [10] NAFDAC destroys N850 million fake drugs. Vanguard, Nigeria, 17th of July 2001. [11] Newton P. et al., Fake artesunate in southeast Asia. Lancet 357, p. 1948, 2001. [12] What's in that pill? In Latin America, fake drugs are as lucrative as cocaine. Business Week, 18th of June 2001. [13] Fake drugs make health here. The Times of India, 9th of March 2001. [14] Fake malaria drugs in Tanzania. Pharma Marketletter, 26th of February 2001. [15] Deadly doses. Investigation on spurious drugs. India Today, 29th of January 2001. [16] Fake antimalarials circulated in Cambodia. Mekong Malaria Forum No. 7, December 2000. [17] Sägemehl in der Salbe. Der Spiegel No. 51, 2000. [18] New task force set up to track drug pirating. Shanghai Daily, 22nd of November 2000. [19] A dumping yard for fake drugs. The Hindustan Times, 22nd of October 2000. [20] Malaria: Dozens dead in Cambodia from counterfeit drugs. United Nations Foundation UN Wire, 30th of May 2000. [21] Antibiotic imports may have killed 17. USA Today, 8th of May 2000. [22] Illegal medicines recovered near Durban. Health News Daily, Johannesburg, 20th of April 2000. [23] Crack down on illegal medicine sales in China. Pharma Marketletter, 3rd of January 2000. [24] Crack down on illegal sales of medicine in Benin. WHO Essential Drug Monitor No. 27, December 1999. [25] Fake drugs swamp Malawi. Africa Health No. 38, November 1999. [26] Counterfeit stroke medication sold over border. The South China Morning Post, 9th of July 1999. [27] Brazil steps up war on counterfeits. Scrip No. 2346, 24th of June 1999. [28] Fake medicines sold in Tajikistan pharmacies. Pharma Marketletter, 14th of June 1999. [29] Black market in medicine thrives in state. The Times of India, 14th of May 1999. [30] Challenging the counterfeiters. Scrip Magazine, February 1999. [31] Counterfeit and substandard drugs in Myanmar and Viet Nam. EDM Research Series No. 29. WHO, Geneva 1999. [32] Guidelines for the development of measures to combat counterfeit drugs. Department of Essential Drugs and Other Medicines. WHO, Geneva 1999. [33] Glycerol contaminated with diethylene glycol. WHO Drug Information 12, November 1998. [34] U.S. is faulted over screening for drug safety. The New York Times, 3rd of May, 1998. [35] Danger medicines on sale. Sunday Standard, Nairobi, 9th of November 1997. [36] Basco L. K. et al., False chloroquine resistance in Africa. Lancet 350, p. 224, 1997. [37] Kron M. A., Substandard primaquine phosphate for US Peace Corps personnel. Lancet 348, p. 1453, 1996.

Gefälschte und minderwertige Arzneimittel sind in Entwicklungsländern an der Tagesordnung. Der Betrug ist finanziell einträglich, und die Gesundheitsbehörden sind überfordert. Um hier gegenzusteuern, hat der German Pharma Health Fund e.V. ein mobiles Minilabor für Basisuntersuchungen entwickelt, mit dem sich die Verfälschungen der gängigsten Wirkstoffe leicht nachweisen lassen. 

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